Wenn der Wind weht

In Chiles Süden wird ein weltweites Novum gebaut: Beim Großprojekt „Haru Oni“ handelt es sich um die weltweit erste Fabrik für fast CO2-neutrales Benzin.
Eine Visite.

Wer zur Quelle des neuen Kraftstoffs reist, hat einen weiten Weg vor sich. Zunächst geht es in das 12.000 Kilometer von Deutschland entfernte Santiago de Chile, dann besteigt man ein zweites Flugzeug, das einen ins gut 2.200 Kilometer Luftlinie entfernte, weit im Süden liegende Städtchen Punta Arenas bringt, das seit 1935 regelmäßig aus Santiago angeflogen wird. Von dort aus sind es mit dem Auto noch etwa 40 Kilometer bis zum hellen Eingangsgatter der Demonstrationsanlage „Haru Oni“, die die Firma Highly Innovative Fuels, kurz HIF, hier baut. Hier sind wir also, mitten in einer faszinierenden Geografie aus Flüssen und dem Pazifik; ein Ort, an dem der Geist von Ferdinand Magellan und Sir Francis Drake zu spüren ist. Es ist ein unge­zähmtes und facettenreiches Land mit niedrigen Büschen und heftigen Wetterkapriolen; weit weg vom Schuss und kaum besiedelt, am äußersten Rand der Landkarte.

Unter einem grauen Himmel mit einem Hauch von Sonne und strammem Nordostwind geht das Forbes-DA-Team um 12:30 Uhr in seinen Windjacken zum Empfangshäuschen. Dort wartet Miroslava Srdanovic mit der persönlichen Schutzausrüstung; ohne die ist der Besuch der Baustelle untersagt. Das Set besteht aus einem knallweißen Helm, dunklen Sicherheitsschuhen und einer Sicherheitsweste. Dann noch schnell das Tagesformular bezüglich Covid-19 ausgefüllt und wir sind entlassen. Nach 300 Metern Fußweg erreichen wir auf der rechten Seite das erste weiße Containerhaus. Dort steht bereits Tatiana Alegre – sie ist General Manager von HIF und zeigt uns die Anlage. Was Alegre an der neuen Arbeit gut gefällt: „Ich arbeite hier an der grünen Zukunft“, sagt sie und greift nach ihrer rotgrauen Jacke. Dann stülpt sie sich eine weiße FFP2-Maske über und setzt sich große graue Kopfhörer auf. Der Helm folgt und der Rundgang über die Baustelle beginnt. Erster Stopp: die Windkraftanlage. Der südamerikanische Musikstil Cumbia klingt aus einem kleinen schwarzen Radio, das am Rande des 700 Quadratmeter großen Fundaments in einer Senke steht. Acht Bauarbeiter legen am Fundament der Windanlage letzte Hand an und prüfen die Metallstruktur, in die bald Tonnen von Beton fließen werden. In 148,50 Meter Höhe wird sich dann das Windrad über der Anlage drehen; ge­baut wurde es in China. Drei mächtige Rotoren sollen 3,4 Megawatt Strom liefern. „Der Standort hier liegt nicht weit vom Terminal Laredo entfernt. Daher eignet er sich gut, um das gewonnene Methanol und das Benzin später weiterzutransportieren“, sagt Alegre. Nach ein paar Minuten kommt ihr Kollege Cristian Aguilera Bello dazu. Der 37-jährige Manager ist auf dem Terrain für die Qualitätskontrolle zuständig. Vieles scheinen sie auf der Baustelle auch im Bereich Sicherheit richtig zu machen: Ein beiges Schild hinter Aguilera verkündet Interessierten stolz: „183 Tage ohne Unfall“.

Forbes Editors

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