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Inmitten der wohl größten Wirtschaftskrise der letzten Jahrzehnte beweisen weibliche Führungspersönlichkeiten, dass sie auch in schwierigen Zeiten einen kühlen Kopf bewahren, mit klugen Ideen Lösungen für die derzeitigen Herausforderungen finden und Veränderungen in der Gesellschaft vorantreiben – inwiefern, zeigen folgende herausragende Unternehmerinnen im Detail.
Kristina Lunz
Die Pandemie wirkt sich vor allem auf marginalisierte Gruppen einschließlich Frauen aus. Wir beim Centre for Feminist Foreign Policy (CFFP) konzentrieren uns darauf, die Bedürfnisse dieser marginalisierten Gruppen in den Fokus zu rücken und Machtungleichheiten, die die Grundlage des vorherrschenden patriarchalen Gesellschaftssystems bilden und gerade in Krisen verstärkt werden, auszugleichen. Wir haben beispielsweise die Publikation „Feminist Reponse to Covid-19“ veröffentlicht, um aufzuzeigen, wie wir als Führungskräfte und Zivilgesellschaft feministisch, also verantwortlich, intersektional, inklusiv und vor allem langfristig denkend, aus der Krise führen können. Nun setzen wir uns proaktiv und in allen gesellschaftlichen Sphären für eine Umsetzung dieser Prinzipien ein.
Die Krise verdeutlicht, dass effektives Leadership auf Empathie und Sachkenntnis beruht. Vor allem Frauen leisten großartige Arbeit bei der Handhabung globaler Ausnahmezustände. Hier ist zum Beispiel die Arbeit der neuseeländischen Premierministerin Jacinda Ardern bemerkenswert, die ihr Land mit einer Kombination aus Empathie, Integrität und Stärke und auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse aus der Pandemie leiten konnte.
Sylvie Nicol
When we started the year, full of plans and exciting projects and initiatives in the pipeline, I could have never imagined how different the situation would be just a few weeks later. Corona hit us all and fundamentally changed our lives, personally and professionally. And the crisis is far from being over. But we have quickly adapted, we learned a lot and I still do every day.
As serious and challenging as the situation remains, we are also taking many positive things from the past months. I can feel a strong spirit and can-do-attitude and a sense of belonging and commitment among our employees around the world. This gives me energy personally and I am convinced that this is a crucial factor why we have handled the crisis so well so far. What have we, what have I learned from the last months? First, we must, and we can be faster. Quick decisions and flexibility are required to cope with the unpredictable, rapidly changing environment. We have shortened our decision-making paths and established leaner structures and processes. Also, clear and transparent communication is absolutely key. This is something we want to keep. Second, the last months have been something like a crash course in remote working and in digitalization or the use of digital tools – even though this of course already existed before. I am still impressed, how smoothly the organization shifted to a fully remote working environment. And it worked out pretty well for me, too – although I must say that I take a lot of energy from the exchange with colleagues. I have missed that very much. We see that both presence and remote working have pros and cons and I believe that a hybrid model combining the best of both worlds will be the future.
Crises lead to change and that always holds a chance. We are currently experiencing an accelerated cultural change – towards a more resilient, flexible, agile, open, and digital organization. This speeds up our digital transformation journey, and it is also an opportunity for more diversity and more equal opportunities. I can only advise women to use the momentum, to help shape the change and become visible. Old patterns and structures have had their day. Let’s create a more colorful future together!
Antje von Dewitz
Wir sind es gewohnt, Verantwortung im Team zu tragen und als Organisation agil zu reagieren. Das hat uns geholfen, in der Anfangszeit der Krise besonnen und schnell zu handeln. So haben wir binnen kurzer Zeit neue Formen gefunden, um den Zusammenhalt zu stärken und auf die großen Herausforderungen zu reagieren. Wir haben einen täglichen Krisenstab gebildet, in dem die Geschäftsleitung eng mit der Mitarbeitervertretung zusammengearbeitet hat. Über einen Videoblog haben wir die Mitarbeitenden auf dem Laufenden gehalten. Trotz Lockdown und Umsatzeinbrüchen sind wir optimistisch geblieben, ohne zu beschönigen. In Krisenzeiten ist es besonders wichtig, dass Führungskräfte präsent und offen sind, transparent kommunizieren, viel erklären und von Anfang an alle Mitarbeiter ins Boot holen. Denn der Bedarf an Kommunikation, Information, Gemeinschaftsgefühl und Sicherheit ist in solchen turbulenten Zeiten sehr hoch.
