Toni & Alexa

Toni Reid hat eine Tochter, die sie mit Millionen Menschen teilt: Alexa. Denn Reid ist als Vice President bei Amazon für die Echo-Sparte zuständig. Wir fragten die Amerikanerin nach Alexas menschlicher Seite.

Ihr Ziel ist es, Alexa menschlicher zu machen. Was genau bedeutet das?
Unserer Meinung nach entfaltet die räumliche Schnittstelle den größten Zauber, wenn einem die Nutzung so natürlich vorkommt wie das Gespräch mit einem Freund. Unser Leitbild ist es daher, die „Alexa Experience“ so dialogorientiert wie möglich zu machen. Wir sind hier noch am Anfang, kommen dem Ziel aber täglich näher. Das zeigt sich in vielen Dingen: neuen Funktionen, aber auch kleinen Anpassungen und Verfeinerungen in Alexas Ton, persönlichen ­Charakteristika oder den Fähig­keiten im Dialog.

Wie reagieren Kunden auf Alexas Persönlichkeit? Vertieft sich deren Beziehung zum Gerät im Lauf der Zeit?
Wir sehen, dass Echo und Alexa im Mainstream ankommen – auch meine Eltern haben mittlerweile Echo-Geräte. Haben sie Alexa einmal ausprobiert, verstehen die Menschen, wie sie ihr Leben damit vereinfachen können. Unsere Kunden schätzen es, dass sie Alexa einfach bitten können, etwas zu erledigen. Sprache beseitigt eine Menge Grenzen und Reibungspunkte. Es verbessert das Leben unserer Kunden, wenn wir selbst das kleinste bisschen dieser Hindernisse aus täglichen Aktivitäten heraushalten. Wir glauben, dass unsere Kunden das zu schätzen wissen.

Was fragen Kunden Alexa am häufigsten? Wofür wird das Gerät am häufigsten genutzt?
Zu den beliebtesten Alexa-Funktionen zählen die Musikwiedergabe, Fragen und Antworten sowie Smart-Home-Anwendungen.

Die Digitalagentur 360i ermittelte 2017, dass die Wahrscheinlichkeit, die richtige Antwort zu erhalten, bei Google Home fünfmal höher ist als bei Alexa. Wie wollen Sie diese Lücke im Verständnis der Kundenfragen schließen?
Ich kann leider keine Details unserer Roadmap nennen, Ihnen aber versichern, dass Alexa täglich schlauer wird und wir intensiv daran arbeiten, ihre Kenntnisse auch weiterhin auszubauen.

Alexa beherrscht aktuell rund 25.000 Skills. Was wird das Gerät als Nächstes lernen?
Tatsächlich gibt es bereits über 50.000 Alexa-Skills von Drittanbietern – und es werden ständig mehr. Unsere Kunden lieben den Komfort, sprachgesteuert Musik zu hören, Smart-Home-Zubehör wie Lampen mit einem einfachen „Alexa, schalte das Licht an!“ zu regulieren, Timer zu stellen, bei der Küchen­arbeit Informationen abzurufen oder Nachrichten zu hören, während sie sich für das Büro fertig machen.

Welche Funktionen wurden ­verlangt oder von Kunden an­gefragt, die Alexa aktuell nicht unterstützt?
Der Alexa-Dienst lernt ständig dazu, sowohl bezüglich der Funktionsvielfalt als auch bezüglich des Verständnisses natürlicher Sprache und in puncto Genauigkeit. Da Alexa cloudbasiert ist, wird ihr Leistungsspektrum jede Stunde, jeden Tag um neue Funktionalitäten erweitert.

Wie unterscheidet es sich, dem Gerät Französisch beizubringen, im Vergleich zu Englisch oder Deutsch? Sehen Sie kulturelle Unterschiede in der Nutzung von Echo? Welches sind diese?
Wir haben intensiv daran gearbeitet, Kunden in jedem Markt eine maßgeschneiderte „Alexa Experience“ zu bieten. Dazu gehört eine neue, individuelle Stimme für jeden Markt, die den dortigen Kunden gefällt. Zudem führen wir Tests bezüglich Alexas automatischer Spracherkennung mit verschiedenen Akzenten durch und helfen ihr dabei, Zusammenhänge und Absichten zu verstehen. Darüber hinaus ist es wichtig, eine „lokale Persönlichkeit“ zu entwickeln, die Kunden überrascht und erfreut, sowie eine Menge lokales Wissen, Dienste und Funktionen zu integrieren.

Verzeichnen Sie eine höhere Akzeptanz in technikaffinen ­Ländern wie Japan und den USA im Vergleich zu etwa Deutschland oder Frankreich?
Unsere Vision ist, dass Alexa überall da ist, wo auch unsere Kunden sind, und auf jedem beliebigen Gerät genutzt werden kann. Wir veröffentlichen Produkte und Dienste, sobald sie fertig sind, und das Team arbeitet intensiv daran, sie schnellstmöglich noch mehr Kunden anbieten zu können.

