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Mit Ambra Schuster und Idan Hanin hat der Österreichische Rundfunk (ORF) in Wien zwei vielversprechende journalistische Talente geholt. Schuster und Hanin wollen mit einer neuen Herangehensweise und innovativen Ideen nicht nur das Publikum, sondern auch die Branche überzeugen. Doch wird das gelingen?
Fernsehen ist auch heutzutage in Österreich noch ein unbestritten reichweitenstarkes Medium. Laut ORF-Medienforschung sahen im Jahr 2022 pro Tag rund fünf Millionen Menschen in Österreich zumindest kurz fern (das bedeutet: mindestens eine Minute durchgehend) – das entspricht 66,5 % der gesamten TV-Bevölkerung ab zwölf Jahren (die 7,5 Millionen Personen beträgt). Unter den reichweitenstärksten Formaten ist die „Zeit im Bild“, kurz „ZiB“ genannt, meist weit vorn dabei.
Doch das Publikum von Fernsehen generell und Nachrichtensendungen im Speziellen ist alt. Im Tagesverlauf ist die Gruppe „50 Jahre und älter“ durchgehend die stärkste, im Hauptabendprogramm entfallen sogar bis zu 55 % der Seherschaft auf diese Gruppe. Junge Menschen sitzen deutlich weniger oft vor dem Fernseher; die Zwölf- bis 29-Jährigen machen im Tagesverlauf meist weniger als 10 % aus.
Was aber nicht heißt, dass diese Menschen sich nicht informieren – nur eben anders. Fast drei Millionen Menschen nutzen Instagram in Österreich aktiv, 2,1 Millionen nutzen Tiktok zumindest monatlich. Und: Die meisten dieser Personen sind jung – auf Instagram ist die größte Gruppe der Nutzer 25 bis 34 Jahre alt, bei Tiktok sind es die 17- bis 24-Jährigen. Und genau diese Mischung aus Inhalten mit starker Reichweite und Plattformen für junge Zielgruppen wollen Idan Hanin und Ambra Schuster nutzen.
Das Duo ist im Social-Media-Team der ZiB und soll die Inhalte der Nachrichtensendung auf Instagram und Tiktok bekannt machen. Das Ziel: ein jüngeres Publikum für die Formate des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ORF zu begeistern. Im Interview merkt man, dass Hanin und Schuster gut zusammenarbeiten: Immer wieder stimmen sie einander wechselseitig nickend zu, beenden das eine oder andere Mal sogar den Satz des jeweils anderen. Dabei wirken die beiden Journalisten gelassen – denn in der Öffentlichkeit und vor der Kamera zu stehen gehört seit Oktober 2021 zu ihrem Alltag.
„Seit mehr als zwei Jahren produzieren wir für die ZiB 30- bis 60-sekündige, für unser Publikum relevante und zum Thema des Tages passende Erklärvideos, Reportagen und Servicevideos“, erklärt Schuster. Die 27-jährige Oberösterreicherin studierte Journalismus an der FH Wien und absolvierte 2018 ein Praktikum in der ZiB-Außenpolitik. Bevor sie Kurzvideos für die Nachrichtensendung drehte, war sie bei FM4, dem Jugendkulturradiosender des ORF, tätig und betrieb außerdem den Podcast „Ambra fragt“. Auch Hanin hatte bereits journalistische Erfahrungen: Vor seiner Bewerbung beim ORF war der heute 21-Jährige Wiener als Videohost des österreichischen Onlinemediums „die Chefredaktion“ tätig, das „Under 30-“Listmakerin Melisa Erkurt 2021 gründete.
Der Job der beiden ist vielschichtig, trotzdem zögern weder Schuster noch Hanin bei der Frage, was ihnen an ihrer Arbeit besonders gefällt: „Das Schönste an unserem Job ist, dass wir so nah an jungen Menschen arbeiten und wir auch merken, dass wir sie erreichen und ihnen unser Format gefällt“, erzählen die beiden Journalisten. Das Publikum findet in der Tat Gefallen an der Arbeit: Rund 452.000 Follower und 21,5 Millionen Likes zählt der Tiktok-Chanel der ZiB (Zahlen zu Redaktionsschluss). Auf Instagram konnte das Nachrichtenjournal unlängst die Millionen-Follower-Grenze knacken. Neben Armin Wolf, Kollege als ORF-Journalist und Fernsehmoderator, der vor allem auf Twitter und Facebook eine enorme Reichweite hat, sind Schuster und Hanin für viele Menschen zu den „Gesichter der ZiB“ geworden.
