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Angst vor dem Ende des Verbrennungsmotors? Bei der BMW-Motorenchefin Ilka Horstmeier ist davon keine Spur.
Freundlich lächelnd begrüßt uns Ilka Horstmeier in ihrem Büro in München. Die groß gewachsene Deutsche ist energetisch und spricht auffallend überlegt: Ihre Antworten werden nur selten von den sonst oft gehörten „Ähms“ unterbrochen, sind schlüssig und gut formuliert. Als Bereichsleiterin der Produktion von Motoren und elektrischen Antriebssystemen bei BMW steht die 48-Jährige rund 6.000 Mitarbeitern weltweit vor. Horstmeiers Team ist auf vier Produktionswerke verteilt: München in Deutschland, Steyr in Österreich, Hams Hall in Großbritannien sowie Shanghai in China.
Dabei passt Horstmeiers Art eigentlich so gar nicht zum derzeitigen Stimmungsbild, das in der deutschen Automobilindustrie herrscht. Denn inmitten von Diesel- und Kartellskandalen und zahlreichen Herausforderungen hinsichtlich elektrischer, selbstfahrender und vernetzter Fahrzeuge hat die Branche schon simplere, gemütlichere Zeiten erlebt. Zudem litt der Ruf der deutschen Autoindustrie heftig unter den Negativschlagzeilen der jüngsten Zeit.
Die BMW-Motorenchefin selbst ist bereits seit 22 Jahren bei BMW, 17 davon in der Produktion. Die Tochter eines Unternehmers – ihr Vater betrieb Kaufhäuser – und Leistungssportlerin (Tennis, Golf, Bergsteigen) dürfte an sich selbst und ihre Mitarbeiter hohe Erwartungen stellen. Horstmeier verfolgt aber sehr wohl auch den Anspruch, ein passendes Umfeld für ihr Team zu schaffen, ebendiese Erwartungen auch erfüllen zu können. Die Frage des Umgangs mit den Mitarbeitern kommt in unserem Gespräch wiederholt vor, Horstmeier scheint das Thema wichtig zu sein. „Ich habe die Finanzkrise in der BMW Group miterlebt und dabei gelernt, dass Führung viel entscheidender ist in Zeiten, in denen es nicht bergauf geht, in denen es schwierig ist.“ Neben Finanzkrise und Kartellskandal hat die gelernte Betriebswirtin auch vieles andere gesehen bei BMW. Dabei passt ihre langjährige Tätigkeit beim bayrischen Autohersteller eigentlich so gar nicht zu ihrem ursprünglichen Berufswunsch Hoteldirektorin. Horstmeier: „Ich hatte schon alle Weichen gestellt und eine fixe Lehrstelle gefunden. Mein Instinkt sagte mir aber, dass das vielleicht doch nicht das Richtige für mich ist.“ Also heuerte Horstmeier nach Abschluss ihres Betriebswirtschaftsstudiums an der Universität des Saarlandes bei BMW an. Ein damals nicht ganz üblicher Schritt, suchte die deutsche Autobranche doch kaum nach Personen mit wirtschaftlichem Background. Dennoch: Horstmeier startete im Personalwesen, wechselte jedoch schon bald in die Produktion. Sie arbeitete dort an einem Projekt, das die Frage beantworten sollte, wie man Mitarbeiter in die Verbesserung des Produktionsprozesses einbinden könnte.
Ilka Horstmeier
Seit 1995 ist Ilka Horstmeier für BMW tätig. Zwei Jahre arbeitete die Betriebswirtin im Personalwesen, bevor sie in die Produktion wechselte. Nach Stationen in Strategieentwicklung und Logistik an den Standorten Dingolfing und Regensburg wechselte Horstmeier 2010 wieder nach München, wo sie seit 2013 Leiterin „Produktion Motoren und elektrische Antriebssysteme“ ist.
Und auch hier sind wir wieder bei der Frage der Einbindung von Mitarbeitern. Das Thema dürfte wahrhaftig in Horstmeiers Kopf verankert sein. Immer wieder erwähnt sie die fünf konzernweiten Grundwerte, die BMW vertritt – oder vertreten will: „Es geht bei uns um fünf Punkte: Verantwortung, Wertschätzung, Transparenz, Vertrauen, Offenheit. Wir brauchen einen gemeinsamen Rahmen, in dem die Mitarbeiter selbstständig entscheiden können. Und nur dann, wenn diese fünf Grundwerte gelebt werden, können wir in unserer komplexen Welt die nötige Geschwindigkeit erreichen.“
Trotz Horstmeiers Überzeugung wirkt es gerade derzeit etwas befremdlich, eine Vertreterin der deutschen Autobranche über Werte wie Transparenz, Verantwortung und Offenheit sprechen zu hören. Denn während der Dieselskandal ein hausgemachtes Problem bei Volkswagen war, war BMW sehr wohl in den Kartellskandal verwickelt – neben Audi, Porsche, VW und Daimler. Dabei wurden geheime Absprachen über Technik, Kosten, Zulieferer sowie die umstrittene Abgasreinigung von Dieselfahrzeugen getätigt. Solche Vorfälle stehen nicht gerade als Positivbeispiele für die Denkweise und Organisationskultur in der deutschen Automobilindustrie.
