The AUSTRIAN Dream

Das ganz große Scheinwerferlicht war nie auf Peter Wolf gerichtet, doch seine Kompositionen waren mitverantwortlich, dass zahlreiche Musikproduktionen zu Welthits wurden. Kein österreichischer Musiker hat mehr Tonträger (rund 250 Millionen) verkauft – Forbes hat mit dem in Kalifornien lebenden Wiener über seine einzigartige Karriere und aktuelle Projekte gesprochen.

Auch 48 Jahre nachdem Peter Wolf als erst 23-jähriger ­Bursche seine Koffer packte und mit einem ­One-Way-Ticket ins Land der unbe­grenzten ­Möglichkeiten aufbrach, ist er nicht abhanden­gekommen, der unverkennbare Klang des Wienerischen. Hin und wieder wirft er eine Phrase in amerikanischem Englisch ein; meistens, wenn er euphorisch wird oder ein Statement bekräftigen möchte. Wolf hat eine offene, lockere Art und versprüht Optimismus, man könnte sogar sagen, eine „Dream big!“-Mentalität. 250 Millionen verkaufte Tonträger, sieben Grammy-Nominierungen und acht Nummer-eins-Songs lassen es wohl nicht zu, sich mit kleinen Zielen zufriedenzugeben. Kleinkariertes Denken und Minimalismus sind ihm wesensfremd, der American Way of Life ist seine Lebenseinstellung.

Das Büro, das im Videocall mit Forbes im Hintergrund zu sehen ist, lässt erahnen, wie pompös seine Villa in Malibu ist, die im Stil ­einer mittelalterlichen italienischen Festung im Sommer 2023 fertiggestellt wurde. Hier lebt der heute 71-jährige Wolf mit seiner Ehefrau, der Wiener Schauspielerin Lea Wolf-Millesi, dem gemeinsamen achtjährigen Sohn Gaetano und der Gouvernante Meredith. Die Waldbrände in Kalifornien 2018 hatten ihre vorherige Villa in Schutt und Asche gelegt; fünf Jahre später kehrte die Familie wieder auf das Grundstück an der Pazifikküste zurück. Auf dem Anwesen befinden sich ein Obstgarten mit Photovoltaikanlage, ein Swimmingpool, ein riesiger Fuhrpark und ein eigener Tennis­platz. Den hohen Lebensstandard hat sich der Musiker selbst erarbeitet – kennengelernt hatte er ihn im eigenen Elternhaus.

Aufgewachsen ist Wolf in einer wohlhabenden Unter­nehmerfamilie in Wien-Hietzing, seine musikalische Erziehung begann früh. „Als ich Klavier gespielt habe, war ich nie in Love mit klassischer Musik. Ich habe sie nicht verstanden, aber gelernt zu spielen, was auf den Noten­blättern steht“, gesteht Wolf, der für seine Aus­bildung dennoch dankbar ist, im Gespräch. „Es war so wichtig wegen der Technik, dass die Finger machen, was du willst. Das große Problem, das viele Musiker haben, die später anfangen zu spielen, ist die fehlende Technik.“ Bereits im Alter von neun Jahren war er in einer Schulband als Gitarrist und Bassist aktiv. „Durch das Gitarrespielen habe ich Harmonien gelernt, also die ­Harmonielehre. Das Schöne an der Musik ist, dass man immer konstant weiterlernt“, sagt Wolf.

Ein entscheidender Moment ereignete sich trotzdem bei einem klassischen Klavierkonzert, als er mitten in einer Sonate von Joseph Haydn den Faden verlor. „Ich habe improvisiert und ­fertig gespielt. Meine Lehrerin hat mich gefragt, was ich gespielt habe“, erzählt er und lacht. „Natürlich habe ich gesagt, dass es Haydn war, und sie hat mir geglaubt.“ Durch diese Erfahrung wurde ihm klar, wo sein großes Talent liegt. „Wenn ich heute Filmmusik schreibe, ist das alles Improvisation. Ich sehe ein Bild, setze mich hin und lasse es auf mich einwirken, dann improvisiere ich. You can make it work. Mir fallen ­Noten und Intervalle ein und ich fange an zu spielen“, so Wolf.

Als Jugendlicher galt seine ganze Begeisterung der Jazzmusik, in der er auch seine Zukunft sah. „Mein Vater hat mich aus dem Haus geworfen, als ich ihm gesagt habe, dass mich seine ­Firma nicht interessiert.“ Nicht aus Rebellion, sondern einfach aufgrund seiner Passion trat der Minderjährige verbotenerweise in der Splendid Bar in der Wiener Innenstadt auf. Bei einem seiner Auftritte begeisterte Wolf die Wiener Jazz-Koryphäe Fatty George, der ihn als Keyboarder in seiner Band engagierte. Jeden Freitag hatte die Combo eine Radioshow im Amerika-Haus und eine eigene Fernsehshow einmal pro Monat. „Ich habe mit 16 Jahren mehr verdient als mein Schuldirektor“, stellt Wolf klar. Die Matura machte er nebenbei, spielte dann mit Karl Ratzer in der Band Gipsy Love und gründete mit 19 eine eigene Band. Trotz ­seiner Erfolge und Kontakte in Wien strebte er nach Größerem – Wolf wollte dort ­Musik machen, wo seine großen Idole Musik ­machten, am besten sogar mit ihnen gemeinsam.

