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Eigentlich ist Adrian Vogt ein normaler 22-Jähriger: Er lebt noch bei seinen Eltern, skatet in seiner Freizeit und springt auch mal auf seinem Trampolin. Da er aber regelmäßig Videos auf Youtube und Tiktok hochlädt, ist Vogt berühmt: Seiner Online-Persona „Aditotoro“ folgen auf Tiktok 1,8 Millionen Menschen. Offensichtlich trifft der Deutschschweizer einen Nerv – und gewinnt nun auch Anhänger in Deutschland und Österreich.
Es ist ein spontanes Video – und doch eines, über das Adrian Vogt schon eine Weile lang nachgedacht hat. „Salü zäme, min Name isch Aditotoro“, sagt er in Schweizer Mundart. Der damalige Teenager mit der grauen Mütze und der schwarzen Brille kündigt in seinem Youtube-Video 2016 an, dass er einen Kanal auf Schweizerdeutsch machen will: „Die Schweizer Szene auf Youtube ist vielleicht noch nicht so groß, aber sie hat auf jeden Fall Potenzial.“ Damals hat Adrian Vogt 24 Abonnenten und lächelt, als er laut darüber nachdenkt, wie viele Abonnenten er wohl in der Zukunft haben könnte.
Der 22-jährige Schweizer hat auf Youtube zwar „nur“ 167.000 Follower und 13 Millionen Views; auf der Social-Media-Plattform Tiktok sind es hingegen 1,8 Millionen Follower mit über 60 Millionen Likes. Mit seinem Kanal „Aditotoro“ ist Vogt eines der bekanntesten Social-Media-Gesichter der Schweiz. Seine Anziehungskraft: Er macht Witze über die Schweiz und macht sich über die Klischees der Nachbarn in Deutschland und Österreich lustig. Seine Inhalte polarisieren durchaus, doch Vogt will die Menschen bewegen. „Lieber gehe ich ein bisschen zu weit als zu wenig. Sonst ist es langweilig“, sagt er. Seine Videos brachten Vogt nicht nur ordentlich Follower, sondern auch einen Platz auf der Forbes-„Under 30“-Liste für die DACH-Region – und ein Forbes-Cover.
Denn Vogt repräsentiert eine neue Art von Influencern: solche nämlich, die für Facebook und Twitter zu jung sind und die auf Kanälen wie Tiktok oder der Streamingplattform Twitch Reichweiten erzielen, von denen klassische Medien nur träumen können. Und eine solche Reichweite bringt auch Geld.
Wenn er spricht, ist Vogt entspannt. Er trägt einen braunen Hoodie und eine schwarze Mütze. Er sei gerade vom Zivildienst nach Hause gekommen, erzählt er uns. Dieser traditionelle Job ist ein starker Kontrast zu „Aditotoro“, der immer mit Pilzfrisur und Schnauzer auftritt. „Ich habe meine aufgedrehte Seite und eine für ,Real Talk‘ – so wie jeder Mensch. Online zeige ich vor allem mein lustiges, dummes, aufgedrehtes Gesicht.“ Ob er mit seinem Humor manchmal auch Grenzen überschreitet? „Die Witze haben nie jemanden richtig fett angegriffen, außer halt das ganze Land. Dann werfe ich aber alle in einen Topf“, sagt Aditotoro.
Vogt wurde in der Kleinstadt Rünenberg im Baselland geboren; bis heute lebt er dort bei seinen Eltern. In der Schule war er nie besonders cool oder lustig, schon gar nicht war er der Klassenclown. Aber er fühlte sich immer zu den Medien hingezogen, eigentlich wollte er beim Radio arbeiten. „Der klassische Morgenmoderator, ein bisschen lustig, ein bisschen News, ein bisschen Lieder anmoderieren“, erinnert er sich.
