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Annette Mann ist seit einem Jahr CEO von Austrian Airlines. Nach einer Zeit der Krise will sie die AUA zurück auf Flughöhe bringen – mit hohen Preisen, Nachhaltigkeit und neuen Flugzeugen. Ist sie die Richtige, um die rot-weiße Airline zurück zum Erfolg zu führen?
Der Fotograf bittet Annette Mann, zu posieren. Mann macht einen großen Bogen um das Modellflugzeug einer Maschine von Austrian Airlines, vor dem die CEOS der Airline in der Vergangenheit oft abgelichtet wurde, und winkt ab – dann eben unter dem roten Austrian-Airlines-Logo an der Wand des Konferenzraums im Office Park 2. Hier sitzt der österreichische Netzwerkcarrier, und mit ihm auch die Unternehmensspitze rund um CEO Annette Mann.
Mann ist die erste Frau in dieser Rolle, und während ihr Vorgänger Alexis von Hoensbroech sich regelmäßig vor Maschinen, Triebwerken und im Cockpit hat ablichten lassen, hält seine Nachfolgerin es eher schlicht, fast kühl. Eisblondes Haar, dahinter die weiße Wand, ein minimales Lächeln – Mann wirkt tough, fast unnahbar. Das muss sie vielleicht auch sein, denn ihr steht eine schwierige Aufgabe bevor: Nach den Covid-Krisenjahren geht es mit der Flugbranche zwar wieder aufwärts, doch die AUA, die zu 100 % im Eigentum der deutschen Lufthansa steht, kämpft mit der eigenen Positionierung. Zu teuer für einen Low-Cost-Carrier, zu wenig komfortabel für eine Premium-Airline; zudem sagen Branchenkenner, Mann habe nicht genug Erfahrung, um die Airline mit Sitz in Wien zu führen. An der Spitze gelandet ist sie nach vielen Jahren bei der Konzernmutter, eingesetzt und protegiert von ihrer Chefin bei der Lufthansa, Vorständin Christina Foerster.
Mann ist seit ziemlich genau einem Jahr an der Spitze von Austrian Airlines. Sie folgte auf von Hoensbroech, der im Februar 2022 zur kanadischen Billig-Airline Westjet gewechselt war. Die Deutsche hat nur lobende Worte für ihren Vorgänger: Er habe einen hervorragenden Job gemacht. „Ich bin sehr, sehr dankbar für das, was Alexis hinterlassen hat“, so die Managerin. Das ist durchaus optimistisch formuliert, denn nach einer nie da gewesenen Krise stand das Unternehmen zwischenzeitlich vor dem Aus. 2020 betrug der Konzernverlust 309 Mio. €, im Jahr 2021 waren es 261 Mio. € Minus. Auch das erste Halbjahr 2022 war tiefrot, doch die Flugbranche erholte sich letztes Jahr rascher, als viele erwartet hatten.
Mann hat den Posten übernommen, als das Schlimmste quasi schon überstanden war. Einfach sei es trotzdem nicht gewesen, sagt sie: „Die ersten Wochen waren enorm herausfordernd.“ Die anhaltende Pandemie, der Ukrainekrieg, steigende Kerosinpreise – „das war eine Zeit einer ganz großen Unsicherheit“, so Mann.
Die Anspannung scheint sich gelegt zu haben. In den Medien glänzen Lufthansa und AUA erstmals seit Langem mit Rekordergebnissen, Lufthansa-CEO Carsten Spohr sagt: „Die Lufthansa ist zurück.“ Im Portfolio der Gruppe glänzt die AUA besonders hell – sie konnte den Staatskredit von 300 Mio. € dank guter Ergebnisse bereits im Herbst 2022 vorzeitig zurückzahlen. Im Interview im Hauptquartier der Fluglinie am Schwechater Flughafen wirkt auch Annette Mann tiefenentspannt; sie trinkt eine Tasse Tee.
Aber ist sie die Richtige für den Job? In Insiderkreisen heißt es, sie sei nicht stark und durchsetzungsfähig genug. Erfahrung aber hat sie, das zeigt ihre Vita: Seit knapp 20 Jahren ist Mann in der Luftfahrtbranche tätig, zuletzt war sie in ihrer Funktion für die verschiedenen Nachhaltigkeitsprogramme der Lufthansa-Gruppe zuständig. In Zürich war sie zuvor für das Produktmanagement der Lufthansa-Tochter Swiss verantwortlich.
