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Unternehmen setzen verstärkt auf ein aktives Diversity-Management. TÜV Austria zertifiziert seit 2008 diese Bemühungen. Auch Billa darf sich offiziell als Unternehmen mit „ganzheitlichem Diversity-Management“ bezeichnen.
Es gibt wohl kein Unternehmen weltweit, dass auf eine Outperformance von 15 bzw. 35 % verzichten möchte – und dennoch scheint es, als wäre das offene Geheimnis, dass vielfältige Teams bessere und nachhaltigere Gewinne erzielen, noch nicht bei allen Wirtschaftslenkern in Österreich und darüber hinaus angekommen. Laut einer McKinsey-Studie erreichen Unternehmen, die bezüglich Nationalitäten und Gender-Diversität zu den Top 25 % gehören, überdurchschnittliche Gewinne, und zwar um eben 35 % (Nationalitäten) bzw. 15 % (Gender) mehr als der Median des jeweiligen Landes. Diversität ist also kein Selbstzweck, sondern treibt Gewinne. Und dennoch sind die Zahlen, etwa im Bezug auf Frauen in Führungspositionen, erschreckend. Auf Österreich bezogen sind in den Vorständen der 62 börsennotierten Unternehmen laut EY-Studie 7,3 % Frauen vertreten, in den Aufsichtsräten sind es (trotz 30-%-Quote) 25,7 %. Doch nicht nur in Sachen Gender Diversity, auch in Bezug auf Herkunft und Alter sind Vorstände heutzutage oft noch zu uniform.
Vielfalt als Wettbewerbsvorteil
Dominique Müllner, Diversity-Managerin beim Lebensmittelhändler Billa AG (Billa), sieht eine große Chance: „Für Unternehmen kann Vielfalt ein Wettbewerbsvorteil sein, wenn man sie zum einen erkennt und dann auch nutzt. Mit einer vielfältigen Belegschaft und einer großen Produktauswahl zieht man vielfältige Kundengruppen an.“ Müllner beschäftigt sich seit fast zehn Jahren mit dem Thema Diversität, 2016 kam sie zu Billa. Heute arbeiten bei Billa 20.000 Menschen aus 89 Nationen, davon rund 1.000 Lehrlinge. Acht von zehn Mitarbeitern sind Frauen (mit einem Frauenanteil von 77 % auf Führungsebene), auch mehr als 170 geflüchtete Menschen nennen Billa ihren Arbeitgeber. Um diese Bemühungen auch einer externen Prüfung zu unterziehen, ließ sich das Unternehmen 2017 nach Önorm S2501 zertifizieren.
Mit Erfolg – Billa darf sich laut TÜV Austria als Unternehmen mit einem ganzheitlichen Diversity-Management bezeichnen. Doch der Weg dorthin war nicht einfach. Nach einer ersten Erhebung wurden Maßnahmen definiert. Müllner: „Die Prioritäten lagen ganz klar beim Thema Menschen mit Behinderung. Bei der Größe unseres Konzerns kann man sich vorstellen, dass wir eine große Summe für die Ausgleichstaxe ausgeben (per Gesetz sind Unternehmen mit 25 oder mehr Beschäftigten verpflichtet, einen begünstigten behinderten Menschen einzustellen, Anm.).“ Auf Basis dessen wurden Maßnahmen definiert, die dann letztendlich wirkten.
Obwohl die Zertifizierung bereits seit 2008 vergeben wird, hätten sich viele Unternehmen noch nicht „getraut“, so Hermann Zeilinger, Diversity-Management-Experte bei TÜV Austria. „Zahlreiche Unternehmen widmen sich bereits dem Thema Diversity-Management. Allerdings wurde die Önorm bisweilen wenig verwendet, da die Komplexität des Themas Unternehmen abgeschreckt hat.“ Seither wurde der Prozess standardisiert und unter dem Namen „ZukunftVIELFALT“ neu besetzt. Neben Billa erhielten etwa auch die Fachhochschule Salzburg und der Energieanbieter Verbund die Auszeichnung. Für Zeilinger ist es nur eine Frage der Zeit, bis weitere dazukommen. Dass die Zertifizierung auf dem Prinzip der Freiwilligkeit aufgebaut ist, ist für den TÜV-Mann kein Problem. Denn Unternehmen müssten auch heute schon kommunizieren, wie sie das Thema aktiv managen, und auch Bewerber würden zunehmend auf ein aktiv geführtes Diversity-Management achten, so Zeilinger. „Es gibt daher schon jetzt, auch ohne Verpflichtung, ausreichend Anreiz, sich dem Thema zu widmen.“
Auch für Müllner ist die Arbeit mit der Zertifizierung nicht getan. „Die Herausforderung ist definitiv, an den vielen Themen gleichzeitig dranzubleiben und eher weniger, dafür wirksame Maßnahmen zu etablieren. Wir haben nun in allen Bereichen gut laufende Prozesse und Maßnahmen umgesetzt. Jetzt geht es ans ,Eingemachte‘ – darum, Strukturen aufzubrechen und mehr strategisch zu arbeiten.“
Kein Marketing-Gag
Der Illusion, dass es mit einer Diversity-Managerin bzw. einer Abteilung getan ist, will sich Müllner nicht hingeben. Das Thema könne nicht nur von einer Person getragen werden. „So ist es auch im Zertifizierungsprozess nicht vorgesehen.“ Dennoch benötige es Antreiber. „Es ist sinnvoll, eine möglichst diverse Gruppe zusammenzustellen, die sich des Themas annimmt und es vorantreibt.“ Doch Diversität als Thema hätten bei Billa, so Müllner, viele Mitarbeiter und Führungskräfte verinnerlicht. „Es wird spürbar, dass es sich dabei nicht um einen Marketing-Gag handelt“, sagt die Diversity-Beauftragte.
Hermann Zeilinger bestätigt, dass die Zertifizierung jene belohnen soll, die ihr Engagement aktiv und seriös betreiben. Er hofft, „dass viele Unternehmen den Wert eines strukturierten Diversity-Managements erkennen und entsprechend aktiv Schritte setzen, um attraktive Rahmenbedingungen für die vielfältigen internen und externen Stakeholder zu setzen. Die Zertifizierung soll dabei ein Qualitätskriterium sein, das belegt, dass das Unternehmen seine Bemühungen ernst meint.“
Ernst meint es Dominique Müllner jedenfalls. Ihr Ziel: Die offene Unternehmenskultur weiter zu fördern. „So können alle ihr Potenzial entfalten und in weiterer Folge zum Erfolg des Unternehmens beitragen.“
Text: Forbes-Redaktion
Fotos: beigestellt
Der Artikel ist in unserer Forbes Daily erschienen.