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Für Hannah Philomena Scheiber stellt sich der Kunstmarkt wie eine Welt ohne Grenzen dar; auch, weil sich die bildende Künstlerin selbst keine Grenzen setzt, nirgendwo – und vor allem nicht in der Vermarktung ihrer Arbeiten und ihrer Person. Sie hat die Dinge gerne selbst in der Hand, sagt die Kosmopolitin, die im Ötztal lebt und arbeitet.
Wenn einem vorgerechnet wird, dass nur drei Prozent der Absolventen einer Kunstuni von ihrer Kunst leben können, sind das keine besonders verheißungsvollen Zukunftsaussichten, sagt Hannah Philomena Scheiber. „Für mich war aber damals schon klar: Zu diesen drei Prozent werde ich nicht zählen“, so die bildende Künstlerin lachend und selbstbewusst. Denn bereits während ihres Studiums an der Universität für angewandte Kunst – die Aufnahmeprüfung hatte sie bereits vor ihrer Matura absolviert und bestanden – habe sie ihre Werke verkauft. „Hätte ich diese Erfahrung nicht gemacht, hätte ich meine Bilder damals nicht verkaufen können, wäre ich auch nicht bei der Kunst geblieben“, sagt Scheiber.
Man müsse als Künstler oder Künstlerin schon auch vom sinnbildlichen Elfenbeinturm herunterklettern und unternehmerisch handeln – zumindest sei das ihr persönlicher Zugang, meint Scheiber. Nur die wenigsten würden gefragt, deshalb sei die zentrale Devise, selbst aktiv zu werden und zum Beispiel Auftragsarbeiten zu akquirieren. Scheiber reicht zum Beispiel bei Wettbewerben wie „Kunst am Bau“ ein, erarbeitet Pitches und Konzepte für Fassadengestaltung. Über diesen Weg konnte sie bereits sechs Intersport-Filialen gestalten; sie bemalt auch Leerstände, arbeitet mit Keramik und malt vornehmlich auf Leinwand. Auch während sie von ihren ganz unterschiedlichen Tätigkeiten erzählt, ist die hohe Grundenergie der Künstlerin spürbar.
Geboren wurde Hannah Philomena Scheiber 1991 in Innsbruck, sie wuchs im vor allem Skitouristen bekannten Ort Obergurgl auf. „In einem Bergdorf auf 2.000 Metern“, sagt sie. Künstlerin wollte sie immer schon werden, erzählt sie, das sei schon als Kind klar gewesen. Und das Geschäftstüchtige bekomme man in einem Ort wie Obergurgl irgendwie automatisch mit, so Scheiber weiter. Sie habe sich „vom Bergbauernhof selbst in die internationale Kunstwelt hinauskatapultiert“.
An der bereits erwähnten Universität für angewandte Kunst in Wien studierte die Tirolerin Konzeptkunst, und sie war auch an der Accademia di Belle Arti in Florenz. Als Artist in Residence war die junge Künstlerin noch während ihres Studiums an der „Angewandten“ in Melbourne und in Tasmanien.
Wie sie denn ihre Destinationen aussuche, wollen wir angesichts dieser extensiven Reisetätigkeit wissen. „Ich war so sehr vom Mona – dem Museum of Old and New Art in Hobart, Tasmanien – begeistert, dass es mir eine Reise um die halbe Welt wert war“, lacht die Künstlerin. Das Museum ist das größte privat finanzierte Museum Australiens und zeigt die Sammlung des australischen Berufsspielers und Kunstsammlers David Walsh. Dort habe sie auch Werke von Stefan Sagmeister entdeckt und beschlossen, nach Abschluss ihres Studiums an der Angewandten nach New York zu gehen, um sich an der SVA, der School of Visual Arts, von Sagmeister und Jerry Saltz in „Design for Social Innovation“ unterrichten zu lassen. Seit 2017 lebt Hannah Philomena Scheiber – in der Zwischenzeit alleinerziehende Mutter geworden – wieder im Ötztal, und arbeitet von dort aus für die Welt. Sie sei als Selbstvermarkterin durchgestartet, und so halte sie es auch heute noch: „Via Social Media kann ich auch von einem Bergdorf aus die ganze Welt erreichen“, ist sie sicher. Und die Resonanz bestätigt ihren Zugang.
2018 war Scheiber in der Art Basel vertreten und im vergangenen Jahr gab es vier Tage lang eine Personale im Tresor des Kunstforums in Wien. Interessant ist das insofern, als die bildende Künstlerin – gemäß ihrem Lebensmotto, alles gerne selbst in der Hand zu haben – die Räumlichkeiten selbst angemietet und die Ausstellungsarbeiten im Alleingang organisiert und verrichtet hat. „Ich wollte nie abhängig von irgendwem oder irgendetwas sein und habe mir immer von Locations bis hin zum Sponsoring alles selbst gesucht und gebucht. Ich gehe die Dinge hier wahrscheinlich ganz anders an, als meine Studienkollegen das tun“, so Scheiber. Der Einsatz im Kunstforum Wien, sagt sie rückblickend, habe sich aber komplett ausgezahlt: „Von 66 ausgestellten Bildern (je nach Größe sind diese ab 800 € bis gut fünfstellig bepreist, Anm.) habe ich 63 verkauft.“ Das finanzielle Risiko habe sie allein getragen, sagt sie. „Wer aber so wie ich in der Natur groß geworden ist, weiß, dass die großen Chancen nur mit großem Risiko kommen“, lacht Scheiber. Immer wieder werde sie gefragt, ob sie ein Lager besitze, wo sie ihre Werke zumindest zwischenlagern könne. „Das habe ich eigentlich nie gebraucht“, sagt sie zufrieden.
Bald steht der nächste Coup an: Vom 2. bis zum 9. Mai 2025 wird in einem Palazzo in Venedig ihre Ausstellung „Universo Infinito“ zu sehen sein – fast punktgenau zur Eröffnung der Architekturbiennale, die am 10. Mai offiziell startet (Pre-Opening ist am 8. und 9. Mai 2025). Die kleine, feine Ausstellung widmet sich der 24-Stunden-Uhr, die bis heute die Mondphasen und die Sternzeichen im Uhrturm von San Marco zeigt.
Ganz allgemein betrachtet hat Hannah Philomena Scheiber ein gutes Gespür für das Zeitlose ebenso wie für die zentralen und auch hoch aktuellen Themen der Zeit – so etwa ihre Arbeiten rund um die Themen Natur, Umwelt, Berge und Wasser und deren Vergänglichkeit. Scheiber verarbeitet in ihrem Werk auch die irreversible Einflussnahme der Menschen in die Berglandschaften ihrer Heimat. „Wenn unberührte Naturschönheit auf menschliche Innovationskraft trifft, ist das für mich pure Gestaltung“, sagt sie.
Ob sie Vorbilder habe, wollen wir zum Schluss noch wissen. „Ja!“, sprudelt es sofort aus Scheiber heraus: „Die Performancekünstlerin Marina Abramović und den Kunstexperten Magnus Resch. Er hat viele tolle Bücher geschrieben – wie etwa ‚Als Künstler Geld verdienen‘.“
Hannah Philomena Scheiber (Jg. 1991) lebt und arbeitet als bildende Künstlerin im Ötztal in Tirol. Vom 2. bis 9. Mai wird „Universo Infinito“ in Venedig zu sehen sein. @hannahphilomena
Foto: Moritz Orgler