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Mit Anfang April traten Gabrielle Costigan und Claudia Witzemann ihren Job in der Geschäftsführung bei Wexelerate an. Deklarierter Stil des Führungsduos: kooperativ.
Mit den beiden neuen Geschäftsführerinnen Gabrielle Costigan (Operations) und Claudia Witzemann (Marketing & Sales) liegt der Frauenanteil beim Wiener Accelerator Wexelerate bei fast 50 Prozent. Zwar haben beide Neo-Chefinnen eine reine Mädchenschule besucht und die Erfahrung einer 100-Prozent-Frauenquote gemacht – darauf kamen die beiden am Rande des Gesprächs mit Forbes eher zufällig –, sowohl beim Studium als auch später im Berufsleben fiel die Wahl aber auf mehr männerdominierte Bereiche.
Witzemann studierte Mathematik und Physik in Wien und Santa Barbara und war zehn Jahre lang in der Forschung tätig, bevor sie in die Beratung zu A.T. Kearney wechselte und dort ebenfalls fast zehn Jahre beruflich verweilte. „In der Mathematik-Vorlesung waren wir insgesamt 500 Studierende und davon zwei Frauen. Außergewöhnlich fand ich das trotzdem nicht wirklich. Ich konnte sehr gut damit leben“, hebt Witzemann auch die Vorteile einer Minderheit anzugehören hervor – „man wird ja auch sehr schnell erkannt“, lacht sie. Wenn es um die Vergabe von Praktikumsplätzen ging, war das jedenfalls kein Nachteil, sagt sie. Bei A.T. Kearney war Witzemann zuletzt Mitglied der erweiterten Geschäftsführung.
Auch die gebürtige Australierin Gabrielle Costigan hat technischen Background. Sie studierte Bauingenieurswesen und war in eben diesem Bereich tätig, bevor sie zur weltweit tätigen Beratung Accenture wechselte. Im Jahr 1999, erzählt Costigan, gab es hinsichtlich der Jobbeschreibung „Consultant“ noch erheblichen Erklärungsbedarf, erinnert sie sich. Nur wenige wussten mit diesem Berufsbild etwas anzufangen, blickt sie zurück. Die Nachfrage ihrer Expertise, zuletzt am Feld der Consumer Goods, in Costigans Portfolio waren Marken wie L’Oréal oder Colgate, führte sie letztlich nach Österreich. Costigan: „Ich habe die Arbeit und das Leben hier sehr genossen und wollte wissen, wie es ist hier länger zu verweilen.“ Mittlerweile ist sie 15 Jahre im Lande. Geschuldet ist dies auch einem weiteren Jobwechsel zur OMV, für die sie zunächst als Regionalmanagerin für den Mittleren Osten verantwortlich war und zuletzt das globale Programm zur Steigerung der Effizienz und Effektivität von unter anderem der Produktion, Lieferketten und internen Unternehmensabläufen leitete.
Die Frage, wo sie denn wären, wenn es nicht Wexelerate geworden wäre, beantworten beide – sowohl Witzemann als auch Costigan – unisono: „Beim vorangegangenen Arbeitgeber.“ Sie hätten sich für den neuen Job entschieden, nicht gegen den alten. In den kommenden Wochen gelte es, mit allen im Team, allen Start-ups sowie Partnern Gespräche zu führen – Good Practices, Bedürfnisse genauer zu erörtern. Einen Monat –noch vor dem offiziellen Jobantritt – nahmen sich Costigan und Witzemann Zeit, um einander kennen zu lernen. Für Costigan, die ihren Vertrag vor Witzemann unterschrieben hatte, war es, so betont sie, ein Anliegen, zeitgleich mit ihrer Kollegin zu starten; sie wollte selbst keinen zeitlichen Vorsprung für sich beanspruchen. Denn: „Eine Zusammenarbeit in einer doppelten Spitze wird nur funktionieren, wenn man ehrlich miteinander ist, seine Kompetenzen klar darstellt und die auch gegenseitig matcht. Über Kollaboration zu sprechen und nicht zu kollaborieren – das kann so nicht funktionieren“, so Costigan.
Eine grobe Arbeitsteilung – abseits der Jobdescribtion – gibt es bereits. Witzemann: „Gabrielle wird zusätzlich zu den Operations die Start-ups und den aktuellen Start-up-Batch hier übernehmen. Ich werde mit unseren Partner-Corporates auch potenziellen und neuen sprechen, wenn es um Vertriebsaktivitäten gehen wird. Beide wollen wir die Prozesse deutlich verbessern, vereinfachen und schärfen, um dann auch Skalierbarkeit herzustellen.“ Zunächst gelte es aber „wirklich sattelfest“ zu werden, so Witzemann weiter.
Beide, so sagen sie, müssten sich noch tiefer mit den Start-ups und ihren Bedürfnissen auseinandersetzen. Aus Sicht der Corporates aber – eben beide selbst aus solchen kommend – mache eine Partnerschaft mit Wexelerate (wenig überraschend) Sinn. Witzemann: „Wir haben zweimal im Jahr zwischen 50 und 60 Start-ups hier. Wenn sich ein Corporate zwei, drei Jahre an uns bindet, dann hat es sechsmal die Möglichkeit 50 bis 60 Start-ups zu sehen. Das in der eigenen Organisation zu organisieren, ist aus meiner Sicht fast unmöglich – außer, man baut sich in der eigenen Organisation eine Gruppe mit genügend Leuten auf.“ Auch die Hemmschwelle, Dinge auszuprobieren sei niedriger, ergänzt Costigan. Schließlich sei man in einer Konstellation wie dieser nicht auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen. Eine Plattform wie Wexelerate biete den großen Vorteil, voneinander lernen zu können, dort und da einfach auch mal wo reinzuschnuppern, so der Tenor der neuen Führungsspitze.
Die Führung durch eine doppelte weibliche Spitze haben sowohl Witzemann als auch Costigan noch nicht erlebt. Genügend Zeit, diese nach ihren Vorstellungen auszugestalten, bleibt beiden Chefinnen. Ihr Vertrag ist unbefristet.