Steinway & Sons x Forbes Auf Flügeln durch die Musikgeschichte

Am 7. März (und damit rechtzeitig zum Weltfrauentag am Tag darauf) erscheint Mitra Kottes Debütalbum. Die junge Pianistin spielt darin Stücke von Komponistinnen, die lange Zeit übersehen wurden – nicht, weil ihre Kompositionen schlecht waren, sondern weil sie Frauen waren, sagt Kotte im Gespräch mit Forbes.

Es ist ein wirklich schöner Flügel, der da im ­Wiener Salon von Forbes am Getreidemarkt steht. Der schwarze Lack glänzt und spiegelt, die Verzierungen aus Gold ziehen das Auge an – etwa zum Notenpult, auf dem die Silhouette der Festung Hohensalzburg vor Bergen steht, ­deren Isohypsen mit Gold gezeichnet sind. Der Flügel war ursprünglich den Salzburger Festspielen ge­widmet, einem wichtigen (wenn nicht dem wich­tigsten) Festival der klassischen Musik.

Heute spielt eine junge Pianistin auf dem Instrument. Mitra Kotte hat mit vier Jahren begonnen, Klavier zu spielen – 2023 hat sie zum ersten Mal im großen Saal des Wiener Musikvereins gespielt. Schon ­davor hat die gebürtige Wienerin zahlreiche Musikwettbewerbe gewonnen. Jetzt bringt die 29-Jährige ihr Debütalbum heraus, in dem sie sich einer größtenteils überhörten Gruppe an Komponisten widmet: Frauen.

„Eigentlich hätte es ja Geige werden sollen“, erzählt Kotte über den Anfang ihrer Karriere. Ihre Geigenlehrerin fand Kotte aber noch zu jung, um das kleinere Instrument zu lernen – also solle sie mal mit Klavierunterricht beginnen und nach ein oder zwei Jahren auf die Geige wechseln. „Dann bin ich aber picken geblieben“, so Kotte. „Ich bin sehr dankbar dafür.“

Sie habe nie Druck von ihren Eltern verspürt – Kottes Mutter ist Klavierlehrerin –, eine musikalische Karriere zu verfolgen. Es ist trotzdem so gekommen, auch wenn ihr Vater sich „erst daran gewöhnen musste, dass den ganzen Tag Klavier gespielt wird“. Mit acht Jahren besuchte Kotte bereits einen Hochbegabtenkurs an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Im Gegensatz zu manchen anderen Künstlern wollte sie aber trotzdem die Matura abschließen. „Weil ich gute Noten hatte, hat mir die Direktion erlaubt, ein Jahr zu überspringen. So konnte ich schon mit 17 mit dem Musikstudium anfangen“, erzählt die Pianistin. In ihrem Studium besonders geprägt habe Kotte ein Auslandsjahr an der Korea National University of Arts in Seoul, die zahlreiche erfolgreiche Musiker hervorgebracht hat. Kotte: „Das war eine große Bereicherung. Dort haben die Menschen einen anderen Zugang zum Lernen und Spielen von Musik.“

Die Künstlerin schloss ihr Studium im ­Januar 2020 ab – pünktlich zum Beginn der ­Coronapandemie, die es Musikern überall schwer gemacht hat, aufzutreten. „Das hat meinen Start sehr gebremst. Es war eine schwierige Zeit – für alle Künstler“, erinnert sich Kotte. Sie beschloss, die Lockdowns so gut wie möglich zu nutzen, und hängte ein zweites Masterstudium, in Kammermusik, an.

„Frauen waren immer Teil der Musikgeschichte. Aber sie müssen auch heute inkludiert werden, damit sie nicht in Vergessenheit geraten.“

Mitra Kotte

Schon während ihrer Studien nahm Kotte an zahlreichen Musikwettbewerben teil. Sie sagt: „Man muss sich so früh wie möglich ein Netzwerk aufbauen, um später Konzerte spielen zu können. Nur im Kämmerlein zu üben und sich darauf zu verlassen, entdeckt zu werden – das ist zu wenig.“ Mittlerweile spielt Kotte ­„regelmäßig“ auf Ö1, dem Kultursender des Österreichischen Rundfunks. Das persönliche Highlight ihrer ­bisherigen Karriere sei ihr Auftritt im Wiener Musikverein gewesen – schließlich ist der Saal,
in Kottes Worten, „weltberühmt in Wien“.

Tatsächlich versucht die Pianistin aber, aus dem österreichischen Markt auszubrechen und es auf internationale Bühnen zu schaffen – ein Grund, warum sie ihr Debütalbum mit dem deutschen Label Genuin herausbringt. „Herstory“ ­erscheint am 7. März, einen Tag vor dem Internationalen Frauentag. Auf der Platte spielt Kotte ausschließlich Stücke von bislang recht unbekannten Komponistinnen. „Die Werke waren Teil eines Konzertprogramms, das ich für das Brucknerfest in Linz zusammengestellt habe“, so Kotte.

