Stehaufmännchen der Spielebranche

FAO Schwarz schmückt sich mit dem Titel „ältester Spielzeugladen der USA“. In seiner mehr als 150-jährigen Geschichte hat das Unternehmen viele Höhen und Tiefen erlebt. Am Rockefeller Center erweckt der neue Shop die alte Marke zum Leben – mit altbekannten Methoden.

Es ist der wohl ikonischste Ort Manhattans: Nur wenige Schritte von der Eislaufbahn am Rockefeller Center entfernt und mit Blick auf die festlich geschmückte Fassade des Traditionskaufhauses Saks Fifth Avenue steht eine rot uni­formierte Soldatin vor einem Geschäft mit goldenen Türen. Sie ist hier, um die Kunden von FAO Schwarz, Manhattans ältestem Spielzeug­laden, ehrenvoll zu be­grüßen.

Überquellende Regale, Glitzer, Farben, Geräusche und blinkende Lichter kreieren im Laden eine Atmosphäre, die an Willy Wonkas Schokoladenfabrik erinnert. An jeder Ecke gibt es etwas zu sehen, zu entdecken, zu hören, zu staunen. Man könnte einen ganzen Tag in diesem Shop verbringen – FAO Schwarz ist ein Kinderparadies.

Geschäftsleiter Doran ­Finneran führt durch die Gänge des Ladens. Er hält ein Klemmbrett in der Hand, da­rauf liegt eine gelbe Plüsch­ananas. „Ich habe einem Kollegen eine Ananas geschuldet“, sagt er ohne weitere Erklärung. Offenbar wird im Sinne des Unternehmens auch in der Führungsetage gespielt.

Das lange, schmale Geschäft hat zwei Etagen und ist in verschiedene Themenbereiche aufgeteilt. Da gibt es Berge an Kuscheltieren und Spielsets, Rennautos, eine Süßig­keiten-Auslage, einen knallpinken Barbie-Shop, ein „Adoptionscenter für Babypuppen“ und einen Zoo voller Schleich-Tiere, Kinderbücher und Spielzeugmodelle der New Yorker Polizei, U-Bahn, Feuerwehr sowie der Müllabfuhr. Es gibt aber auch teure Sammlerstücke, zum Beispiel einen mit Swarovski-Kristallen besetzten Nussknacker für rund 5.600 US-$. Die Produkte bei FAO Schwarz sprechen längst nicht mehr nur Kinder an.

Vor allem aber ist das Geschäft am Rockefeller Center ein Shop zum Ausprobieren. „Rund die Hälfte unseres Business kommt von den Präsentationen und Erlebnissen“, erklärt Finneran. In fast jeder Abteilung gibt es einen Tresen, der Kunden ein besonderes Shopping-Erlebnis anbietet und schließlich ein individuelles Produkt, das es nur dort zu kaufen gibt.

So kostet eine Barbie mit personalisiertem Kleiderschrank und professionellem Styling durch das Personal vor Ort 75 US-$. Der Adoptionsprozess einer Babypuppe, inklusive Interview mit einem Adoptionsagenten, ist für 130 US-$ buchbar. Im Jellycat Diner können Kunden ihre Lieblingsspeisen in Kuscheltierform kaufen und in der Take-out-Box verpackt mit nach Hause nehmen; im Erdgeschoß können sich Besucher ihren personalisierten Knet-Slime zusammenmixen lassen. Während einer Vor­führung lässt FAO Schwarz auch mal ein Spielzeugflugzeug durch das Ge­schäft fliegen.

Den Wunsch nach besonderen Erlebnissen im Einzelhandel haben viele Unternehmen insbesondere mit dem Aufkommen des E-Commerce erkannt. Bei FAO Schwarz sei das aber schon viel länger Tradition, ­erklärt David Niggli, der heute Chief Merchandising Officer bei FAO Schwarz ist und bereits seit rund 30 Jahren im Unternehmen arbeitet. Niggli hat in dieser Zeit viele Höhen und Tiefen erlebt.

Im Jahr 2003 erklärte FAO Schwarz die Insolvenz. Die einstige New Yorker Präsenz auf der Fifth Avenue in Midtown Manhattan, die FAO auf mehreren Stockwerken beherbergte, musste im Zuge der Schieflage zunächst temporär schließen. Etwas später über­nahm Toys “R” Us das strauchelnde Unternehmen – und schloss den Fifth-Avenue-Laden 2015 endgültig; ein einschneidender Verlust für viele New Yorker, die Kindheits­erinnerungen mit FAO verbanden.