Karin Exner-Wöhrer
Die Entschleunigung, vor allem durch die eingeschränkten Reisemöglichkeiten, gibt mir Raum, um Abstand zu gewinnen, Gewohnheiten infrage zu stellen und Ziele neu auszurichten. Die Aufhebung der Ausgangssperren bedeutetet ja nicht, das Virus nicht mehr zu bekämpfen, sondern anders zu leben und anders zu arbeiten. Wir haben gelernt, mit weniger (von fast allem) auszukommen. Wir haben gelernt, dass wir uns aus eigener Verantwortung für die Zukunft engagieren können und müssen. Vieles wurde rasch klar: Ökologisch ist machbar, smart ist machbar, Entfaltung ist machbar. Miteinander ist mehr denn je machbar. Die Reise geht weiter. Sie bleibt spannend, herausfordernd und abwechslungsreich. Ich bleibe optimistisch und zuversichtlich.
Katharina List-Nagl
Wir haben bereits letztes Jahr einen internen Gamechanger-Prozess gestartet, um uns damit auseinanderzusetzen, was die Zukunft bringen wird, und dafür eine Roadmap erstellt. Die Coronapandemie war nun für uns der Zündstoff, mit vielen Dingen schneller in die Umsetzung zu gehen. Ein Beispiel: Wir haben im Juni unser F/List Futurelab eröffnet, welches aus einem internen Expertenteam besteht und sich mit Zukunftsthemen befasst. Gleichzeitig haben wir begonnen, unser gesamtes Unternehmen mit allen Auslandsstandorten zu reorganisieren, um wieder flexibler auf externe Einflussfaktoren reagieren zu können, seien es Klimaziele, Sharing Economy, Nachhaltigkeit oder die Coronapandemie. Dabei behalten wir aber immer den Kunden im Fokus.
Heute ist es entscheidend, dass Führungskräfte lösungsorientiert denken und Krisen nutzen, um neue Chancen zu generieren. Mein persönlicher Tipp: Am Ende des Tages auf das eigene Bauchgefühl vertrauen. Das erfordert Mut – vor allem als weibliche Führungskraft –, aber das gehört zum Leader-Dasein eben dazu!
Lea-Sophie Cramer
Für viele Frauen und Männer war es im Frühjahr schon eine wahrhafte Meisterleistung, den Alltag mit Job, Familie, geschlossener Kinderbetreuung und Co zu stemmen – und auch, wenn ich finde, dass wir nicht aus jeder Krise mit unzähligen neuen Ideen und Projekten rauskommen müssen, ist es doch für viele eine Zeit des Innehaltens und der Reflexion gewesen.
Für mich ist 2020 in mehrfacher Hinsicht ein echtes Novum. Ich habe mir bewusst Zeit für ein „Year of Learning“ genommen, habe keine operative CEO-Rolle mehr; mitten während Corona. Ich lerne neue Fähigkeiten, etwa durch meine angefangene Coaching-Ausbildung, treffe neue Menschen, die mir Energie geben, und finde erstmals kontinuierlich Zeit für Sport. Außerdem experimentiere ich mit neuen Projekten (beispielsweise habe ich ein neues Beiratsmandat bei Ifolor angenommen) und Plattformen und übe mich im Reden – stets meiner Mission, die Wirtschaft diverser, mutiger und menschlicher zu machen, näher kommend.
Zudem: Wenn die Welt kopfsteht, dann will ich als Mitarbeiter den Menschen hinter dem Chef kennenlernen und keine vorselektierte Krisen-PR vorgesetzt bekommen.
Wir brauchen mehr „Vulnerable Leadership“, also verletzliches Führen. Das heißt konkret: Als Führungspersönlichkeit lasse ich mir ein Stück in die Seele gucken. Ich sage offen, wenn ich etwas nicht weiß, ich kommuniziere transparent, woran wir als Team sind. Vulnerable Leadership ist übrigens kein Konzept für Female Leaders only – männliche Chefs sollten sich genauso eine Scheibe vom Mut und der Empathie von Vulnerable-Leadership-Vorbildern wie der neuseeländischen Premierministerin Jacinda Ardern oder dem Marriott-CEO Arne Sorenson abschneiden!
Susanne Mitschke
Citruslabs wurde von der Coronakrise schwer getroffen. Klinische Studien wurden ausgesetzt oder Patienten wollten nicht mehr an den Studien teilnehmen bzw. diese abbrechen – aus Angst, sich mit dem Virus beim Arztbesuch anzustecken. Wir mussten umdenken und haben die letzten Monate für strategische Produktentwicklung genutzt. Heraus kam eine Software mit dem Ziel, Patienten in klinischen Studien besser zu involvieren, um die Abbruchrate zu senken. Auch wenn das Produkt noch nicht ganz fertig entwickelt ist, ist das Interesse so groß, dass wir den Vorverkauf bereits erfolgreich gestartet haben. Zudem haben wir unser eigentliches Produkt ausgebaut und bieten nun auch virtuelle klinische Studien über unsere Software an. Dies wird derzeit in der Kosmetikindustrie getestet, die großes Interesse hat, Produkte klinisch zu validieren. Unser Team hat Großes geleistet, um aus dieser Krise gestärkt herauszukommen. Wir sind auf einem sehr guten Weg, klinische Studien bald viel schneller und effektiver umsetzen zu können.
