TRADITION UND MÄRCHEN

Das deutsche Modehaus Peek & Cloppenburg muss sich für die Zukunft rüsten. Mittendrin: Henriette Tesch, die sich vom Trainee zum Mitglied der Geschäftsleitung hochgearbeitet hat und P&C bestens kennt.

Von Stuttgart nach Düsseldorf und weiter nach Wien: eine Strecke, die Henriette Tesch mittlerweile in- und auswendig kennt. Neben ihrem Lebensmittelpunkt in Stuttgart ­arbeitet Tesch als Managing Director der Textileinzelhandels­kette Peek & Cloppenburg auch in der ­österreichischen Hauptstadt und in der Mode- und ­Kunstmetropole im Westen Deutschlands. Die berufliche Reise bei P&C begann für sie 2006 als Trainee im Unternehmen; es ­folgte ein Aufstieg wie aus dem ­Karriere-Märchenbuch.

Nach dem Studium der BWL an der Universität Mannheim wagte Tesch den Sprung in Richtung Traumberuf: „Meinen Schwerpunkt während des Studiums setzte ich im Bereich Marketing. Aus einer Handelsfamilie stammend und wegen meines frühzeitigen Interesses an Mode war es für mich naheliegend, nach dem Studium die Welten Handel und Mode bei der Berufswahl zu verbinden. Blieb nur noch die Entscheidung über den Arbeitgeber: Breuninger oder P&C?“, so Tesch schmunzelnd.

Der Weg die Karrieretreppe empor lief fortan ebenso ausgeglichen wie kontinuierlich: Nach dem einjährigen Traineeprogramm bei P&C folgte eine Anstellung im Verkauf als Abteilungsleiterin der Düsseldorfer Filiale, bis Tesch stellvertretende Leiterin wurde. Als nächster großer Meilenstein folgte dann die Leitung des P&C-Stores im Frankfurter Haus auf der Zeil. „Dieses Haus war für die Zusammenstellung der Sortimente selbst zuständig, ein eigenständiges Haus innerhalb der Unternehmung P&C. Für mich war das damals eine spannende Herausforderung, in eigener Verantwortung Einkauf wie Verkauf zu verantworten und effektiv zu verzahnen.“

Nach einem kurzen Wechsel in die Geschäftsleitung des P&C-Verkaufshauses in Stuttgart ­folgte der mit Abstand größte Aufstieg für die Süddeutsche: Am 1. September 2017 wurde Tesch zum Mitglied der Unternehmensleitung von P&C im Bereich Einkauf Women’s Wear ernannt. Sie beerbte damit Aribert Müller, der in den Ruhestand ging. Neben Uwe Fehr, der den Bereich Menswear lenkt, ist Tesch damit für den umsatzstärksten Sortiments­bereich verantwortlich: Damen­mode. Die Auswahl einzelner Kollektionen der Designer und Marken haben dabei Einkäufer im Team zu verantworten, während Tesch selbst für die strategische Ausrichtung und Entwicklung zuständig ist. „Dies und auch unsere Vision zu begleiten bereitet mir große Freude“, so Tesch.

P&C ist mit seinen Konzernzentralen in Düsseldorf und Wien heute mit rund 140 Verkaufs­häusern in 15 Ländern tätig. In einem aus Teschs Sicht „stagnierenden Jahr 2019“ am zentraleuropäischen Markt entdeckte die Kaufhauskette Osteuropa für sich: Das Ergebnis waren drei neue Standorte in Rumänien und Kroatien; in Tallinn und Belgrad sollen 2020 weitere Filialen folgen. „Im stationären Handel verzeichnen wir in Osteuropa ein Wachstum, wobei wir uns schon sehr frühzeitig für eine Expansion in diese Region entschieden hatten. Viele Wettbewerber haben in der Zwischenzeit ebenfalls das Potenzial des Marktes erkannt“, erläutert Tesch.

1869 von den Kaufleuten ­Johann Theodor Peek und Heinrich Cloppenburg als Peek & Cloppenburg in Rotterdam gegründet, ­eröffnete Heinrichs Sohn James Cloppenburg bereits 1901 die ersten deutschen Verkaufshäuser in Berlin und Düsseldorf; in letzterer Stadt befindet sich auch heute noch der Hauptsitz. 1911 kam es zur Gründung einer zweiten Kommanditgesellschaft mit Sitz in Hamburg. Das Resultat: zwei wirtschaftlich und juristisch unabhängige Unternehmen.

Henriette Tesch
... studierte Betriebs­wirtschaftslehre in Mannheim, Deutschland. Sie begann bei P&C als Trainee im Bereich Verkauf und machte dann zunächst Station in diversen P&C-Einkaufshäusern, unter anderem als Leiterin des Frankfurter Hauses auf der Zeil, bevor sie in den Unternehmensvorstand berufen wurde.

