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Inflation, Energiepreise & Co: Der Immobilienmarkt steht unter Druck. Doch Alexander Widhofner, Gründer von Wieninvest, blickt der Zukunft und der Entwicklung des Wiener Immobilienmarkts dennoch optimistisch entgegen.
Laut Exporeal werden heuer 52.681 Wohnungen in Österreich fertig gestellt, 20.340 davon in Wien. Das sei aber ein Rekord, den man lange nicht mehr übertreffen werde. Ist der Immobilien-Boom vorbei?
Alexander Widhofner (AW): Ich würde eher von einer Stabilisierung auf einem sehr hohen Niveau sprechen. Aktuell befindet sich die Weltwirtschaft allgemein in einer sehr herausfordernden Situation: Wir haben Krieg in Europa, die Lieferketten sind gestört, Energiepreise explodieren usw. Die Immobilienbranche kann sich davon nicht komplett entkoppeln. Wir hatten zuletzt mit steigenden Baukosten zu kämpfen, die neuen Kreditregeln erschweren vor allem Jungfamilien die Schaffung von Eigentum… Auf der anderen Seite sehen wir sehr stabile fundamentale Daten: Wien wächst, die Nachfrage – vor allem nach leistbaren Mietwohnungen – ist ungebrochen hoch. Ich denke, dass der Markt insgesamt selektiver werden wird, sich aber unverändert stabil entwickeln wird.
Manche Unternehmen aus der Immobilienbranche berichten von massiven Absatzproblemen. Ist es tatsächlich schwieriger geworden, Immobilien zu verkaufen?
(AW): Im Eigentumsbereich sehen wir tatsächlich eine Kaufzurückhaltung. Das hat sicher mit der Unsicherheit in Bezug auf die allgemeine Wirtschaftslage zu tun, aber sicher auch mit den neuen, deutlich strengeren Kreditrichtlinien, die vor allem jüngeren Menschen den Kauf von Wohnungen oder Häusern massiv erschweren. Die Nachfrage nach Mietwohnungen ist dagegen ungebrochen groß – für Investoren bietet sich damit ein unverändert attraktives Umfeld.
Wird dadurch der Markt an Mietwohnungen belebt?
(AW): Ja, vor allem im Bereich der leistbaren Wohnungen. Wobei leistbar nicht nur in Bezug auf Miete sondern auch auf Betriebskosten und Energiekosten zu sehen ist. Viele Leute suchen daher vor allem nach gut sanierten Altbauten oder energieeffizienten Neubauten. Wenn die Strom- und Gasrechnung sich verdoppelt oder sogar verdreifacht hilft auch keine niedrige Altmiete mehr. Die Leute suchen daher verstärkt nach leistbaren Alternativen. Das spüren wir bereits.
Gleichzeitig sind die Baukosten massiv gestiegen. Wie reagieren Sie auf diese Herausforderung? Kann man billiger bauen?
(AW): Ich denke, dass es schon zu einer allgemeinen Beruhigung kommen wird. Ich bin mir sicher, dass in den nächsten 1-2 Jahren weniger gebaut werden wird, dann werden sich auch die Preise – sofern die Lieferketten wieder funktionieren – wieder normalisieren.
Auch wenn es lange nicht so aussah – jetzt ist die Zinswende tatsächlich da. Treffen Sie die steigenden Kapitalkosten?
(AW): Natürlich freuen uns steigende Zinsen im Bauträgergeschäft nur bedingt. Aber damit müssen wir leben. Bei wieninvest schauen wir uns daher auch ganz gezielt nach alternativen Finanzierungsmodellen um – das geht vom Crowdinvesting bis hin zu Investoren-Beteiligungsmodellen.
Stimmt es, dass auch internationale Fonds dem Wiener Immobilienmarkt den Rücken kehren?
(AW): Als wieninvest sind wir vor allem in der Nische für kleine bis mittelgroße Wohnprojekte tätig. Das war auch bisher kein Markt, indem internationale Fonds aktiv waren. Wir selbst merken also nichts einer Investoren-Flucht. Im Gegenteil: Wir selbst merken von Investoren verstärktes Interesse, da der Wiener Markt aufgrund seiner Lage, seiner Renditen aber auch seiner sozialen Struktur als äußerst krisenresilient und sicher gilt.
Tatsächlich mindert die enorme Inflation die Attraktivität renditeschwacher Immobilien-Veranlagungen. Werden Zinshäuser noch nachgefragt?
(AW): Wiener Wohnimmobilien sind für mich auch im aktuellen Umfeld immer noch weitestgehend alternativlos: Denn wenn ich Werterhalt und Sicherheit will: In welche Assetklasse soll ich dann investieren: Am Sparbuch verlieren die Österreicher jährlich Milliarden von Euros, die Aktien- und Anleihenmärkte sind äußerst volatil, von Kryptobörsen und Rohstoffmärkten will ich da erst gar nicht sprechen. Es bleibt daher nur das liebe alte Betongold, wobei wir uns an die zweistelligen Steigerungen der letzten Jahre sicher noch lange sehr gerne erinnern werden.
Seit Corona ist viel über Stadtflucht zu lesen, scheinbar machen es sich immer mehr Österreicherinnen und Österreicher abseits der Großstadt bequem. Können Sie diesen Trend bestätigen? Haben sich die Wünsche an Immobilien durch Corona verändert?
(AW): Urbanes Wohnen ist unverändert attraktiv – wobei das nicht mit der Stadtgrenze aufhört. Alles, was mit dem Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln innerhalb 1h erreichbar ist fällt heute unter urbanes Wohnen.
Die Wohnwünsche haben sich durch Corona sicher verändert: Eine Wohnung ohne Freifläche können Sie heute so gut wie nicht mehr verkaufen oder vermieten. Auch ist der Bedarf nach einem Extra-Zimmer für das Home Office geradezu explodiert. Ich glaube, dass sich das so rasch auch nicht mehr ändern wird – außer die Welt geht jetzt tatsächlich den Bach runter.
Auf ein neues Miet- oder Baurecht dürften wir zwar auch in dieser Legislaturperiode vergeblich warten, dafür ist viel von Leerstandsabgaben die Rede. Kriegt man damit tatsächlich die Mietpreise runter?
(AW): Ich bin da kritisch – international zeigen viele Beispiele – z.B. Mietpreisbremse in Deutschland – das man damit steigenden Mietpreisen nicht Herr wird. Ich glaube, dass man hier über das Angebot regelnd in den Markt eingreifen muss. Indem man leistbares Bauen & Wohnen ermöglicht – das fängt schon beim Grundstückskauf an, geht über div. Auflagen beim Bau bis hin zu einem modernen Mietrecht (z.B. langsame Anpassung von Altmieten auf Marktniveau um Druck aus Neuvermietungen zu nehmen).
Der heurige Rekordsommer rückte den Klimawandel wieder stärker in den Mittelpunkt. Wird Ökologie bei Bauprojekten wichtiger?
(AW): Ja – hinzu kommt jetzt auch noch die Energiekrise. Früher hat sich der Großteil der Käufer oder Mieter nicht um Energieeffizienz bzw. –verbrauch geschert. Jetzt ist das definitiv anders.
Außerdem sehe ich es als unsere Pflicht, hier Verantwortung zu übernehmen. Immerhin ist die Immobilienbranche für rund 30% aller Co2-Emissionen verantwortlich. Ich habe Kinder, und will, das auch diese weiterhin in einer weitgehend intakten Natur leben können. Bei wieninvest setzen wir daher auf die Sanierung von Altbauten sowie hohe Nachhaltigkeitsstandards bei Neubauten.
Foto: wieninvest GROUP