VOM TELLERWÄSCHER ZUM PLAZA-MANAGER

Das Plaza auf der Fifth Avenue gehört zu New Yorks berühmtesten Wahrzeichen und ist eine Top-Adresse in der Welt der Luxushotels. Im Hintergrund zieht Justin Milazzo die Fäden – der Manager ist ein echter Veteran der Hotelbranche.

Wenn man durch die holzvertäfelten Drehtüren die Lobby des Plaza-Hotels betritt, ist es, als würde man in eine andere Welt gelangen. Draussen ist es schwül und heiss; die schwere Sommerluft, gemischt mit den Abgasen des nie endenden Verkehrs, der sich langsam über die Fifth Avenue schiebt, macht das Atmen schwer. Vor dem Hotel auf der 59. Strasse hupen zugeparkte Taxis, Hotelmitarbeiter rangieren Koffer, Tüten, Hunde und Trinkgelder. Es ist laut, dreckig und chaotisch.

Aber drinnen ist es kühl und ruhig – und auffallend wohlriechend.Ein üppiges Blumengesteck schmückt die Eingangshalle, man schaut augenblicklich in die lächelnden Gesichter uniformierter Portiers. «Zur Champagner-Bar?» Der Mitarbeiter weist mit einer ausladenden Geste nach rechts. In ebendieser Bar warten noch mehr uniformierte Mitarbeiter, Fracks, weisse Handschuhe, Jazzmusik, Marmorböden, Blumengestecke, weisse Gedecke und geputztes Silberbesteck. Üppige Treppen säumen den weitläufigen Raum – und an einem der hinteren Lounge-Tische warten Justin Milazzo und zwei seiner Mitarbeiterinnen.

Milazzo ist der Manager des Plaza. Er hat auf der Couch an der Längsseite des niedrigen Tischs Platz genommen, ein Kellner bringt Kaffee in einer glänzend polierten Silberkanne. Milazzo richtet seinen dunkelblauen Anzug. Zwei Details fallen auf: An seinen Manschetten hängen die Logos eines Footballteams («die Buffalo Bills, meine grosse Leidenschaft», sagt er strahlend) und an seinen Handgelenken enge Armbänder mit Plastikperlen. Die Buchstaben des einen ergeben «Plaza-King» – ein Geburtstagsgeschenk der Mitarbeiter an den Manager. Die Armbänder erinnern an die Optik von Freundschaftsbändern, wie man sie zuletzt häufig bei Taylor-Swift-Fans gesehen hat.Man könnte sagen, Milazzo ist ein «people pleaser» durch und durch – wenn man ihn über seinen Beruf reden hört, wird deutlich, dass er für diesen Job gemacht ist.

Sein Karriereweg begann in der Spülküche des besten Hotels in Rochester, New York; Milazzos Heimatstadt. Beim Tellerwaschen «habe ich mich in diese Branche verliebt», sagt er – damals war Milazzo 15 Jahre alt. Er entschloss sich zu einer Ausbildung an einer Kochschule, doch seine erste Anstellung als fertig ausgebildeter Koch dauerte nur einen Monat – dann wurde Milazzo quasi entdeckt. «Du hast so eine tolle Persönlichkeit und bist so extrovertiert und laut und energisch. Hast du schon mal über einen Management-Job nachgedacht?» Hatte Milazzo nicht, aber die angebotene Stelle brachte mehr Geld. Er kaufte einen Anzug und akzeptierte – und kehrte nie wieder in die Küche zurück.

Von da an wäre es einfacher aufzuzählen, in welchen Hotels Milazzo nicht gearbeitet hat: Da waren das Waldorf Astoria in Manhattan, das Ritz-Carlton am Battery Park, das Ritz-Carlton in Westchester, das Palace-Hotel in Manhattan, das Four Seasons, ebenfalls in Manhattan, das Loews Regency und dann das Omni Berkshire Place.

Und schliesslich das Plaza, der Leitstern der amerikanischen Luxushotels. Das Gebäude auf der Fifth Avenue zwischen der 58. und 59. Strasse in Midtown Manhattan direkt am Central Park ist weltberühmt. In drei Jahren feiert das Plaza seinen 120. Geburtstag – für nur 12,5 Mio. US-$ wurde das Gebäude damals errichtet und beherbergte sodann das beste Hotel der Welt. Ursprünglich hatte das Plaza 805 Zimmer, heute ist die Architektur etwas anders: Auf 18 Stockwerken befinden sich 282 Zimmer, darunter 102 Suiten, und zudem 181 Eigentumswohnungen.

Das Hotel hat zwei Restaurants: die Champagner-Bar und den Palm Court, in dem die berühmte nachmittägliche Tea Time gereicht wird. Zudem gibt es einen Wellnessbereich mit Spa, Einkaufsmöglichkeiten und ein Business-Center.Was es nicht gibt, ist ein Pool – anders als im Film «Kevin – Allein in New York» irreführenderweise dargestellt.

«Wenn ich hier Hotelgast bin, dann will ich, dass man meinen Namen kennt, über meine Präferenzen Bescheid weiss – und weiss, was ich will, bevor ich danach frage.» Justin Milazzo

Die Zimmerpreise starten üblicherweise ab etwa 1.000 US-$. Dafür kann man in einem der luxuriösen Zimmer schlafen, die schon manche Berühmtheit zum Zuhause hatte: Autor F. Scott Fitzgerald wohnte in den 1920er-Jahren im Plaza. Basierend auf seinem wohl berühmtesten Werk, «Der grosse Gatsby», gibt es auch eine eigene Suite im Hotel – ganz im Stil der «Roaring Twenties».Später zählten auch John Lennon, Yoko Ono und die Beatles zu den berühmten Bewohnern.

