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Das Start-up Haelixa bezeichnet seine Technologie selbstbewusst als „Schweizer Messer der nachverfolgbaren Systeme“: Mittels seiner speziellen DNA-Marker kann die Herkunft von Rohstoffen eindeutig nachgewiesen werden. Dadurch ist es dem Endverbraucher möglich, die Lieferketten vom Ursprung bis zum fertigen Produkt im Laden nachzuverfolgen.
Große Ideen brauchen manchmal nur wenig Platz. Viele davon fanden ihre Ursprünge in Garagen – so wie jene der Gründer von Haelixa, die angetreten sind, um den weltweiten Handel maßgeblich zu verändern. Ihre Büros auf dem Areal „The Valley“ in Kemptthal, Winterthur, sind schwer zu finden. Das Gelände der ehemaligen Maggi-Fabrik kokettiert bei der Namensgebung ein wenig mit dem gigantischen Bruder in der Bay Area und hat neben ein paar großen Namen viele innovative Start-ups angezogen – Haelixa ist eines davon.
Gegründet wurde Haelixa 2016 von Michela Puddu und Gediminas Mikutis als Spin-off der ETH Zürich. Die gebürtige Italienerin und der Litauer entwickelten zusammen einen Marker aus künstlich erzeugten DNA-Sequenzen, der in Produkte oder Materialien eingebettet und mithilfe von DNA-Analysetechnologien identifiziert werden kann. Im Vergleich zu anderen Verfahren wie der Registrierung mittels Blockchain-Technologie oder schriftlicher Zertifikate liegt der DNA-Marker klar im Vorteil, da er nicht mehr löschbar auf dem Produkt angebracht wird.
Gediminas Mikutis, Co-Gründer und CTO von Haelixa, erklärt den Prozess so: „Die einzigartigen DNA-Marker werden so früh wie möglich in der Lieferkette angebracht. Ziel ist es, Materialien zu markieren und in der gesamten Wertschöpfungskette zu testen, um Transparenz in Bezug auf Prozesse, Ressourcen, Lieferungen, Qualität und andere Messgrößen zu schaffen. Je nach Kundenwunsch werden verschiedene Kennzeichnungen vorgenommen. Das kann bedeuten, dass ein Unternehmen für jedes Los, jede Charge, jede Saison oder Klassifizierung separate Marker hat. Die Marker begleiten das Material durch alle Produktionsschritte.“
Der DNA-Marker von Haelixa fungiert als Tool, um Lieferketten transparent und somit Produkte rückverfolgbar zu machen. Es ist kein Label für Nachhaltigkeit oder Echtheit – Definition und Kontrolle der Standards obliegen der Firma, die den Marker einsetzt, Haelixa stellt ihn lediglich zur Verfügung. „Jeder Kunde wird zuerst gründlich geprüft, um seine Beschaffungsquellen und Prozesse zu verstehen“, erläutert Mikutis. „Wir wollen mit den Unternehmen zusammenarbeiten, die ihre Materialien transparent darstellen.“
Das Anwendungsfeld der DNA-Marker ist vielseitig: Neben Textilfasern können etwa auch Edelsteine und Metalle markiert werden. Edelsteine saugen die Lösung mit dem DNA-Marker auf, Metallbarren werden damit besprüht. In Zukunft plant Haelixa die Ausweitung auf Lebensmittel.
Die erste Startfinanzierung von Haelixa wurde mit Investitionen von Zürcher Kantonalbank (ZKB), Clariant und Verve Ventures durchgeführt. Zurzeit werden Investoren für eine weitere Finanzierungsrunde akquiriert; zuletzt konnte die Zürich Silk Association (ZSIG) als Investor gewonnen werden. Diese letzte Finanzierungsrunde sollte bis zum Ende des zweiten Quartals 2024 abgeschlossen sein und nach heutigem Stand ausreichen, um den Betrieb für die Zukunft zu rüsten.
Noch kann sich das Unternehmen nicht selbst erhalten, allerdings stimmen die aktuell laufenden Kooperationen die Gründer optimistisch. Der größte Teil der Einnahmen von Haelixa stammt aus dem Verkauf des DNA-Markers an Textilhersteller und Marken wie FTC Cashmere.
