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Unser Leben wandert zunehmend in die virtuelle Welt. Das merkt auch L’Oréal: Der größte Kosmetikkonzern der Welt arbeitet intensiv daran, die eigene Arbeit mit neuester Technologie zu erweitern. An der Spitze dieses Wandels: Digital- und Marketingchefin Asmita Dubey. Im Gespräch mit Forbes spricht die Managerin über virtuelle Schönheit, digitales Make-up in Videocalls und virtuelle Frisuren für Avatare.
Die Vivatech in Paris gilt als eine der größten Technologiekonferenzen Europas – wenn nicht als die größte. Über vier Tage kommen mehr als 150.000 Besucher in die Messehalle in Paris, um Speakern wie Tesla-Gründer Elon Musk, Salesforce-Chef Marc Benioff oder dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu lauschen.
Und auch für Corporates gilt: klotzen statt kleckern. Konzerne wie LVMH oder Microsoft bauen vor Ort ganze Welten auf, um die Gäste davon zu überzeugen, dass sie in Sachen Technologie vorne mitspielen. Und auch Lokalmatador L’Oréal, mit 38 Mrd. € Umsatz und mehr als 87.400 Mitarbeitern weltweit der größte Kosmetikkonzern der Welt, ist auf der Vivatech prominent vertreten. So ist auch die ganze C-Suite des Unternehmens vor Ort, um über die technologischen Neuerungen und Innovationen zu berichten.
Und davon gibt es tatsächlich viele – so viele, dass man fast den Überblick verliert. L’Oréal arbeitet mit Virtual und Augmented Reality (VR bzw. AR), mit künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellem Lernen, interessiert sich für die Blockchain und das Metaverse. „Wir bewegen uns von physischer über digitale hin zu virtueller Schönheit. Und das umfasst Technologien wie AR, VR, KI und Spatial Computing.“, sagt Asmita Dubey, Chief Digital & Marketing Officer bei L’Oréal, im Interview mit Forbes.
Ein konkretes Beispiel für diesen Wandel: Gemeinsam mit Microsoft hat L’Oréal ein Feature für das Softwareprogramm Teams entwickelt, mit dessen Hilfe Nutzer sich in Videocalls virtuelles Make-up auftragen können. „Wir arbeiten eng mit Big Tech zusammen“, sagt Dubey. Was aber schon auch einen anderen Grund hat, wie Dubey betont: „Das liegt auch daran, dass es sich um starke Werbeökosysteme handelt – und wir sind ein großer Werbetreibender.“ Tatsächlich lässt sich L’Oréal seine unbestritten hohe Bekanntheit einiges kosten: 12 Mrd. € gab das Unternehmen 2022 für Werbung aus; L’Oréal gilt als drittgrößter Werbetreibender der Welt. Dazu sei gesagt, dass der französische Konzern insgesamt 36 Marken bewirbt, darunter etwa Maybelline oder Garnier.
„Wir bewegen uns von physischer über digitale hin zu virtueller Schönheit. Und das umfasst Technologien wie AR, VR, KI und Spatial Computing.“
Asmita Dubey, Chief Digital & Marketing Officer, L’Oréal
Wer so viel Geld für Werbung ausgibt, muss den Markt gut im Auge behalten. Dort gäbe es ebenfalls große Umwälzungen, sagt Dubey, denn das Verhalten der Kunden verändere sich. Diese folgen zunehmend Creators, die für L’Oréal als Werbeträger immer wichtiger werden. Dubey gibt ein Beispiel aus einem Bereich, der auf den ersten Blick nicht unbedingt mit einem Kosmetikkonzern assoziiert werden würde: Gaming. „Wir sehen aktuell, wie Creators eigene Communities und Ökosysteme um sich herum aufbauen. Das sieht man auch im Gaming: Es gibt weltweit 3,2 Mrd. Gamer und mehr als 40 % davon sind Frauen. Sie schauen sich Spiele auf Twitch an, spielen Fortnite oder erstellen sogar eigene Spiele in Roblox.“
Überhaupt seien vor allem junge Menschen zunehmend daran interessiert, nicht nur ihr physisches Ich zu verschönern, sondern auch ihr virtuelles. Dubey: „Für ‚Ready Player Me‘ haben wir etwa virtuelle Frisuren mit L’Oréal Professional und virtuelle Make-up-Looks mit Maybelline für Avatare kreiert. Junge Menschen, insbesondere die Generation Z, fühlen sich mit ihren digitalen Zwillingen sehr wohl.“
So fortschrittlich das auch klingt, so klar ist auch, dass L’Oréal sein Geld mit Produkten in der physischen Welt verdient – und nicht mit virtuellem Make-up. Doch kann das noch kommen? Könnte L’Oréal auch relevante Umsätze mit Lippenstift für Avatare machen – oder soll die digitale Welt „nur“ als Beschleuniger für die physische dienen? Dubey bleibt vage: „Wir haben immer gesagt, dass wir von 2D- zu 3D-Schönheit übergehen werden. Genau dieser Wandel findet jetzt statt. VR und AR sind großartige Tools, um das zu steuern. Bei L’Oréal nehmen wir sofort an neuen Trends teil, bewerten unsere größten Erfolge und dann skalieren wir.“
Dubey wurde in Indien geboren und studierte Statistik sowie Marketing Economics & Management. Sie startete ihre Karriere bei der Werbeagentur Dentsu, bevor sie erst zur Agentur McCann wechselte und dann zu Mindshare in Schanghai ging. Dort wurde sie Managing Director vom Team L’Oréal, bevor sie 2013 die Seite wechselte und Chief Marketing Officer von L’Oréal China wurde. Ab 2017 war sie dann im Hauptsitz in Paris tätig, seit 2021 als Chief Digital & Marketing Officer.
Dass Dubey sowohl Indien als auch China gut kennt, ist sicher förderlich: Beide gelten als Wachstumsmärkte für die Kosmetikbranche. Und Dubey hat aus erster Hand erfahren, dass der Konzern regional differenzieren muss: „Mit der Zunahme an Creators entstehen auch neue Geschäftsmodelle. Zum Beispiel boomt der Social Commerce in Lateinamerika und Südostasien, wie in Indonesien, wo wir vermehrt auf Livestream Commerce setzen.“
Doch im Gespräch kommt Dubey auch immer wieder auf die gleichen Themen zu sprechen: Fokus auf den Kunden, Denkoffenheit bei neuen Technologien und Kooperationen mit externen Partnern. Und: Bei allem Fokus auf technologische Neuerungen will L’Oréal das eigentliche Ziel nicht aus den Augen verlieren, wie Dubey sagt: „Wir sind davon überzeugt, dass wir allen Menschen einzigartige, ganzheitliche und integrierte Schönheitserlebnisse in ihrer unendlichen Vielfalt und ihren individuellen Ansprüchen bieten können.“
Asmita Dubey, geboren in Indien, studierte Statistik sowie Marketing Economics & Management. Nach Stationen bei der Werbeagentur Dentsu und der Agentur McCann wechselte sie zu Mindshare in Schanghai. Dort wurde sie Managing Director vom Team L’Oréal, 2013 Chief Marketing Officer von L’Oréal China. Ab dem Jahr 2017 arbeitete sie im Hauptsitz in Paris, seit 2021 als Chief Digital & Marketing Officer.
Foto: Stephane Gallois