Wie NewSpace sich der
Nachhaltigkeit annimmt und die Politik von morgen macht

Die Raumfahrtindustrie wächst unaufhaltsam, nie wurden so viele Satelliten gestartet, nie war der Zugang zum Weltraum einfacher - doch in unseren Erdorbits herrscht aktuell der Wilde Westen. Wie können wir dem (noch) entgegenwirken?

4.700 aktive Satelliten kreisen in Geschwindigkeiten von bis zu 7,8 km pro Sekunde um unsere Erde. Mega-Konstellationen wie Starlink oder Kuiper sind im Aufbau. Die Branche Raumfahrt ist eine belebte. Sie birgt jedoch auch Gefahren: So werden etwa Pilotprojekte wie Starlink und Kuiper von einer Vielzahl von Trümmerteilen oder ausrangierten – und somit nicht mehr steuerbaren - Satelliten bedroht. Rückstände aus Jahrzehnten von Raumfahrtaktivitäten und fehlende Regulierung verursachen eine gefährlich steigende Wahrscheinlichkeit für Kollisionen, die es unbedingt zu vermeiden gilt. Die für Erdbeobachtungs- und IoT-Applikationen wirtschaftlich interessantesten und am meisten genutzten Orbits sind aktuell besonders gefährdet. Nur durch eine einzige Kollision könnten einzelne Umlaufbahnen nicht mehr nutzbar werden. Deshalb ist es eines der wichtigsten Ziele für die aufstrebende Raumfahrt, den sogenannten Kessler-Effekt zu verhindern, bei dem die Trümmerteile einer Kollision wiederum weitere Kollisionen verursachen können und somit die Anzahl an Trümmerteilen exponentiell wächst und die Orbits irreversibel verschmutzt. Explosionen und Kollisionen in der Vergangenheit haben diesen Effekt bereits verursacht und vereinzelte Umlaufbahnen somit unbrauchbar gemacht.

Die Vermeidung von Kollisionen und die hierfür benötigte Koordinierung aller Objekte im Orbit muss dabei, ähnlich wie im Luftraum, hoheitlich sichergestellt werden. Da der Weltraum generell ein hoheitsfreier Raum ist, kann dies nur im internationalen Konsens umgesetzt werden. Die Motivation eines solchen Konsens ist die Absicht aller Akteure, den Weltraum als Wirtschafts- und Wissenschaftsraum und als Treiber von Innovationen langfristig zu schützen. Die internationale Diskussion zur Nachhaltigkeit im Orbit nimmt zwar zu und auch die Notwendigkeit eines international funktionierenden Space Traffic Managements wird prinzipiell anerkannt. Doch verbindliche Regelungen gibt es bisher kaum1 und auch umfassende Space Traffic Management Systeme sind aktuell nur schwer als Dienstleistung erhältlich. Es sind mutige Unternehmer:innen und junge Firmen, die sich nun dieser Aufgabe annehmen, die mit innovative Lösungsansätze diese Lücke schließen und somit die Verbindung von Nachhaltigkeit und wirtschaftlichem Nutzen für den Weltraum realisieren.

Kristina Nikolaus
...absolvierte einen Master in Business Informatics and Technology Management an der Universität Braunschweig. 2018 gründete sie Okapi Orbits mit, mittlerweile ist sie dort Co-CEO.

Vereinfacht ausgedrückt, muss ein zukünftiges “Space Traffic Management” die Informationsaufbereitung und Koordination dreier Bereiche umfassen. Der erste Bereich beinhaltet die Vorhersage bzw. Vermeidung von Kollisionen. Dazu gehört die Lokalisierung von Objekten und die Bestimmung ihres physikalischen Verhaltens bzw. ihrer genauen Umlaufbahn. Damit kann eine mögliche Kollision mit einem anderen Objekt (für das auch die genaue Umlaufbahn bekannt sein muss) vorhersagt werden bzw. in einem weiteren Schritt durch gezielt Ausweich-Manöver zur Kollisionsverhinderung berechnet werden. Im zweiten Bereich geht es darum, das sogenannte Weltraumwetter zu beobachten. Insbesondere von der Sonne kommende Ionenstürme beeinträchtigen durch den Aufprall geladener Teilchen auf elektronische Komponenten den Betrieb der Satelliten und führen im schlimmsten Fall zu komplettem Ausfall dieser Komponente, so dass dieser Satellit u.U. nicht mehr gesteuert werden kann. Durch die gezielte Ausrichtung des Satelliten in einem solchen Sturm und weiterer operativer Maßnahmen, können jedoch die Auswirkungen minimiert werden. Im dritten Bereich sollen eventuelle Frequenzstörungen vermieden werden, welche bei zunehmender Nutzung der zur Verfügung stehenden Frequenzbereiche und mangelhafter Koordination unter den Satellitenbetreibern auftreten können. Dies kann eine zuverlässige Kommunikation zum Satelliten und andere satellitengestützte Dienste beeinträchtigen.

Die ganzheitliche Betrachtung dieser drei Bereiche und somit die Umsetzung des Space Trafifc Managements durch alle Akteure im Weltraum wird darüber entscheiden, ob der Weltraum weiter sicher und wirtschaftlich genutzt werden kann. Der weltweite Umsatz der Raumfahrtindustrie im Jahr 2020 lag laut Statista bei satten 447 Milliarden US-$. Während auf politischer Ebene noch debattiert wird, werden von Unternehmen wie OKAPI:Orbits bereits die technischen Lösungen für ein Space Traffic Management entwickelt und als Dienstleistung angeboten. Sie stellen somit Raumfahrtagenturen, Regulierungsbehörden und Satellitenbetreibern die notwendigen Tools bereit, um sofort agieren zu können und somit die „Klimakrise“ der Orbits zu verhindern. Langfristig kann diese Mammutaufgabe jedoch nicht allein durch die Corporate Social Responsibility einzelner Akteure gelöst werden, die ein konsequentes Space Traffic Management in ihrem operativen Betrieb berücksichtigen. Es bedarf hier der engen Zusammenarbeit auf internationaler Ebene, die zu entsprechend einheitlich rechtlichen Regulierungen in den jeweiligen Ländern führt, sowie ein verantwortungsvolles unternehmerischen Handeln aller Satellitenbetreiber und die Verfügbarkeit benötigter technischer Lösungen.

1 Auf internationaler Ebene gibt es bisher lediglich die UN Space Debris Mitigation Guidelines, die unverbindlich sind und nach den neuesten Marktentwicklungen auch schon als nicht mehr ausreichend angesehen werden. Satellitenbetreiber sind nicht an die UN Guidelines gebunden, soweit sie zur Beachtung nicht unter Genehmigungen nach nationalem Weltraumgesetz verpflichtet werden. In Deutschland gibt es ein solches Gesetzt bislang nicht.

 

Gastkommentar: Kristina Nikolaus
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