Ebenfalls regelmäßige Einnahmen kommen aus dem Geschäft mit der Goldmarkierung der Firma Argor-Heraeus. Als neuesten Kooperationspartner konnte Haelixa Rieter, einen Hersteller von Spinnereisystemen, gewinnen. Hier wird der DNA-Marker mittels eines Sprühsystems in das Spinnereisystem integriert und während der Garnproduktion appliziert.
Wie jedes Tool kann der DNA-Marker von Haelixa zum Guten verwendet werden – muss er aber nicht. Wo die Kontrolle fehlt, kann er betrügerisch eingesetzt werden, oder er könnte als Werkzeug für Greenwashing missbraucht werden. Auch die großen Produzenten von Fast Fashion und Billigmode haben an der Rückverfolgbarkeit ihrer Waren Interesse; der Einsatz eines DNA-Markers ändert wenig an deren Geschäftsmodell. Wahrscheinlich ließen sich gerade mit solchen Kunden große Gewinne erwirtschaften.
Ob sich dieser Sachverhalt je bestätigen wird und zu einem Gewissenskonflikt für Haelixa führen könnte, kann Mikutis zu diesem Zeitpunkt nicht beantworten. Der Kundenstamm von Haelixa bewegt sich laut den Gründern in einer moralisch, ethisch und ökonomisch einwandfreien Zone; darunter befinden sich Firmen wie FTC Cashmere, Argor-Heraeus und Gübelin. Der Eindruck entsteht, dass der Haelixa-DNA-Marker als Vorzeige-Gadget für Firmen mit bereits tadellosem Ruf dient.
„Die meisten Unternehmen, die die physische Rückverfolgbarkeit nutzen, wollen Standards oder Messgrößen im Zusammenhang mit ESG- oder Nachhaltigkeitszielen einhalten und belegen“, so Mikutis. Außerdem verweist er auf die Zusammenarbeit mit UN/CEFACT (Zentrum der Vereinten Nationen für Handelserleichterungen und elektronische Geschäftsprozesse) und unterschiedlichen Regierungsbehörden, so etwa auf die Unterstützung der Zoll- und Grenzschutzbehörde der Vereinigten Staaten und des Heimatschutzes bei der Erstellung eines Protokolls für Ein- und Ausfuhren.
„Angesichts zukünftiger neuer Rechtsvorschriften und Einfuhrbestimmungen müssen die Materialien nachgewiesen werden. Der Wissensstand vieler Firmen weist zu viele Lücken auf, um diese Anforderungen zu erfüllen. Hier schulen wir die Firmen, damit sie verstehen, wie sie die physische Rückverfolgbarkeit einführen und die damit verbundenen Daten nutzen können. Um ein größeres Publikum zu erreichen, engagieren wir uns mit Bildung und Aufklärung auch auf Messen und Konferenzen“, erklärt Mikutis.
Bleibt zuletzt die Frage: Was bringt das Ganze den Endverbrauchern – und wie kommen diese an die von Haelixa zusammengetragenen Informationen entlang der Wertschöpfungskette?
„Wenn eine Modemarke ein Etikett mit der Aufschrift ‚Marked and traced by Haelixa‘ verwendet, ist sie dazu befähigt, dem Endverbraucher den Weg, den die Faser zurückgelegt hat, detailliert aufzuzeigen. Eine andere Alternative ist ein QR-Code auf dem Etikett, der zu einer Website führt, die den Weg des Materials durch die Lieferkette zeigt. Der eigentliche Vorteil für den Verbraucher besteht allerdings darin, dass die von einer Marke gemachten Angaben – etwa zum Recyclinganteil oder zu nachhaltigen Fasern – durch die physische Rückverfolgbarkeit validiert werden können“, erklärt Mikutis.
Michela Puddu und Gediminas Mikutis haben an der ETH Zürich Chemieingenieurwissenschaften studiert und gemeinsam das Spin-off Haelixa gegründet. Puddu wurde 2019 mit dem EU-Preis für Innovatorinnen unter 35 Jahren ausgezeichnet, Mikutis ist Mitglied des Expertengremiums von UN/CEFACT, wo er an Projekten beteiligt ist, die sich mit der Transparenz von Lieferketten beschäftigen.
Text: Simone Liedtke
Fotos: Lorenz Cugini