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Ioana de Vilmorin ist eine der wenigen Frauen an der kreativen Spitze eines Modeunternehmens. Nach rund zwei Jahrzehnten in Paris und London kehrte die Designerin 2020 nach Bayern zurück, um als globale Kreativdirektorin von Escada die angeschlagene deutsche Luxusmarke mit zeitlosen Designs, einem amerikanischen Investor und einem strikten Sparkurs neu auszurichten.
Es ist still geworden um Escada. Das deutsche Luxusunternehmen, das einst zu den größten Damenmodehäusern der Welt zählte, ist seit seiner Insolvenz im Jahr 2020 nur noch ein Schatten seiner selbst. Zahlreiche Filialen wurden geschlossen, das Team in der Aschheimer Zentrale von über 200 auf rund 20 Mitarbeitende verkleinert und sämtliche internationale Fashion Shows gestrichen. Doch das Ruder soll herumgerissen werden, und zwar unter der kreativen Führung von Ioana de Vilmorin, Global Design Director bei Escada. Darauf wettet zumindest der Amerikaner Michael Reinstein.
Reinstein, Gründer und Geschäftsführer der Private-Equity-Firma Regent LP, hatte Escada Megha Mittal, der Schwiegertochter des indischen Stahlmagnaten Lakshmi Mittal, im Jahr 2019 abgekauft. Ihr war es in rund einem Jahrzehnt nicht gelungen, das Modeunternehmen neu auszurichten. Lakshmi Mittal hatte Escada nach dessen erster Insolvenz im Jahr 2009 gekauft. Escada, das einst jährlich Umsätze von über 700 Mio. € erzielte, verzeichnete 2018 nur noch rund 200 Mio. € Umsatz und ein operatives Ergebnis von minus 31,3 Mio. €. 2019 hatte sich die Lage weiter verschlechtert; ein harter Sparkurs plus gezieltes Marketing sollten das Unternehmen wieder in die schwarzen Zahlen bringen. Doch dann brach die Covid-Pandemie aus – und Escada musste im September 2020 ein zweites Mal Insolvenz anmelden. Im Dezember 2020 trat Ioana de Vilmorin ihre Stelle bei Escada an.
De Vilmorins Berufung als Global Design Director fand ohne großes Aufsehen statt. Dabei kann die Designerin nicht nur auf eine beachtliche Karriere in der Modebranche zurückblicken, sondern ist als Kreativdirektorin auch eine der wenigen Frauen an der kreativen Spitze eines Modeunternehmens. Der Großteil dieser Positionen wird von Männern besetzt.
„Ich weiß auch nicht, warum das so ist“, sagt de Vilmorin im Videocall, gekleidet in zeitloses Schwarz. Obwohl sie aus München kommt und inzwischen wieder dort wohnt, findet das Interview auf Englisch statt – ihre Arbeitssprache, wie sie erklärt. „Ich habe nie verstanden, warum man Männern eher zutraut, Mode für Frauen zu entwerfen, als den Frauen selbst“, sagt de Vilmorin. Sie vermutet, dass viele Frauen sich einfach nicht stark genug in den Vordergrund drängten.
Bei Escada ist das seit der Gründung anders. Das Unternehmen wurde 1976 von dem schwedischen Model Margaretha Ley und ihrem Mann Wolfgang in München gegründet und wurde in den 80er- und 90er-Jahren für seine femininen, zeitlosen Schnitte und luxuriösen Stoffe bekannt. Nach dem Tod von Margaretha Ley im Jahr 1992 führte zunächst Wolfgang Ley Escada weiter; es folgten mehrere Führungswechsel und zunehmende finanzielle Schwierigkeiten des Unternehmens.
Doch viele Stammkunden blieben. So sei Reinsteins Kauf von Escada im Jahr 2019 nicht nur finanziell motiviert gewesen: „Seine Mutter trug immer Escada. Für ihn war es ein emotionaler Kauf. Sie ist bis heute eine treue Kundin“, erzählt de Vilmorin.