Manns erster Erfolg bei der AUA: eine schwarze Null. Austrian Airlines beendete das vergangene Geschäftsjahr erstmals seit 2019 und nach zwei tiefroten Geschäftsjahren mit einem positiven Ergebnis von drei Mio. €. Mann selbst nennt die Ergebnisse „überraschend“ gut. Doch paradoxerweise bringt der Erfolg eine Herausforderung mit sich: Das Personal hat lange zurückgesteckt, Kurzarbeit und Lohnkürzungen in Kauf genommen – es will endlich etwas von dem „Rekordergebnis“ abhaben. „Von einer schwarzen Null etwas abhaben? Wie soll das gehen?“, fragt Mann. Sie hält die Füße still, während die anderen stampfen. Ihre Strategie scheint zu sein, möglichst wenig Reibung zu erzeugen: Man würde jederzeit an den Verhandlungstisch zurückkehren.
Mann rechtfertigt sich nicht dafür, dass der österreichische Steuerzahler einen eingedeutschten Konzern gerettet hat. „Jetzt, glaube ich, sind alle froh, dass es die Austrian noch gibt“, sagt sie. Das sieht Gerald Wissel anders – der deutsche Luftfahrtexperte war damals als Berater der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG) bei den Verhandlungen um das Rettungspaket dabei. Wissel sagt, es sei die Regierung in Wien gewesen, die sich freute, und dass die Rettung in erster Linie Wien und dem Einzugsgebiet von Wien zugutegekommen sei, aufgrund der Aufrechterhaltung von Langstreckenflügen. „Die Rettung war politisch und symbolisch, nicht wirtschaftlich motiviert“, sagt Wissel.
Denn Pandemie hin oder her, die AUA stand 2020 nicht das erste Mal kurz vor dem Absturz. 2008 hatte die Lufthansa die damals verlustreiche Fluglinie übernommen, 166 Mio. € wurden an die freien Aktionäre bezahlt. Auch 2019 kriselte es: Der Umsatz der Fluggesellschaft sank in den ersten drei Quartalen um 2 % – deutliche Spuren des Preiskampfs in Wien. So geschwächt ging es in die Pandemie hinein.
Stellt sich also die Frage, ob eine Insolvenz das Schlechteste gewesen wäre. Es hätte zu einer Restrukturierung kommen können, die schon so manchen Konzern nicht nur wiederbelebt, sondern auch wieder wettbewerbsfähig gemacht hat. Mann aber sagt, eine Insolvenz hätte bedeutet, dass Austrian nicht mehr Teil der Lufthansa Group hätte sein können, es die AUA nicht weiter gegeben hätte und eine Netzwerk-Airline hier in Österreich wahrscheinlich in dieser Form nicht wieder aufgebaut worden wäre: „Österreich wollte ihre Netzwerk-Airline nicht verlieren. Das ist gelungen.“
Im Gespräch ist sie bescheiden und realistisch. Während die offizielle Pressemitteilung statuiert, man habe im dritten Quartal ein Rekordergebnis erzielt, geht sie damit sehr unaufgeregt um: „Es war ein unerwartet gutes Ergebnis letztes Jahr. Nichtsdestotrotz ist eine schwarze Null natürlich noch nicht ausreichend“, so Mann.
Ist das genug Wind unter den Flügeln der AUA? Es wirkt ein bisschen resigniert, angesichts der Tatsache, was auf die AUA zukommt. „Frau Mann steht sicher nicht an einem einfachen Punkt – und die AUA braucht nun eine klare Strategie“, sagt Luftfahrtexperte Wissel. Auch, dass Osteuropa durch den anhaltenden Ukrainekrieg weiter wegbreche, sei ein Problem. Die Notwendigkeit, das Drehkreuz Wien zu halten, besteht sowieso schon lange nicht mehr: Als es 2020 danach aussah, als gäbe es keinen Ausweg für die AUA, standen zum einen Etihad Airways, zum anderen der britisch-spanische Luftfahrtkonzern IAG sofort bereit, als Alternative zu Austrian Airlines den Flughafen Wien als Drehkreuz mit Fliegern und Verbindungen zu versorgen. Vor allem die schwer zu bekommenden Slots hätten die Flugriesen sicher interessiert.