Sie haben kürzlich Alexa for Business gestartet – was möchten Sie mit diesem Schritt erreichen?
Alexa for Business ermöglicht es Unternehmen jeder Größe, Alexa in ihren Arbeitsplatz zu inte­grieren. Alexa kann etwa dabei helfen, organisiert und auf die relevanten Aufgaben fokussiert zu bleiben. Wir betrachten dies als großartige Erweiterung des Alexa-Erlebnis­­ses, das Kunden bereits auch zu Hause schätzen. Unternehmen wie Johnson & Johnson, Weworkund GE nutzen Alexa for Business, und wir selbst haben das Tool bereits in mehr als 700 Konferenzräumen auf dem Amazon-Campus in Seattle inte­griert. Unsere Mitarbeiter sagen uns, dass sie es lieben, wie einfach sich Meetings mit Gesprächspartnern aus mehreren Städten gleichzeitig organisieren lassen – einfach mit der Aufforderung „Alexa, starte mein Meeting!“

Wie nutzen Sie die Daten, die Sie innerhalb des Amazon-­Universums sammeln?
Wir hören stets auf das Feedback unserer Kunden und lernen von ihnen, um unsere Produkte und Dienstleistungen zu verbessern.
Eine Möglichkeit dazu sind etwa Kundenbewertungen.

Ist die Echo-Sparte finanziell gesehen erfolgreich? Operiert sie profitabel?
Kunden kauften allein im Jahr 2017 mehrere zehn Millionen Echo-Geräte.

In welchen Sprachen und Märkten startet Alexa als Nächstes?
Mexiko, Italien und Spanien folgen im Laufe des Jahres.

Wie schätzen Sie die aktuelle Entwicklung von künstlicher Intelligenz (KI, Anm.) allgemein ein?
Es begeistert mich, zu sehen, welche Rechenleistung heute zur Verfügung steht; in den vergangenen Jahren gab es diese ja noch nicht in dieser Größenordnung. Es gibt zahlreiche Anwendungsszenarien, in denen künstliche Intelligenz das Leben unserer Kunden erleichtern oder bereichern kann. Ich mache mir liebend gerne Gedanken darüber, wie wir das bewerkstelligen können und wie sich etwaige Reibungspunkte beseitigen lassen. Wir stehen noch am Anfang, praktisch am ersten Tag, haben jedoch bereits große Fortschritte erzielt – aber es wird noch vieles folgen.

Während viele sogenannte „Supercomputer“ (z. B. Watson, HAL 9000, Anm.) männliche Identitäten haben, sind viele „Assistenten“ hingegen weiblich (z. B. Alexa, Siri, Anm.). Gibt es ein geschlechtliches Ungleichgewicht, wie wir Maschinen oder Softwaresysteme Geschlechtern zuordnen?
Wir haben etliche Stimmen getestet und entscheiden uns für jene, welche von den Kunden am besten aufgenommen werden. Bei der Entwicklung von Alexas Persönlichkeit haben wir darauf geachtet, dass viele verschiedene Eigenschaften einfließen, die wir bei Amazon schätzen, etwa smart sowie hilfsbereit und bescheiden zu sein, aber auch Spaß zu verstehen. Dies sind keine geschlechtsspezifischen Attribute, sondern eher Eigenschaften, die wir generell an Menschen schätzen.

Toni Reid
...studierte Anthropologie und begann ihre Karriere 1997 in der HR-Abteilung von Microsoft. Sie wechselte ein Jahr später zu Amazon, in eine ähnliche Position. Seither arbeitete sie unter anderem im Strategie- und im Salesbereich, bevor sie in ihre heutige Position als Vice President of Alexa Experience and Echo Devices kam. Reid hat zwei Töchter.

Wie sieht unsere Zukunft aus, wenn sich KI von einer spezifischen zu einer allgemeinen Intelligenz ent­wickelt?
Fortschrittliche Technologien wie KI und Machine Learning stecken noch in den Kinderschuhen. Uns bietet sich die Chance, für unsere Kunden ein besseres Verhältnis zu KI und ein gutes Nutzungserlebnis zu erschaffen. Wir befinden uns im goldenen Zeitalter von Machine Learning und KI. Alexa ist noch weit davon entfernt, Dinge so zu erledigen, wie es Menschen tun würden. Aber wir lösen täglich unglaublich komplexe Probleme.

Wie können wir sicherstellen, dass die Technologie sich auf eine für Menschen vorteilhafte Weise weiterentwickelt?
Wir sind der Meinung, dass Sprache ein signifikanter Bestandteil der Zukunft sein wird, und hoffen, dass unsere Kunden darauf vertrauen, dass dies ihr Leben er­leichtert, statt es komplizierter zu machen. Es wird viele erfolgreiche KIs geben, die auf unterschiedliche Datensätze zugreifen und verschiedene, spezialisierte Funktionsschwerpunkte haben. Einige davon werden allgemeiner gehalten sein, andere spezialisierter. Sie werden individuell einzigartige Stärken haben, die sich gegenseitig ergänzen. Arbeiten diese KIs zusammen, werden sie Kunden ein reichhaltiges, nahtloses Erlebnis bieten.

Dieser Artikel ist in unserer September-Ausgabe 2018 „Women“ erschienen.

Klaus Fiala,
Chefredakteur

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