Angela Pernsteiner
Genau heute vor sechs Monaten, am 1. 4. 2020, habe ich als „Aprilscherz“ mein Start-up gegründet, weil mich alle mit meiner Idee und Vision ausgelacht haben und meinten, dass es sowieso nicht funktionieren wird. Experten meinten: „Du kannst nicht Kosmetik- und Biozidprodukt gleichzeitig sein!“, Berater tätigten Aussagen wie: „Entweder das eine oder das andere. Außerdem sind die Konsumenten in der Krise nicht bereit, für Premiumqualität zu bezahlen.“ Sogar mein eigener Vater meinte: „Du wirfst sinnlos Geld für Labortests aus dem Fenster, hör auf, so eine Schnapsidee zu verfolgen.“
Beyond Resilience ist heute die erste innovative Handkosmetik, die auf 100 % pflanzlicher Basis die Hände wie eine Creme pflegt und mit besseren Ergebnissen als Referenz-Desinfektionsmittel gegen 99,99 % der Bakterien und behüllten Viren (wie Covid-19) wirkt. Wir haben dermatologische Kosmetiktests mit „exzellent“ bestanden, sind vegan, tierversuchsfrei, Halal-zertifiziert und verhandeln momentan mit Sephora und Harrods.
Die wichtigste Eigenschaft eines Gründers und einer starken Führungspersönlichkeit ist es, das Ziel zu verfolgen, auch wenn es sonst keiner sehen kann. Dies braucht enorme Standfestigkeit, um durch kurzfristige Kritik und durch die auf einen einprasselnden Meinungen nicht ins Wanken zu geraten und die eigene, langfristige Vision zu verfolgen. Es geht ausschließlich um das Mindset, das man nur selbst beeinflussen kann. Millionenfach habe ich über das letzte Jahrzehnt den Satz „Don’t insist anymore, it doesn’t work!“ gehört – es ist bequemer, Umstände, Erklärungen und Hürden zu finden, warum etwas nicht funktioniert, als über alle Steine, die im Weg liegen, zu steigen. Nur in Extremsituationen trennen sich durchschnittliche von starken Führungspersönlichkeiten.
Diese Extremsituationen oder Krisenzeiten sind wie Wirbelstürme auf dem offenen Meer, auf die man sich nicht vorbereiten konnte – die Mehrheit der Boote kentert. Als starker Leader muss man sozusagen ein Fels in der Brandung sein, der in sich selbst so fest verwurzelt ist und ruhig darauf vertraut, dass seine Entscheidung langfristig richtig ist, egal welche kurzfristigen Stürme versuchen, den Felsen wegzuschwemmen. Solche Momente sind rau, eiskalt, nass und windig und man zweifelt selbst, ob es die Energie, die man braucht, um den Boden unter den Füßen nicht zu verlieren, wert ist. Aber wenn man solche Stürme übersteht, wird die langfristige Vision – und auch man selbst – in seinem Tun bestärkt. Sich durchbeißen lohnt sich!
Sabinna Rachimova
Ich habe in den letzten Monaten meine Ziele neu definiert, den Fokus auf Themen gesetzt, die mir besonders wichtig sind, und die Zeit genutzt, um mein Netzwerk auszubauen. Ein Unternehmen in Krisenzeiten zu führen kann beängstigend sein – zugleich erweitert es aber den eigenen Horizont.
Wenn man sich die allgemeine Situation ansieht, so ist es kein Geheimnis, dass es nicht genug Frauen in Leadership-Positionen gibt. Die Pandemie hat dies leider noch sichtbarer gemacht. Es fehlt an Repräsentation, und somit gibt es kaum Chancengleichheit oder ein ehrliches Verständnis dafür, was gesellschaftliche Gleichstellung vorantreibt. Ganz im Gegenteil: Die Krise hat die beruflichen Chancen für Frauen stark beeinträchtigt.
Diese Krisenzeit sollte von allen Führungskräften dafür genutzt werden, das eigene berufliche Umfeld zu analysieren: Gibt es genug Diversität? Wird Innovation genug gefördert – und wer profitiert davon am meisten? Wir müssen umdenken und Leadership neu definieren.
Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 9–20 zum Thema „Women“.