STREAMING-BUSINESS FAIR GEMACHT

Nermina Mumic schiebt Unregelmäßigkeiten im Musikgeschäft einen Riegel vor: Mit ihrem Start-up Legitary und dessen patentierter Technologie analysiert sie innerhalb von wenigen Minuten Milliarden von Streams – und konnte so bereits 900 Millionen US-$ an entgangenen Einnahmen aufspüren.

Schallplatten, CDs, Streams – die Geschichte der Musikbranche ist eine der Disruptionen. Die Gewinner dieser Entwicklung: Streaming­anbieter wie Spotify, Apple Music oder Deezer. Laut dem Global Music Report der IFPI stiegen die Ein­nahmen im Streamingmarkt im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr weltweit um knapp 20 %, auf 13,4 Milliarden US-$. Damit gene­rieren Streamingdienste 62,1 % des Gesamtumsatzes in der Musik­industrie. Die Schattenseite: „Künstler werden basierend auf der Anzahl ihrer Streams bezahlt. Wenn eine der Plattformen berichtet, wie viele Streams erzielt wurden, kann das der Künstler jedoch nicht verifizieren. Sie sind damit konfrontiert, dass sie den Zahlen vertrauen müssen“, so Nermina Mumic.

Mit Legitary will die 29-Jährige hierbei Abhilfe schaffen: Mit der patentierten Technologie des Start-ups können Unregelmäßig­keiten in der Datenverarbeitung von Streamingdiensten aufgespürt werden, indem das ­Streamingverhalten der unterschiedlichen Plattformen, ­bereits gesammelte Daten und Erfahrungs­werte analysiert ­werden. Dafür erstellt Legitary für jeden Künstler und jedes Lied ein Modell zur Berechnung. „Dann können wir die berichteten Zahlen abgleichen und schauen: Passen sie quasi in das, was das Modell sagt – ­inklusive ­einer statis­tischen Schwankungsbreite –, oder liegen die berichteten Zahlen außer­halb?“, erklärt Mumic. Laut ihr schafft Legitary das, wozu herkömmliche Auditfirmen ohne Prozessautomatisierung 300 Stunden benötigen, in sechs Sekunden. Und weiter: Der Algorithmus soll im Vergleich zu herkömmlichen Methoden Anomalien um bis zu 275 % genauer erkennen.

Nermina Mumic
... promovierte an der TU Wien im Fach Mathematik und Statistik. Zusammen mit Günther Loibl und dem TU-Professor Peter Filzmoser entwickelte sie Legitary. 2019 erfolgte die Gründung.

Der Ursprung von Legitary findet sich in Las Vegas. Günter Loibl, Gründer des digitalen Musikvertriebs Rebeat, war 2015 seit knapp 30 Jahren im internationalen Musik­­geschäft tätig und befasste sich mit der Tech­nologisierung der Musikbranche. Bei Gesprächen mit Vertretern von Auditfirmen in den USA stellte er fest, dass großer Bedarf an automatisierten Betrugserkennungsangeboten in der Musikbranche bestand. Zurück in Österreich – dort hat Rebeat seinen Firmensitz –, suchte Loibl an den Universitäten des Landes nach jemandem, der seine Idee umsetzen konnte. Schließlich stieß er an der TU Wien auf die damalige Statistik- und Mathematikstudentin Mumic. Sie interessierte sich für die Thematik – und nahm sich ihrer schließlich im Zuge ihrer Doktorarbeit an. 2019 wurde Legitary gegründet.

Mit mittlerweile sechs Mitar­beitern arbeitet Mumic am weiteren Ausbau des Unternehmens, dessen Fokus auf dem US-amerikanischen Markt liegt. „Wir arbeiten mit allen, die quasi in der Wertschöpfungskette hinter den Plattformen stehen – sprich: mit Musiklabels, mit digitalen Vertrieben, mit Künstlermanagements, mit Auditfirmen, aber auch mit Verwertungsgesellschaften“, so Mumic. Bisher erhielt Legitary eine Geldspritze in der Höhe von einer Million €, unter anderem von der Förderbank Austria Wirtschaftsservice (AWS), eine weitere Finanzierungsrunde steht kurz bevor. Einnahmen generiert das Start-up über die analysierten Datenvolumina, Umsatzzahlen verrät Mumic jedoch keine. Nur so viel: Mittlerweile hat Legitary bereits 70 Milliarden Streams aus 180 Ländern analysiert. 7 % davon waren von den Streamingdiensten nicht ausgewiesen worden. Laut Mumic sind das für die Musik­labels und deren Künstler um die 900 Millionen US-$ an entgangenem Umsatz. Lösungsbedarf ist also gegeben. Mumic: „Wir wollen mit Legitary einen Beitrag zu mehr Fairness und Trans­parenz im ganzen Markt leisten.“

Text: Naila Baldwin
Fotos: beigestellt

Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 3–21 zum Thema „Künstliche Intelligenz“.

Naila Baldwin

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