Der wahre Luxus im Leben ist es, Maßstäbe zu setzen. Ich möchte mit der Musik eine Geschichte erzählen, die Emotionen weckt.

Peter Wolf

1975 stieg Wolf dann in ein Flugzeug nach New York, von wo aus er in die Südstaaten, die Wiege des Jazz, reiste. In Atlanta, Georgia, fand er sofort einen Job bei einer Holiday-Inn-Band, mit der er von einem Hotel zum anderen tourte. „Mich hat motiviert, dass die Band Los Angeles als Endstation ins Auge gefasst hat“, so Wolf. Nach vier Monaten machten sie erst im be­nachbarten Bundesstaat Alabama, in der Stadt Birming­ham, halt.

„Das hat mir zu lange gedauert“, erinnert Wolf sich. Der Besitzer eines dortigen Jazzclubs war gleichzeitig Leiter des Musikdepartments der University of Montevallo und unterbreitete ihm das Angebot, dort die Studenten-Big-Band zu unterrichten. Er erhielt als Universitätsassistent ein Arbeitsvisum für ein Jahr und unterrichtete zweimal in der Woche an der Hochschule in der Vorstadt von Birmingham. Es blieb genug Zeit, um seine eigene Karriere voranzutreiben und nächtens in Lokalen in Birmingham zu spielen. „Dort habe ich wirklich Jazz gelernt und verstanden. Ich war der einzige Weiße in den Clubs“, erzählt Wolf. Birmingham war wegen seiner ex­tremen Rassentrennung als das „Johannesburg Amerikas“ bekannt, was sich 1963 in dem von weißen Rassisten verübten Bombenanschlag auf die 16th Street Baptist Church widerspiegelte. In der Stadt war es rechtswidrig, ein Restaurant zu betreiben, in dem weiße und schwarze Menschen im selben Raum bedient werden.

Trotz der in der Folge entstandenen Demonstrationen der Bürgerrechtsbewegung und der gesetzlichen Aufhebung der Rassentrennung im selben Jahr konnte Wolf die Nachwehen dieser Zeit ­bis Mitte der 1970er-Jahre erleben. Nach Beendigung des einjährigen Uni-Jobs entschloss er sich, einen U-Haul-Anhänger zu mieten und nun endlich L. A., das Mekka der Musikindustrie, anzusteuern. Nach drei Wochen in der Stadt der Engel erhielt er einen Anruf von Frank Zappa, der auf der Suche nach einem Keyboarder war: „Es war so, als ob mich Gott persönlich angerufen hätte“, sagt Wolf heute dazu. Das Vorspielen dauerte den ganzen Tag, dann wurde Wolf in Zappas Band aufgenommen. Zwischen 1976 und 1980 nahm er mit ihm elf Platten auf. Der Lerneffekt war riesig, aber der Verdienst hielt sich in Grenzen: Anfangs bekam Wolf 500 US-$, am Ende 1.000 US-$ Lohn pro Woche. „Es war eine wunderbare Zeit. Frank hatte ­Handschlagqualität, das Geld kam pünktlich“, sagt Wolf, der Zappa auch hochpolitisch erlebte: Er habe oft darüber geredet, später US-­Präsident werden zu wollen; ein Vorhaben, das möglicherweise wegen Zappas frühen Krebstods (er starb 1993) nicht zustande kam. Das Potenzial für eine politische Karriere hätte Wolf ihm ohne Zweifel zugetraut: „Er war sicher der intelligenteste Mensch, den ich je kennengelernt habe.“

Nach vier Jahren spürte Wolf, dass es Zeit war, sich weiterzuentwickeln. Er machte sich als Studiomusiker selbstständig und arbeitete mit unterschiedlichsten Interpreten zusammen – anfangs am angestammten Keyboard. „Irgendwann sind sie draufgekommen, dass ich lesen und schreiben kann, also wurde ich Arrangeur. Dann kam ein Produzent zu mir und machte mich zum Co-Produzenten. Am Ende der Entwicklung war ich selbst Produzent“, erzählt Wolf lächelnd. Die harte Arbeit machte sich bezahlt: Binnen fünf Jahren nahm er rund 600 Alben auf und verdiente 300.000 bis 400.000 US-$ pro Jahr. Die Liste der entstandenen Hits ist lang, darunter sind „We Built This City“ von Starship oder „King of Wishful Thinking“von Go West (aus dem Film „Pretty Woman“). Wolfs Handschrift tragen auch Alben der Pointer Sisters, von The Who, von Paul Young oder Nik Kershaw.

