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Social Distancing ist auch beim Reisen das Gebot der Stunde. Das trifft nicht nur Pauschalhotels, sondern auch Billigfluglinien. Bis Impfungen möglich sind, könnten Alternativlösungen Corona-Schnelltests sein, die an Flughäfen auch eine Art Health-Check etablieren. Doch was bedeutet das alles langfristig für den Tourismus? Ein Gastkommentar von Anna Banicevic, CEO von Zizoo, der weltgrößten Onlineplattform zur Buchung von Bootsurlauben.
Junggesellenabschiede auf Ibiza? Eine Woche Pauschalurlaub für 199 € an der türkischen Riviera? Schnäppchenkreuzfahrten in den Pazifik? Seien wir ehrlich: Solche Dinge waren schon vor dem Ausbruch der Coronapandemie obszön. Sie haben die Klimadebatte befeuert und am Feindbild des Overtourism mitgezeichnet. Wenn Stammkneipen Nepplokalen weichen müssen, lokale Läden von Souvenirshops verdrängt werden oder Einheimische sich das Zentrum vor lauter Ferienapartments nicht mehr leisten können, verliert das Reisen seinen Sinn.
Allem Wachstum zum Trotz büßt die Reisebranche schon seit Jahren Vertrauen ein. Covid-19 drückt nun auf die Reset-Taste: Italien hat seinem Fremdenverkehr einen rigiden Leitfaden verpasst, laut dem um jeden Sonnenschirm zehn Quadratmeter frei bleiben sollen; manche Orte denken über Trennwände aus Plexiglas nach. Auch anderswo wird es lange nicht besser aussehen: So hat etwa das Buffet als Hochaltar der All-inclusive-Verköstigung ausgedient.
Anna Banicevic
... ist CEO von Zizoo, der weltgrößten Onlineplattform zur Buchung von Bootsurlauben mit Standorten in 50 Ländern. Nach sieben Jahren bei Google in London gründete sie 2014 das Berliner Start-up, das heute mehr als 90 Mitarbeiter hat. Die Auswahl von Zizoo umfasst alle Bootstypen, von Motorbooten über Katamarane und Segelboote bis hin zu Gulets.
Social Distancing ist auch beim Reisen das Gebot der Stunde. Mit den coronabedingten Hygienemaßnahmen lässt sich die Erfolgsformel des Massentourismus – billig und viel – nur schwer umsetzen. Das trifft nicht nur Pauschalhotels, sondern auch Billigfluglinien. Bis Impfungen möglich sind, könnten Alternativlösungen Corona-Schnelltests sein, die an Flughäfen auch eine Art Health-Check etablieren. Doch was bedeutet das alles langfristig für den Tourismus? Zum einen werden wir erleben, wie das Reisen im eigenen Land mit den kurzen Wegen und dem hohen Sicherheitsgefühl an Reiz gewinnen wird – wahrscheinlich vor allem im eigenen Auto, das im Vergleich zu Bahn, Carsharing oder Mietwagen den besten Schutz vor Infektionen bietet. Ein anderer Trend wird in der Zeit nach Corona endgültig zum Durchbruch kommen: die Individualisierung des Reiseverhaltens. Diese Tendenz wird nach der Pandemie verstärkt dazu führen, dass Anbieter von Gruppenreisen und Kreuzfahrten sowie überlaufene Destinationen unter Druck geraten. Getragen wird die Individualisierung von den Wünschen der um die Jahrtausendwende geborenen Generation Z. Laut einer Studie der WYSE Travel Confederation will sich die Generation Z auf Reisen vor allem Wissen aneignen, mehr über sich selbst erfahren und neue Freunde finden – all das verwehrt eine pauschaltouristische Blase.
Natürlich wird es auch weiterhin Menschen geben, die im Urlaub nichts als ihre Ruhe oder Bespaßung wollen. Aber der Trend führt weg von Tourismusformen mit industriell vorgefertigten Stanzen, die Erlebnisse von der Stange liefern. Sich möglichst abgelegene Destinationen bewusst anzuverwandeln wird dagegen das Reisen von morgen prägen; ein Segeltörn mit Skipper entlang der Küste Istriens etwa. Bekanntschaften mit dem Gott des Reisens gehören zu dieser Art des Unterwegsseins unbedingt dazu. Wer das ist? Es ist der Zufall, den Wellnessfestungen und organisierte Gruppenreisen tunlichst auszusperren versuchen. Doch erst er verleiht Reiseerinnerungen ihren unwiderstehlichen Glanz.
Text: Anna Banicevic
Opinions expressed by Forbes Contributors are their own.
Der Artikel erschien in unserer Juli/August-Ausgabe 2020 „Smart Cities“.