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Organe, Autoteile und Schuhe aus dem 3-D-Drucker – dank einer neuen Gerätegeneration könnte das schon in einigen Jahren möglich sein. Das Technologieunternehmen In-Vision liefert die Schlüsseltechnologie dafür.
Ein Roboterarm bewegt sich langsam aus einer zähen Flüssigkeit nach oben. Währenddessen verrichtet ein konzentrierter Lichtstrahl von unten seine Arbeit und strahlt ein vorgegebenes Muster auf den flüssigen Kunststoff. Wie von Zauberhand zieht der Roboter so eine fertige Form aus der flüssigen Masse – denn der Kunststoff reagiert auf das Licht und härtet aus. Das Material – lichtempfindliche Kunststoffe namens Fotopolymere – revolutioniert gerade den 3-D-Druck, und damit einen Markt, der laut dem US-amerikanischen Beratungshaus IDC 2019 14 Milliarden US-$ umfasst. Das Kernstück dieser Technologie stammt aber nicht etwa aus Stanford oder Shenzhen, sondern aus Guntramsdorf bei Wien. Dort ist nämlich das Unternehmen In-Vision zu Hause.
Ein unwissender Besucher ahnt nicht, welch revolutionäres Wissen sich hinter den grauen Produktionshallen verbirgt, denn Innovationskraft strahlt die Umgebung nicht gerade aus. Doch der Schein trügt, wie sich nach Betreten des Gebäudes schnell zeigt: Dort reihen sich Fräsen an Drehmaschinen, dazwischen finden sich Techniklabors und Arbeitsplätze. In einem Testraum steht sogar ein schwarzer Kinoprojektor mit den Abmessungen eines Couchtischs. Denn groß wurde das Unternehmen In-Vision mit Kinoobjektiven, die mittlerweile in den Projektoren von etwa der Hälfte der rund 130.000 digital beleuchteten Kinosäle weltweit zum Einsatz kommen. Der jüngste Erfolg des Unternehmens rund um CEO Bernhard Trenz, CFO Michael Steiner und CSO Wolfgang Pferscher fußt aber vor allem auf Belichtungsmaschinen für den 3-D-Druck. Diese ließen In-Vision seit 2015 von 35 auf 110 Mitarbeiter wachsen, der Umsatz vervierfachte sich im gleichen Zeitraum von knapp fünf auf 20 Millionen €.
Bisher funktionierte 3-D-Druck wie ein klassischer Tintenstrahldrucker: Das Objekt wird Schicht für Schicht aufgetragen, bis es eine Form annimmt. „Der Nachteil: Jede neu aufgetragene Schicht ist eine Sollbruchstelle. Zudem dauert das Verfahren sehr lange“, erklärt Steiner. Beim Verfahren mit der Belichtung von flüssigem Kunststoff gibt es solche Sollbruchstellen laut dem CFO nicht, außerdem nimmt der Druck weniger Zeit in Anspruch. In-Vision produziert Belichtungsmaschinen für Unternehmen auf der ganzen Welt. Mithilfe der von den Guntramsdorfern entwickelten Technologie werden etwa Sohlen von Sportschuhen oder Helme hergestellt. Der nächste Schritt soll der Druck von sogenannten bioverträglichen Materialien sein, wodurch auch Implantate und menschliche Organe „gedruckt“ werden könnten.
Seit 2015 produziert In-Vision nun die Belichtungsmaschinen; die Geschichte des Unternehmens reicht aber weiter zurück. Gemeinsam mit seinem Mitgründer und nunmehrigen CEO Bernhard Trenz gründete Wolfgang Pferscher In-Vision im Jahr 2000 – als Quasi-Nachfolger des früheren Technikriesen Eumig, bei dem Pferscher einst Mitarbeiter war. Eumig war in den 1970er-Jahren Weltmarktführer bei Super-8-Kameras und hatte knapp 7.000 Mitarbeiter. Dann verpasste das Unternehmen jedoch die Umstellung zur Videotechnik, 1981 folgte die Insolvenz. Wie viele ehemalige Mitarbeiter landete Pferscher damals in einer Auffanggesellschaft, die mehrfach verkauft und zwischen Eigentümern hin- und hergeschoben wurde. „Ich habe viermal den Besitzer gewechselt, ohne je meinen Schreibtisch zu tauschen“, so Pferscher. Das ging so lange, bis er schließlich In-Vision gründete.