Die Zeit arbeitete für ihn: „Als ich aufgewachsen bin, waren Fernsehen und Radio das Größte, das man machen konnte.“ Doch dann kam Youtube. Inspiriert wurde Vogt vom deutschen Comedy-Trio Y-Titty sowie Filmemachern wie dem US-Amerikaner Casey Neistat. Vogts Kanal ist ein wilder Mix aus Pranks, Challenge-Videos und Vlogs, die er auf Schweizerdeutsch präsentiert. Mit diesem Rezept setzte er sich nach und nach durch. „Heutzutage wirkt Fernsehen so geplant, man ist nicht frei. Die Onlinewelt ist das Gegenteil davon.“
Es ist eine Welt, in der der „Under 30“- Listmaker seinen kreativen Ehrgeiz auslebt und gleichzeitig seinen Lebensunterhalt verdient. Vogt: „Mein Geschäftsmodell besteht darin, erst mal zu machen und dann zu schauen.“ Der Großteil seiner Einnahmen kommt von Youtube über Werbung – allein davon könnte er leben. Je höher die Kosten pro 1.000 Aufrufe (TKP, also Werbekosten pro Tausend Sichtkontakte), desto mehr verdient ein Youtuber. Dieser TKP-Wert bezieht sich im Wesentlichen auf den Betrag, den Werbetreibende bereit sind, für die Anzeige von Werbung auszugeben. Vogt schätzt, dass man zwischen 400 CHF und 3.000 CHF für 100.000 Aufrufe verdienen kann. Dabei spielen neben den Aufrufen das Thema des Videos sowie die Wiedergabedauer eine Rolle – in der Regel werden längere Videos höher entlohnt. „1.000 CHF auf 100.000 Views ist ein guter Mittelwert“, so Vogt.
Lieber gehe ich ein bisschen zu weit als zu wenig. Sonst ist es langweilig.
Adrian Vogt
Zu Redaktionsschluss hatte sein Kanal über 13 Millionen Aufrufe, was bei einem Durchschnittspreis von 1.000 CHF Gesamteinnahmen von 130.000 CHF seit 2015 bedeuten würde – alleine durch die Werbeeinnahmen, die von Youtube automatisch bezahlt werden. Nicht so schlecht für einen 22-Jährigen, der noch zu Hause wohnt. Doch der Schweizer Youtube-Markt ist noch zu klein: „Um damit so viel Geld zu verdienen, dass ich davon leben kann, würde es nicht reichen“, so Vogt. Doch Youtuber müssen sich nicht nur auf Youtube verlassen: Über Produktplatzierungen oder Werbepartnerschaften abseits der automatisierten Monetarisierung lassen sich die Einnahmen bei entsprechenden Reichweiten deutlich nach oben treiben. Auch Vogt arbeitet mit Marken wie dem Getränkehersteller Red Bull, den Schweizer Bundesbahnen SBB oder dem IT-Konzern Logitech. Sein Traum bezüglich Kooperationspartnern ist aber der E-Auto-Hersteller Tesla. 99 % der Anfragen, die er täglich erhält, lehnt er ab: „Ich bin sehr wählerisch, wenn es um Kooperationen geht. Ich arbeite gerne mit Unternehmen zusammen, die man kennt, die schon groß sind und die einen bestimmten Lebensstil repräsentieren.“ Eine Partnerschaft, die er vor zwei Jahren mit einer Kreuzfahrtgesellschaft einging, bedauert er bis heute – aus ökologischen Gründen. „Ich muss einfach hinter den Dingen stehen können!“
Und Vogt nutzt seine Bekanntheit auch für andere Aktivitäten: Das von ihm gegründete Modelabel De Bifferent ist vorerst noch ein Nebenjob – bei der letzten Lieferung war sein ganzer Raum mit Kleidern gefüllt. „Ich finde es toll, wenn ich meinem Publikum etwas bieten kann. Aber es ist nicht in erster Linie der Gedanke: Ich will eine Modemarke aufbauen, die von alleine funktioniert“, sagt Vogt.