Auch auf offener Straße bleiben die beiden nicht mehr unerkannt: „Ob im privaten Umfeld oder in der Öffentlichkeit, es kommt immer wieder vor, dass wir wegen unseres Jobs angesprochen werden. Gerade auf der Straße wird einem dann bewusst, dass man auf gewisse Weise ein Unternehmen repräsentiert und eventuell auch aufpassen sollte, was man sagt“, erklärt Schuster.
Dass die sozialen Medien durchaus eine Gefahr darstellen können, erfahren Schuster und Hanin tagtäglich selbst. In ihrem Job sehen sich die beiden als eine Art Gegengewicht zu Propaganda, Falschinformationen und Hetze. Dabei lassen sie kaum eine Plattform unberührt. Auch die immer wieder laut werdenden Spionagevorwürfe gegenüber dem Betreiber von Tiktok, dem chinesischen Unternehmen Bytedance, sehen Schuster und Hanin als Auftrag: „Wir wollen und müssen dort sein, wo die jungen Menschen sind, nur so können wir die Zielgruppe mit öffentlich-rechtlichen Nachrichten erreichen. Unser Job ist es, objektiven Journalismus zu machen – egal zu welchem Thema. Dazu zählt selbstverständlich auch China. Wir berichten auch hier, wie immer, kritisch.“
Ihr Start fiel mitten in eine Ausnahmesituation, insbesondere für junge Menschen – denn Hanin und Schuster begannen im Herbst 2021 beim ORF, als die Coronavirus-Pandemie bereits 18 Monate lang den Alltag vieler Menschen stark einschränkte. Einfluss hatte diese (mit Ausnahme der Maskenpflicht und einer Aufteilung des Teams in kleine Gruppen) aber kaum. Bis heute arbeiten Schuster und Hanin fast ausschließlich vom ORF-Studio am Küniglberg aus. Der Arbeitsalltag der beiden ist geprägt von Recherche, Texterstellung, Aufzeichnung, Postproduktion und der ständigen Anpassung an aktuelle Ereignisse. Jeden Morgen um neun Uhr treffen sich Schuster und Hanin im Studio, es folgt eine kurze Besprechung, in der sie sich auf das Thema für den jeweiligen Tag einigen. Steht dieses fest, starten die beiden mit Recherchen und formulieren einen Text – danach heißt es „Showtime“: Nach der Maske filmen Schuster und Hanin die besagten Kurzvideos und kümmern sich im Anschluss noch um Schnitt und Formatierung. „Wir sind sozusagen fünf Jobs in einer Person“, sagt Hanin schmunzelnd. Um 17 Uhr wird die Aufnahme, sofern das ZiB-Team keine Eilmeldung erreicht, veröffentlicht.
Ganz so reibungslos lief es aber nicht immer. Dabei waren Schuster und Hanin selbst ihre härtesten Kritiker: „Ich habe mit 19 Jahren begonnen und keiner wusste, ob das eine gute Idee ist – ich selbst eingeschlossen“, so Hanin. Doch schon kurz nach der Veröffentlichung ihrer ersten Videos bestätigte sich die Angst als falsch: Immer mehr Menschen interessierten sich für das Werk der damals noch neuen Gesichter des größten Mediums des Landes. Die Kommentare unter ihren Videos lesen sich die beiden Journalisten aus Eigenschutz aber kaum durch; auf Wünsche und Fragen des Publikums gehen sie jedoch ein. Das Ziel der beiden ist es, Jugendlichen weiterhin eine vertrauenswürdige Quelle zu bieten, damit diese sich eine eigene Meinung bilden und auch künftig neugierig und kritisch gegenüber Nachrichten bleiben.
Seit Oktober 2021 produzieren Ambra Schuster (27) und Idan Hanin (21) informative Kurzvideos für die „Zeit im Bild“. Über 400.000 Follower informieren die beiden Journalisten mittlerweile täglich über ihre Medienplattformen.
Fotos: Tabea Magdalena Martin