Ein Jahr später kaufte die Three Sixty Group die Traditionsmarke, zu jener Zeit ohne ein Geschäft in New York. Die Three Sixty Group schaute dabei eher auf die Spielzeugmarke, unter der FAO Schwarz selbst Produkte herstellt – eine Rückkehr zum Einzelhandel war zu jenem Zeitpunkt kein Thema, erklärt Niggli.

Dann kam das Rockefeller Center selbst auf die Traditions­marke zu und bot eine vakante Fläche an der ikonischen Adresse an. Seit Herbst 2018 begrüßt FAO Schwarz somit wieder Kunden in New York und ist seitdem zu einem globalen Konzern geworden, mit Geschäften in Chicago, Peking, London und Dublin. In den USA vertreibt FAO Schwarz seine Produkte zudem in Partnerschaft mit Target.

„Rund die Hälfte unseres Business kommt von den Präsentationen und Erlebnissen“, erklärt Geschäftsleiter Doran Finneran.

FAO Schwarz ist historisch verschwiegen, wenn es um Geschäftszahlen geht. Auch bei den Übernahmedeals durch Toys “R” Us und die Three Sixty Group wurden keine Kaufpreise mitgeteilt. Trotz wirtschaftlicher ­Schwierigkeiten blieb FAO Schwarz aber stets ein ikonischer Name und Bestandteil der Popkultur: Das überlebensgroße Klavier zum Drauftreten wurde vor allem durch den Film „Big“ mit Tom Hanks berühmt und kann noch heute im Shop ausprobiert werden; der Spielzeug­laden „Duncan’s Toy Chest“ aus „Kevin – Allein in New York“ basiert auf der alten Fifth-Avenue-Location von FAO Schwarz.

Niggli bezeichnet den Shop am Rockefeller Center vor allem als „Marketingvehikel“ – in Nachbarschaft von New Yorks berühmtes­ten Touristenmagneten könnten Kunden sehen, „wie FAO Schwarz zum Leben erweckt wird“, sagt Niggli. Das habe schließlich auch zum internationalen Wachstum beigetragen.

Auffällig ist auch die Auswahl der Produkte im Shop: Zum Teil sind das altbekannte Marken wie zum Beispiel Barbie. Der Fokus liegt vor allem auf Produkten, die man sonst nicht so einfach kaufen kann, erklärt Finneran. Niggli beschreibt eine „Fünfzig-fünfzig-Mischung“, wenn es darum geht, Produkte für den Shop auszuwählen: 50 % des Angebots sind klassische Waren, die nostalgische Gefühle auslösen – wie zum Beispiel ein Teddybären-­Modell, mit dem ein Kunde vielleicht vor vielen Jahren aufgewachsen ist. „Bei den anderen 50 % ging es schon immer um die Frage: Was ist neu, was ist anders?“, so Niggli.

So sind es offenbar die alt­bekannten Qualitäten und Stra­tegien der Marke, die bei der Wiederbelebung den Ausschlag gegeben haben. 2023 sei das bisher beste Jahr für den Shop am Rockefeller Center ­gewesen; an einem Samstag in der Weihnachtszeit kommen bis zu 20.000 Besucher, sagt Niggli. Das liege auch an Veränderungen in der Nachbarschaft: Die Gegend rund um das Rockefeller Center werde immer mehr zu einer Nachbarschaft nicht nur für Touristen, sondern auch für New Yorker selbst, erklärt Niggli.

Rezessionssorgen plagen das Unternehmen bisher nicht. Auch wenn viele andere Einzelhändler ­aktuell kämpfen und mit Sorge auf die kommenden Jahre blicken, gibt sich FAO Schwarz mit seinem Konzept sehr selbstbewusst. „Das Letzte, bei dem die Leute Kompromisse ein­gehen wollen, sind ihre Kinder!“, betont Finneran.

Frederick August Otto (FAO) Schwarz kam als deutscher Einwanderer in die USA und eröffnete 1862 unter dem Namen Toy Bazaar seinen ersten Spielzeugladen in Baltimore. Acht Jahre später folgte das erste New Yorker Geschäft. 1896 bewarb FAO Schwarz seinen Laden als das „originale Hauptquartier von Santa Claus in New York“.

Text: Sarah Sendner
Foto: Sasha Charoensub

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