Als Milazzo hier die Führung übernahm, wohnte jedoch niemand im Plaza. Während der Coronapandemie blieb das Hotel viele Monate geschlossen. Gesucht wurde im Sommer 2021 ein Manager, der die Wiedereröffnung vollziehen würde – wieder einmal war Milazzo wie geschaffen für einen Job.

Knapp drei Jahre später lässt sich mit grosser Gewissheit sagen, dass Milazzos Projekt geglückt ist. Das Hotel begrüsst jährlich etwa 100.000 Hotelgäste, hinzu kommen weitere 150.000 Gäste, die die Restaurants des Hotels besuchen, aber nicht übernachten – 250.000 Menschen, die vor allem eines suchen: Luxus. Das kann vieles bedeuten. Beim Eintreten in die Hotellobby bedeutet es erst mal Ruhe, Zugewandtheit, detailverliebte Dekorationen. Auch den gut gewählten Raumduft, der den Unterschied zum stressigen Treiben auf New Yorks Strassen noch einmal unterstreicht, muss man hier anführen.

Aus der Sicht von Justin Milazzo bedeutet Luxus, dass seine Gäste keinen Finger rühren müssen und Wünsche erfüllt bekommen, bevor sie sie überhaupt äussern. «Wenn ich hier Hotelgast bin, dann will ich, dass man meinen Namen kennt, über meine Präferenzen Bescheid weiss – und weiss, was ich will, bevor ich danach frage.» Das klingt nach Gedankenlesen, in Wirklichkeit stecken dahinter jedoch akribische Vorbereitung und viel Recherche. Ein eigenes Team setzt sich mit den Gästen in Verbindung, um etwaige Wünsche oder Vorlieben im Vorhinein auszukundschaften – und dokumentiert jede Information, falls ein Gast zurückkehren sollte.

Milazzo selbst startet früh in den Tag. Gegen sieben oder acht Uhr trifft er im Hotel ein; wenn noch alles ruhig ist. Als erste Amtshandlung überprüfe er meist die Zahlen vom Vortag, erklärt er. Danach leitet er ein tägliches Morgenmeeting, in dem jeder Check-in an diesem Tag besprochen wird – buchstäblich jeder Check-in, bestätigt Milazzo. Ab dann ist er «auf den Beinen», wie er sagt, und dreht seine Runden durch das Hotel, besucht jede Abteilung, sagt den Mitarbeitern Hallo und «stellt sicher, dass alle die Werkzeuge haben, die sie brauchen, um ihren Job zu machen».

Was in der Champagner-Bar überrascht, ist die Vielfalt der Gäste. Ein paar Tische weiter sitzen geschäftig wirkende Erwachsene, offenbar zu einem Arbeitsmeeting; Familien mit Kindern in Schlafanzügen, die Pfannkuchen verschlingen; teuer gekleidete Frauen, für die das Plaza offenbar das Nachbarschaftscafé ist. So ist es fast ein bisschen unbeeindruckend, wie normal viele Menschen hier wirken, besonders wenn man bedenkt, wie bedeutsam dieses Hotel ist.

Nicht zuletzt auch durch Film und Fernsehen. 1959 hatte das Plaza in «North by Northwest» seinen ersten grossen Leinwandauftritt, und seitdem erscheint es in quasi jedem grossen New-York-Blockbuster. In «Kevin – Allein in New York» checkt Macaulay Culkin ins Plaza ein, nachdem er versehentlich von seiner Familie getrennt wird. Auch der ehemalige US-Präsident Donald Trump hat in diesem Film seinen grossen Auftritt im Plaza – seine Privatresidenz ist auch nur wenige Blocks vom Hotel entfernt. Als Hommage an den Autor spielt auch ein Teil der Verfilmung des Klassikers «Der grosse Gatsby» im Plaza, und in «Sex and the City» feiert Big seine Verlobung mit Natasha in diesem Hotel.

Diese Prominenz verursacht allerdings Erwartungen, die das Plaza erfüllen muss – und noch mehr, nämlich einen Traum, den die Menschen haben und dem das Hotel gerecht werden muss. «Wir haben eine andere Verantwortung als andere Hotels», erklärt Crystal Laurence, Direktorin für Sales und Marketing. «Es gibt so viele Menschen, die von dem Tag träumen, an dem sie hierher kommen. Dem gerecht zu werden ist eine grössere Verantwortung als nur eine wirklich gute Unterkunft zu sein.»

Wenn man so in der Champagner-Bar sitzt und all das bedenkt, scheint der überbordende Luxus an diesem Ort fast wie ein Nebenprodukt. Die glitzernden Kronleuchter, die blanken Marmorböden, die üppigen Blumengestecke, der exquisite Raumduft, die dahinplätschernde Jazzmusik – als seien all diese Dinge nur zufällig an diesem bedeutungsschweren Ort gelandet ...

Justin Milazzo stammt aus Rochester im Staat New York. Nach seinem ersten Job als Tellerwäscher absolvierte er eine Ausbildung zum Koch und arbeitete sich schliesslich ins Hotelmanagement hoch. Nach Stationen in diversen Luxushotels in New York City wurde er im Sommer 2021 Manager des Plaza-Hotels.

Text: Sarah Sendner, New York
Fotos: Sasha Bianca

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