In den 90er-Jahren spezialisierte sich Wolf auf Filmmusik: Die Soundtracks zu „Die unend­liche Geschichte III“, „Peanuts“ oder „Irren ist männlich“ stammen aus seiner Feder. Um die Jahrtausendwende ­kontaktierte ihn der öster­reichische Journalist und Drehbuchautor Peter Hajek und fragte ihn, ob er für eine Krimiserie, in der ein Polizei-Schäferhund die Hauptrolle spielt, komponieren möchte. „­‚Kommissar Rex‘ war international sogar erfolgreicher als ‚Baywatch‘“, sagt Wolf. In dieser Zeit wurde auch seinen Landsleuten im großen Stil bewusst, was für ein begnadeter Virtuose er ist: Im Jahr 2000 kam Wolf bei einer Umfrage des Lifestylemagazins Wiener in der Kategorie „Erfolgreichster Musiker des Jahrhunderts“ auf Platz zwei. Im Jahr 2002 wurde ihm das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst verliehen.

Insgesamt sieben Mal wurde der gebürtige Wiener bei den Grammy Awards, den berühm­testen Musikpreisen der Welt, nominiert, unter ­anderem für ein Duett von Thelma Houston und Dennis Edwards – jedes Mal ging er ohne goldenes Grammophon nach Hause. „Alles in Ordnung, eines Tages werde ich einen sogenannten Mercy Grammy bekommen“, witzelt Wolf, der die ­Hintergründe der Veranstaltung, die traditionell in Los Angeles abgehalten wird, bestens kennt. Für eine gewisse Zeit war er sogar Vorstands­mitglied der Recording Academy (privatrecht­liche Organisation der Musikindustrie, die die Grammys vergibt). „Es ist das Gleiche wie mit den Oscars. Das ist ein von der Industrie kontrollierter Event, wobei es darum geht, so viele Tonträger wie möglich zu verkaufen und Promotion zu erhalten.“ Trophäen abzuräumen war ohnehin nie sein großes Interesse. „Der wahre Luxus im Leben ist es, Maßstäbe zu setzen. Mir geht es nicht darum, so reich wie möglich zu sein oder irgendwelche Preise zu gewinnen. Ich möchte mit der Musik eine Geschichte erzählen, die Emotionen weckt. Je mehr Menschen meine ­Musik trifft, desto zufriedener bin ich“, stellt Wolf klar.

Nach der Hochphase seiner Karriere widmete Wolf der Familie mehr Zeit und produzierte nur, was ihm Freude bereitete. „Jetzt ist das passiert, was David Foster (u. a. Musikproduzent für ­Whitney Houston, Anm.) einmal über mich gesagt hat. Es gibt vier Stages: ‚Who is Peter Wolf?‘, ‚Get me Peter Wolf!‘; dann ‚Get me a young Peter Wolf!‘ und ‚Who is Peter Wolf?‘ Ich bin jetzt in der vierten Phase meiner Karriere“, sagt er ein wenig selbstironisch. In seiner jetzigen Schaffensphase interessieren ihn mehr Dinge als nur Filmmusik. „Wenn man sich die Karrieren der Musiker von früher anschaut, Mozart oder Beethoven, sieht man auch Entwicklungen: Nach ­einiger Zeit des Musikschreibens sind sie draufgekommen, dass sie das Gesamtkunstwerk inte­ressiert, die Oper“, sagt Wolf. „Mein Freund Joe Zawinul (einer der einflussreichsten Jazzmusiker des 20. Jahrhunderts; Anm.) hat zu seinen alten Songs gesagt: ‚Das ist old Shit, das einzig Wichtige ist, was ich jetzt mache‘“, so Wolf weiter. „Bei mir ist die nächste Entwicklung das Fernsehen.“

Gemeinsam mit seiner Ehefrau Lea produzierte er im Jahr 2019 die Dramaserie „Sweet ­Toxins“. Dabei geht es um ein großes Pharma­unternehmen, Korruption, Machtspiele und eine ganze Reihe an Verbrechen. Aktuell arbeiten sie an ­einer True-Crime-Serie über den Wiener ­Serienmörder Jack Unterweger. „Die unglaub­liche Geschichte von Unterweger kennt in den USA keiner, darin steckt riesiges Potenzial. Der Titel ist noch geheim“, sagt Wolf – und plötzlich ist sie wieder da, die „Dream big!“-Mentalität.

Mit 23 Jahren wanderte der Wiener Musiker Peter Wolf in die USA aus. Als Keyboarder tourte er vier Jahre mit Rocklegende Frank Zappa. Danach machte er sich selbstständig und produzierte Welthits wie „We Built This City“. Auch in seinem nächsten Karrierekapitel, der Filmmusik (z. B. „Pretty Woman“ oder „Top Gun“), feierte das Multitalent größte Erfolge.

Fotos: beigestellt

Paul Resetarits,
Redakteur

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