Doch wirklich erfolgreich ist er auf Tiktok. „Tiktok ist cool, wenn man sein Gesicht zeigen will“, sagt er. Und Tiktok will in all jene, die ihr Gesicht genügend Menschen zeigen, investieren. 2021 lancierte das Unternehmen einen Creator Fund in Europa, der mit 62 Millionen € ausgestattet wurde. Allerdings ist dieser bisher nur in ausgewählten Ländern wie Deutschland und Frankreich verfügbar. Vogt: „Man verdient auf Tiktok eigentlich kein Geld, es sei denn, man geht Kooperationen ein. Und dieses Jahr habe ich vielleicht drei solcher Kooperationen gemacht, was sehr wenig ist.“
Vogt mag es nämlich eigentlich nicht, sich mit finanziellen Angelegenheiten zu beschäftigen. Er arbeitet seit zwei Jahren als Selbstständiger ohne Team und kümmert sich eigenhändig um seine Finanzen. „Ich habe in diesem Jahr bisher noch gar nichts gemacht. Ich habe keine Bilanz erstellt, ich habe nichts in Tabellen eingetragen“, sagt er. „Wenn ich essen gehe, nehme ich oft die Kassenzettel nicht mit.“ Rechnungen, die er aufbewahrt, verstaut er in einer kleinen Schachtel. „Wenn ich ein Geschäftsmann bin, dann ein sehr schlechter“, lacht er.
Vor sechs Monaten postete Vogt sein erstes Video auf Hochdeutsch. Laut ihm gibt es nur ganz wenige Schweizer Persönlichkeiten, die sich auch in Deutschland einen Namen gemacht haben – er nennt Hazel Brugger, die übrigens 2019 auf der Forbes-„Under 30“-Liste der DACH-Region vertreten war. Mit dem Wechsel erreicht Vogt nun auf einen Schlag ein deutlich größeres Publikum. Einige seiner Zuschauer kritisieren den Schritt, doch er lässt sich nicht beirren.
Adrian Vogt
...wurde in Baselland geboren und ist mit seiner Online-Persönlichkeit „Aditotoro“ eines der bekanntesten Social-Media-Gesichter der Schweiz. Auf Tiktok folgen ihm 1,8 Millionen Menschen.
Die Pandemie verschaffte ihm einen Boost: 2020 erreichte Vogt mit einem Video 800.000 Aufrufe. In dem vier Stunden langen Clip liest er alle Dörfer in Deutschland vor. Teil einer erfolgreichen Strategie? Eher nicht. Vogt ist nicht der Typ, der zu viel analysiert. Er überprüft weder seine Analytics bei Youtube noch ist er von der Anzahl seiner Follower besessen. Sein Erfolgsrezept ist seine Beständigkeit. Auf seiner To-do-Liste stehen Dinge wie „Zimmer aufräumen“, „Mails beantworten“ und „Mindestens zwei Tiktok-Videos drehen“. „Ich habe eine hohe Selbstdisziplin. Das ist sehr wichtig für meinen Erfolg“, sagt Vogt, wobei er beim Wort „Erfolg“ mit den Händen Anführungszeichen zeigt. „Der schwierigste Teil für mich ist nicht der physische Aufwand, ein Video zu filmen, sondern permanent daran denken zu müssen.“ Um einem Burnout vorzubeugen, geht Vogt skaten, Ski fahren – oder springt auf seinem Trampolin herum.
Was er sich für das kommende Jahr vorgenommen hat, ist schwer zu sagen – Vogt plant nur von Woche zu Woche. Er hofft aber, mehr Zeit für seine wahre Leidenschaft zu haben: Youtube-Videos. Wir fragen ihn, ob er damit zufrieden ist, wo er jetzt steht. „Das Einzige, wo ich sagen würde, dass ich es wirklich geschafft habe, ist, Youtube-Videos auf Schweizerdeutsch zu machen.“
Text: Olivia Chang
Fotos: Claudia Link
Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 10–21 zum Thema „30 Under 30“.