Auch Mann erkennt an: „Österreich und Wien sind einfach ein schwieriger Markt, ein relativ kleiner Markt.“ Austrian Airlines ist umzingelt von Billigfliegern wie Wizz Air oder Eurowings und Ryanair. Dazu präsentiert Mann so etwas wie eine Strategie: Es komme darauf an, sich im Service und im Flugerlebnis von der günstigen Konkurrenz abzuheben. „Wir verstehen uns sehr stark als Gastgeber, und diese Rolle wollen wir weiter stärken.“ In ihrer Laufbahn habe sie sehr viel im Kundenbereich gearbeitet, und: „Was ist Kunden wichtig? Das sind oft Geschichten, die eine zwischenmenschliche Komponente haben, zum Beispiel, wenn jemand an Bord Geburtstag hat.“ Um sich in Sachen Komfort von der günstigeren Konkurrenz abzuheben, soll weiter „massiv in die Flotte investiert“ werden. „Es ist auch kein Geheimnis, dass wir relativ alte Flugzeuge haben, die zum Tausch gegen neue anstehen“, so Mann. Die AUA will auch das in der Pandemie stark eingeschränkte Essen und Trinken ausbauen: „Aufgrund unserer starken Gastgeberrolle werden wir auch hier weiter in den Komfort an Bord investieren.“ Aber Luft nach oben gebe es immer.
Ein weiteres Steckenpferd von Mann ist die Nachhaltigkeit. Hier will sie „echte Ergebnisse“ erzielen: „Mir ist es ganz, ganz wichtig, dass wir nicht einfach nur Nettoziele zur Emissionsreduktion haben, sondern dass wir uns wissenschaftliche Ziele zugrunde gelegt haben.“ Das heißt: Es gehe der AUA um echte Reduktion und nicht einfach nur um Kompensation über Zertifikate. Erreichen will Mann das, indem die AUA die Kollaboration mit der Bahn ausbaut, um attraktive Alternativen zu Kurzstreckenflüge zu bieten. Aber Mann will auch bei der AUA direkt ran. „Wir können neuere Flugzeuge fliegen, die weniger Sprit verbrauchen, wir können aber auch direktere Wege fliegen und uns dafür politisch einsetzen. Europäische Airlines verschwenden wahrscheinlich immer noch rund 10 % Sprit dadurch, dass man als Airline viele Umwege fliegen muss“, schätzt Mann. „Das größte und wichtigste Thema, und das ist sehr stark mein Steckenpferd, weil ich das auch in meiner letzten Rolle mit aufgebaut habe, sind nachhaltige Kraftstoffe.“ Andere Alternativen seien einfach noch nicht so weit, zum Beispiel Batterie-Flugzeuge oder Wasserstoff, das sei beides noch zu weit in der Zukunft. Mann weiter: „Nachhaltige Kraftstoffe sind aber sehr teuer. Das heißt, wir müssen einfach als Airline schauen, wie wir es schaffen, das zu finanzieren, über gezielte Investitionen. Auch den Kunden müssen wir mitnehmen – denn Fliegen kostet Geld“. Da versuche man, neue Konzepte zu entwickeln und auch viel zu kommunizieren. „Es steht ein großes Investitionsprogramm bei der Austrian an“, kündigt Mann an.
Finanzieren will das Unternehmen das vor allem mit gestiegenen Erlösen. Annette Mann kündigt steigende Preise an, ganz auf Linie mit ihrem Chef Carsten Spohr. Die Ticketpreise auf der Kurzstrecke könnten um ein paar Euro, auf der Langstrecke um 50 oder auch 100 Euro steigen. Den Steuerzahler in Österreich mit höheren Preisen zu belasten, nachdem er die AUA ohne jegliche Staatsbeteiligung aus der finanziellen Misere befreit hat, stößt auf Kritik. Mann rechtfertigt die Preiserhöhungen mit den steigenden Kerosinpreisen. Dazu sagte Austrian-Airlines-CCO Michael Trestl letztes Jahr: „Die Preise werden am Markt gemacht“, man könne nicht jede Mehrbelastung an die Passagiere weitergeben. Aber Mann bleibt cool und sagt, der Verbraucher habe sich bis 2019 an unrealistisch niedrige Ticketpreise gewöhnt. „Am Ende sind wir ein Wirtschaftsbetrieb, der Profit erzielen muss – und ich glaube, dass sich alle eine erfolgreiche AUA wünschen.“ Vor allem eine, die keine Steuergelder mehr zum Überleben braucht, wäre in Österreich jedenfalls sicherlich sehr gerne gesehen.
Annette Mann wurde am 31. Dezember 1977 in Bayern geboren. Seit 1. März 2022 ist Annette Mann als Vorstandsvorsitzende von Austrian Airlines tätig. Zuletzt verantwortete sie den Bereich Corporate Responsibility der Lufthansa. Ihr Steckenpferd ist sind die Nachhaltigkeitsprogramme.
Text: Sophie Schimansky
Fotos: Philipp Horak