Der Umsatz der größeren Schwester P&C KG Düsseldorf belief sich 2018 laut dem Datenanbieter Statista auf rund 1,452 Milliarden €. Die Ebitda-Marge liegt nach Unternehmensangaben bei 5,4 %, der operative Gewinn bei 78 Millionen €. Mit der Firmengründung der Peek & Cloppenburg KG Wien sollte ein Dreh- und Angelpunkt in Richtung Osteuropa entstehen: Mit einem Umsatzplus von 3,5 % zum Vorjahr wurden 2018 761 Millionen € an Umsatzerlös verzeichnet. Kombiniert beschäftigt P&C europaweit über 16.000 Mitarbeiter.

Nach dem Boom der 1960er- bis 1990er-Jahre hinsichtlich der Errichtung neuer Filialen und „Weltstadthäuser“, wie manche besonders großflächige Filialen in Hauptstädten genannt werden, will das Unternehmen auch fortan den stationären Handel forcieren. Und das, obwohl großflächige Filialen, die viele Marken verkaufen, in den letzten Jahren massiv unter E-Commerce sowie Single-Brand-Stores leiden mussten.

Weitere Eröffnungen in Zen­traleuropa – so in Orten wie Bocholt und Berlin-Tegel – sollen 2020 folgen. Auf die veränderten Markt­gegebenheiten reagierend, habe sich P&C zuletzt intensiv mit der Zukunftsfähigkeit der Filialen auseinandergesetzt und die Flächensegmentierung überarbeitet, so Tesch. Neue Schwerpunktsetzungen und eine verbesserte Orientierung sollen das positive Einkaufserlebnis für den Kunden erhöhen.

Zu den konkreten Lösungen gehört neben der Inszenierung der Schaufenster auch die Einbindung von Technologien. „Wir möchten verschiedenen Kundenansprüchen gerecht werden, vorrangig mit einem Anspruch an Qualität, gutem Preis-Leistungs-Verhältnis und dem Interesse für Trends sowie Tradition. In vielen Branchen, auch der klassischen Finanzbranche, kann man beobachten, dass der Kleidungsstil aufbricht, klare Vorgaben sowohl privat als auch beruflich werden gelockert“, sagt Tesch. Diese Auflockerung führt auch zu neuen Tendenzen: „Parallel entsteht das Bedürfnis nach Individualisierung. Der Kleidungsstil soll die Persönlichkeit unterstreichen. Die Kunden möchten sich differenzieren.“

Neben bekannten Mode­marken wie Calvin Klein, Hugo Boss und Tommy Hilfiger produziert P&C auch Eigenmarken – eine der bekanntesten darunter ist ­„Jake*s“, deren Produktionsstätten sich in Shenzhen, Hangzhou und Shanghai befinden, das Beschaffungs­büro liegt in Hongkong. Auch wenn die Häuser mit ihren ausgeklügelten Verkaufskonzepten die Quintessenz des Unternehmens bleiben sollen, hat auch P&C erkannt, dass E-Commerce keine Thematik ist, die außen vor gelassen werden kann. Die 2012 gegründete Tochter Fashion ID GmbH & Co. KG betreibt die Onlineshops der P&C-Gruppe in Deutschland, Österreich, Polen und den Niederlanden.

Ein Knackpunkt für den Erfolg auf digitaler Ebene könnte aber im nächsten Jahr folgen – mit der Übernahme der deutschen Online-Luxusplattform Stylebop. Im August 2019 hat Geschäftsführer Mark Alea die Insolvenz bekannt gegeben, künftig soll die Markenidentität in ähnlicher Art und Weise unter den Fittichen von Fashion ID fortgeführt und neue Zielgruppen angesprochen werden.

Um allen Bestrebungen gerecht zu werden, braucht es die richtigen Mitarbeiter – das weiß auch P&C, und legt daher großen Wert auf das Recruiting: „Wir sind sowohl online als auch auf Messen aktiv, und dabei sehr erfolgreich. Was mich in Zeiten des dynamischen Jobwechsels sehr beeindruckt, ist die überdurchschnittlich lange Verweildauer unserer Mitarbeiter im Unternehmen, mit vielen tollen Karrierebeispielen“, schildert Tesch.

Sie selbst blickt auf eine mittlerweile 13 Jahre andauernde Kar­riere im Unternehmen zurück – und wer weiß, welch Wendung diese noch nehmen könnte.

Text: Chloé Lau
Fotos: Florian Rainer

Der Artikel ist in unserer Dezember-Ausgabe 2019 „Sicherheit“ erschienen.

Forbes Editors

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