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Gerade mal 20 Jahre alt und bereits Weltmeister: Vergangenes Jahr gewann Umut Gültekin den Fifa World Cup in Kopenhagen und erhielt eine Siegprämie von 250.000 €. Daraufhin wurde er zum E-Sportler (dem besten professionellen Videospieler) des Jahres gekürt und schloss einen Profivertrag ab. Er lebt trotzdem noch bei seinen Eltern.
Gerade fertig mit dem Abitur war Gültekin also plötzlich um eine Viertelmillion reicher und wurde zu Wettkämpfen nach Stockholm, Bukarest und Atlanta eingeladen. „Ich lebe schon sehr gut davon“, erzählt er, während er in seinem Kinderzimmer sitzt. Zwar verdient er bei seinem Verein RB Leipzig sechsstellig, doch eine eigene Wohnung hat er sich bisher nicht geleistet – er sei ja ohnehin die meiste Zeit auf Wettkampftouren. Nach seinem Fifa-Weltmeistertitel gilt Gültekin zudem als einer der beliebtesten E-Sportler Deutschlands.
Jeder, der glaubt, E-Sportler seien nur eine abgespeckte Version eines Offline-Sportlers, hat noch nie versucht, einen E-Sportler wie Gültekin während der virtuellen Bundesliga persönlich zu sprechen. Interviewtermine oder Pressekonferenzen gibt es in seinem Metier nur selten; Training geht vor. Auf seinem Schreibtisch steht eine Dose Red Bull; eine Marke, die ihn nicht nur wach, sondern durch Sponsoring auch über Wasser hält.
Ähnlich wie Gültekin ist der E-Sport vom Kinderzimmer auf die professionelle Weltsportbühne gezogen. Analog zur wirklichen Welt braucht es auch hier Taktikbesprechungen, Mentalcoaching und Fitnesstraining. Um sein Optimum zu erreichen, trainiert Gültekin meistens isoliert in seinem Zimmer, fernab von jeglichen externen Stimuli. Wie im traditionellen Spitzensport gilt auch hier die Maxime: Je höher das Preisgeld, desto stärker der Wille zum Sieg.
Den Status einer sportlichen Disziplin hat E-Sport nach wie vor nicht. Doch kompetitives Gaming floriert, und die Top-Wettkämpfe sind längst massentauglich geworden. Rund 150.000 Menschen scharten sich beim Endspiel der Weltmeisterschaft um die Bildschirme – Zum Vergleich das Original brachte vergangenes Jahr 89.000 Zuschauer ins Lusail-Stadion. Rund um den E-Sport herrscht zudem Goldgräberstimmung: Weltweit ist der Umsatz mit E-Sport-Produkten 2022 auf mehr als eine Mrd. US-$ gestiegen.
Der Weltmeisterpokal thront bei Umut Gültekin zu Hause im Wohnzimmer. „Meine Eltern verstehen bis heute nicht, warum ich das mache. Aber dadurch, dass ich davon leben kann, hinterfragen sie es nicht länger“, erzählt der Champion. Nächste Woche geht es für ihn zu den E-Nations – vergleichbar mit der Weltmeisterschaft – nach Saudi-Arabien.
Text: Helene Hohenwarter
Foto: Marcel Lämmerhirt