Zunächst baute In-Vision Präzisionsobjektive für Control Walls und Messgeräte – bis Pferscher 2005 erfuhr, dass Hollywood seine Technik digitalisieren möchte. Seine Einschätzung: Kinos weltweit würden neue digitale Projektoren benötigen. Ganz so einfach, in den Markt einzusteigen, war es aber nicht – denn die Schlüsseltechnologie für diese Projektoren besaß der amerikanische Technologiekonzern Texas Instruments. Nur Objektive, die von Texas Instruments zertifiziert waren, durften in Kinoprojektoren eingebaut werden. Kurzerhand flog Pferscher mit seinen Entwicklungsplänen nach Dallas und versuchte wochenlang, einen Termin beim Geschäftsführer zu bekommen. Der schaute ihn nur schief an.
Doch Pferscher überzeugte Texas Instruments, seinen Prototyp doch zu testen. „Eine Woche danach erhielt ich einen Anruf: Sie hätten eine solche Qualität noch nie gesehen“, so Pferscher. Es war der Beginn einer Erfolgsstory: „Wir sind hier am Standort explodiert.“ Das Geschäft mit Kinoobjektiven lief gut, doch Pferscher hatte in seiner Eumig-Zeit erlebt, was passiert, wenn ein Unternehmen sich auf seinen Lorbeeren ausruht. Als er 2014 den Trend zum 3-D-Druck erkannte, benötigte In-Vision einen finanzkräftigen Partner – denn diese Technologie ist teuer. Der Hauptinvestor war mit dem österreichischen Private-Equity-Unternehmen Cudos – und da in Person von Michael Steiner – gefunden. Cudos, dessen Aufsichtsratschef und Mitgründer Österreichs Altbundeskanzler Alfred Gusenbauer ist, brachte gemeinsam mit Banken bis heute insgesamt zehn Millionen € in das Unternehmen ein und erwarb knapp 70 % der Firmenanteile; die übrigen besitzen Pferscher und Trenz.
Knapp 30 Kunden beliefert In-Vision mit Belichtungsmaschinen und macht damit 60 % des Jahresumsatzes. Wie das Unternehmen wächst auch der Markt für 3-D-Druck rasant: Die Ausgaben für 3-D-Druck sollen laut IDC von 14 Milliarden US-$ im Jahr 2019 auf 23 Milliarden US-$ im Jahr 2022 steigen. Immenses Potenzial sieht Steiner dabei im Handel: „Wenn man heute ein Ersatzteil für sein Auto braucht, muss die Werkstatt das erst bestellen“, erklärt Steiner. „In Zukunft könnte es so sein, dass die Werkstatt das Stück einfach vor Ort ausdruckt.“ Bis es so weit sei, werde es aber noch mindestens fünf Jahre dauern. Weitere vielversprechende Möglichkeiten ergeben sich in der Medizin: In-Vision forscht zurzeit an einem gedruckten Klebepad mit mikroskopisch kleinen Nadeln, das den Blutzucker misst. Sogar menschliche Lungen und Herzen könnten mithilfe von Hydrogelen und Stammzellen gedruckt werden, so Pferscher. Doch auch da sei es noch ein Stück weit hin.
Zurzeit ist In-Vision einer von zehn Belichtungsmaschinenherstellern weltweit – neben Mitbewerbern wie Digital Light Innovations aus den USA (laut dem Datenanbieter Zoominfo 5,2 Millionen US-$ Jahresumsatz) oder EKB Technologies aus Israel (Jahresumsatz 6,2 Millionen US-$). Umgerechnet erzielt In-Vision rund zwölf Millionen € mit Belichtungsmaschinen. Doch je größer die Nachfrage nach 3-D-Druck wird, desto dichter wird der Markt besiedelt sein. Ein Spieler aus Guntramsdorf wird da wohl ein gewichtiges Wort mitzureden haben.
Text: David Hanny
Der Artikel ist in unserer Juli/August-Ausgabe 2019 „Smart Cities“ erschienen.