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In den Medien stößt Reinsteins Regent allerdings auf Kritik. Escadas Insolvenz im September 2020 sei geplant gewesen, um Abfindungen der Mitarbeitenden zu umgehen, so ein Vorwurf der IG Metall. Eine bekannte Masche, denn Ähnliches geschah wenig später bei der Strumpffabrik Schongau, die 2022 von Regent übernommen wurde und im Mai 2023 Insolvenz anmeldete. Rund 100 Mitarbeitende waren davon betroffen. Im November startet ein Arbeitsprozess gegen die Geschäftsleitung der Schongauer Strumpffabrik.
Spannend dabei: Die Geschäftsleitung der Schongauer Strumpffabrik, die von Regent eingesetzt wurde, ist die gleiche Person wie bei Escada: Maria Savvidou. Ihr Name taucht als Absender in einer ganzen Reihe von anderen Briefkastenfirmen auf, ihr Gesicht nirgendwo.
Dazu sagt de Vilmorin: „Die rechtliche Leitung liegt derzeit bei Maria Savvidou. Sie arbeitet für mehrere Labels aus dem Portfolio der Regent Group und mischt sich nicht besonders in das Tagesgeschäft von Escada ein.“ Escada werde derzeit von einem weiblichen Trio geleitet, bestehend aus Eva Iglesias, Susanne Schaefer und de Vilmorin selbst.
De Vilmorin hat in ihrer Karriere bereits unter einigen starken Frauen gearbeitet und führt nun bei Escada das Erbe von Margaretha Ley fort. Ursprünglich wollte de Vilmorin Kunst studieren, doch das war für ihre Eltern nicht mehr als ein Hobby. So entschied sie sich für ein Modedesignstudium an der Esmod in München. Es folgten Stationen bei Christian Lacroix in Paris, Alice Temperley in London und Paul & Joe, bevor sie 2016 Head of Design bei Isabel Marant wurde. „Die Haute Couture war das, was mich der Kunst am nächsten brachte. Das war also immer mein Ziel“, erinnert sie sich. Trotzdem sieht sie sich nicht als Künstlerin.
„Ich will Mode machen, um sie zu tragen, nicht, um sie anzuschauen“, sagt de Vilmorin; allein deswegen, weil man mit steigender Absatzmenge auch die Verhandlungsmacht gegenüber den Fabriken steigere: „Je mehr man verkauft, desto mehr Freiheit hat man.“
Mit dem Sparkurs von Regent ist de Vilmorin d’accord – um besser wachsen zu können, müsse man manchmal eben erst radikal das zerstören, was nicht mehr funktioniert. „In der Vergangenheit wurde viel Geld zum Fenster hinausgeworfen“, sagt sie. „Selbst ich war schockiert, als ich mir die alten Zahlen angeschaut habe.“
Derzeit gibt es vier Kollektionen für die Hauptlinie Escada und vier für die Untermarke Escada Sport, also acht insgesamt. Der Fokus liegt auf zeitloser, tragbarer Mode für starke, selbstbewusste Frauen. In Europa kann man Escada derzeit nur in einem der drei Flagship-Stores in Wien, Genf und Monaco oder in einem „Shop-in-Shop“ wie dem Berliner Kadewe kaufen.
Einen Onlineshop gibt es bizarrerweise nicht. Dabei hatte Regent 2020 großspurig angekündigt, Escada in eine globale Omnichannel-Luxusmarke zu verwandeln, wie das Manager Magazin berichtete. Auf Nachfrage bei Escada heißt es, ein Onlineshop sei geplant, derzeit könne man per E-Mail bestellen.
Man wünscht de Vilmorin, dass ihr Plan, Escada wieder zu der Marke zu machen, die sie einmal war, aufgeht. Ihre Motivation scheint echt, ihr Talent unbestritten. Nur Regent passt nicht ganz ins Bild – man fragt sich, was der große Plan der „Heuschrecke“ ist.
Ioana de Vilmorin hat in München Modedesign studiert. Noch während ihres Studiums zog sie nach Paris, um in der Haute Couture zu arbeiten. Nach Stationen bei Christian Lacroix, Alice Temperley, Paul & Joe und Isabel Marant wurde sie 2020 Global Design Director bei Escada.
Text: Insa Schniedermeier
Fotos: Ingo Brack