Das Thema des Festivals war in dem Jahr „Frauen in der Musik“ und die Veranstalter wünschten sich von Kotte eine entsprechende Auswahl an Stücken – „aber nicht Clara Schumann oder Fanny Hensel“, so Kotte, „sondern wirklich unbekannte Komponistinnen. Ich hatte zu dem Zeitpunkt noch nie ein solistisches Stück von einer Frau gespielt.“ Kotte machte sich an die Recherche. Es gab kaum gute Aufnahmen, die den Kriterien entsprachen, erzählt sie, weil dieses Feld noch fast unberührt war. Stattdessen musste sich die Künstlerin durch zahllose Partituren wühlen. Die Veranstalter seien begeistert von Kottes Funden gewesen, und sie war es auch – so begeistert, dass sie ein Album mit den Stücken aufgenommen hat. Kotte: „Frauen waren immer Teil der Musikgeschichte. Aber sie müssen auch heute inkludiert werden, damit sie nicht in Vergessenheit geraten.“

Wie in jeder Industrie war es für Komponistinnen und Pianistinnen früher deutlich schwieriger, ihr Brot mit dem Handwerk zu verdienen, als für ihre männlichen Kollegen. „Der Zugang zu einem passenden Studium war schwieriger. Aber vor allem war es eine Herausforderung, ernst genommen zu werden“, so Kotte. Und selbst Künstlerinnen, die zu ihrer Zeit berühmt waren, haben von der Geschichte relativ wenig Aufmerksamkeit bekommen, besonders im Vergleich zu ihren männlichen Zeitgenossen. Kotte zieht Clara und Robert Schumann als Beispiel heran: „Clara Schumann war eine wirklich berühmte Pianistin, viel berühmter als ihr Mann. Nach einem Konzert von ihr ist angeblich ein Gast hinter die Bühne getreten und hat Robert Schumann gefragt: ‚Na, sind Sie auch Musiker?‘“ Heute kennen viele Menschen nur Robert Schumann. Das hängt auch damit zusammen, dass er deutlich mehr Stücke komponiert hat als seine Frau (sie war primär Pianistin), aber der Unterschied ist groß: Eine Google-Suche nach Robert Schumann liefert fast dreimal so viele Ergebnisse wie eine nach Clara Schumann.

Wie in der Literatur haben einige Frauen ihre Werke deshalb oft unter männlichen Pseudo­nymen oder den Namen männlicher Komponisten veröffentlicht. Bei manchen von Robert Schumanns Werken ist es etwa laut Kotte nicht klar, ob sie von ihm stammen oder von seiner Frau. Im 20. Jahrhundert sind weibliche Komponistinnen ein Stück ins Rampenlicht getreten, erzählt Kotte: „Da sind sie wirklich Teil der Entwicklung (der Musik; Anm.) gewesen. Davor haben sie immer auf Sicherheit komponiert, also in einem Stil, der schon existiert hat. Später haben sie den Stil der Zeit mitgeprägt.“

Das sei auch der Grund dafür, dass Kotte ­Stücke von Künstlerinnen wie Louise Farrenc, Marie Jaëll oder Cécile Chaminade aufgenommen hat, statt sich den (großen) Klassikern zu widmen. „Es war ein Herzensprojekt und eine Art Visitenkarte für mich“, sagt sie. „Reich wird man vom CD-Verkauf nicht.“

Generell ist es nicht leicht, mit klassischer Musik Geld zu verdienen. Kotte merkt, dass es für Künstler wichtiger wird, sich auch in den sozialen Netzwerken zu präsentieren. Veranstalter schauen auf die Instagram-Seiten von Musikern wie Kotte, sagt sie, und kommen mit Anfragen auf sie zu. Auf Streamingplattformen wie Spotify präsent zu sein sei ebenfalls wichtig. Zumindest Kotte macht all das aber nur, um Aufmerksamkeit zu generieren: „In meinem Fall ist das Live-Geschäft das Wichtige – Gagen von Konzerten“, sagt sie.

Ebenfalls Werbung ist der Album-­Trailer, den Kotte nach unserem Gespräch am ­Flügel dreht. „Der kommt überall hin: auf Spotify, Youtube, Instagram“, so die Pianistin nicht ohne Stolz. In einem gefilmten Interview erklärt sie, warum sie das Album aufgenommen hat und was sie damit erreichen will. Vor laufenden ­Kameras spielt sie auch Ausschnitte aus den ­Stücken, die auf dem Album sind. Als wir sie fragen, ob es ­einen Unterschied macht, auf einem Steinway oder einem billigeren Klavier zu spielen, sagt Kotte: „Wenn ich an einem Wettbewerb ­teilnehme und den Raum betrete, dann bin ich beruhigt, wenn dort ein Steinway steht.“

Mitra Kotte studierte Klavier und Kammermusik an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Mit dem Klavierunterricht begann sie bereits im Alter von vier Jahren. Am 7. März erscheint ihr Debütalbum „Herstory“.

Fotos: Gianmaria Gava

Erik Fleischmann,
Redakteur

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