Doch auch kritische Nachfragen zu den Vorfällen pariert Horstmeier. Auf die Frage, ob solche Ereignisse denn zu einer zusätzlichen Sensibilisierung für die genannten Werte führen, sagt sie: „Ich sehe keine Notwendigkeit, zusätzlich zu sensibilisieren. Ich kenne die BMW Group seit 22 Jahren – diese fünf Werte werden hier schon ganz lange gelebt. Diese Sensibilität hat etwas mit der Unternehmenskultur zu tun – eine Kultur, die jederzeit erlaubt, dass Mitarbeiter mit Vorgesetzten über Themen sprechen können und das auch tun.“ Als Außenstehender über interne Kultur zu urteilen ist klarerweise unmöglich. Doch zumindest so viel lässt sich sagen: Man nimmt Ilka Horstmeier ab, dass zumindest sie selbst nach den von ihr vertretenen Prinzipien handelt.
Ich habe die Finanzkrise bei BMW miterlebt und gelernt, dass Führung viel entscheidender ist in Zeiten, in denen es nicht bergauf geht.
Bevor sie 2013 in ihre jetzige Position aufstieg, führte sie von 2012 bis 2013 die konzernweite Initiative „Zukunftsfähige Beschäftigungsstrukturen“. Dabei versuchte BMW zu identifizieren, welche Produktionsumfänge heute und in Zukunft einen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit in Sachen Kosten leisten werden – und welche nicht. Zudem wurde überprüft, wie gut ein Produktionsumfang zur Produktdifferenzierung beiträgt. So will BMW in der Lage sein, stets frühzeitig zu reagieren, wenn interne Transformationsprozesse nötig werden.
Horstmeier gibt ein Beispiel: BMW entschied sich im Rahmen der Initiative, in den Bereich Elektrokomponenten für das Modell i3 einzusteigen. Dies Produkte dieses „Zukunftsfelds“ sollte am Standort in Landshut gefertigt werden. Dort war zu dieser Zeit nämlich ein Produktionsumfang beheimatet, der laut Horstmeier als „nicht mehr ganz so zukunftsfähig“ beurteilt wurde (die Wiederaufbereitung und Instandsetzung von Kernteilen für die Ersatzmotorenfertigung, Anm.). Die Mitarbeiter wurden also für die Elektromotorenfertigung umgeschult und eingesetzt, die Tätigkeit an den Ersatzmotoren „an den Markt ausgelagert“. Horstmeier: „Heute kommt ein Drittel der Mitarbeiter in der Elektromobilität aus Bereichen, die wir damals als nicht mehr wettbewerbsfähig identifizierten.“
Die Meinung, dass der Verbrennungsmotor selbst ein solches Feld ist, das nicht mehr zukunftsfähig ist, teilt Horstmeier übrigens wenig überraschend nicht. Daran ändern auch die Ankündigungen von Staaten wie Frankreich, Großbritannien, Indien, den Niederlanden oder Norwegen, wonach der Verkauf von benzin- und dieselbetriebenen Autos bis 2025 oder 2030 verboten werden soll, nichts. Bis 2025 würde der Anteil an Hybrid- und Elektroantrieben zwar zunehmen, jedoch bei BMW nicht mehr als 15 bis 25 Prozent im Portfolio ausmachen. Horstmeier: „Wir müssen auf das Thema erstens eine globalere Perspektive werfen, wir sehen das oft aus einer sehr deutschen oder europäischen Sicht. Wir haben weltweit unterschiedliche Märkte und unterschiedliche Kunden. Für uns steht die Freude am Fahren im Vordergrund, und die geht von einem 12-Zylinder-Motor in einem Rolls-Royce hin zu einem vollelektrischen Antrieb in einem BMW i3. Und dazwischen liegen allerlei Ausprägungen, auch unsere beliebten Hybriden. Ich denke also, dass wir noch lange nicht von einem Ende des Verbrennungsmotors sprechen können. Wir müssen in ihn investieren, genauso wie in die Elektromobilität.“
Die Elektromobilität scheint überhaupt dominierendes Thema für Horstmeier und ihre Mitarbeiter zu sein. Denn andere Fragen, etwa nach dem internen Umgang mit dem Verlust von Jobs durch Automatisierung, sieht Horstmeier recht gelassen: „Wir werden nie eine menschenleere Fabrik sehen. Wir werden Digitalisierung nutzen, wo es sinnvoll ist – etwa im Bereich Effizienz, oder um Komplexität beherrschbar zu machen. Die Digitalisierung kann uns helfen, eine mitarbeitergerechte Produktion zu schaffen. Wir werden auch in 20 Jahren Mitarbeiter haben, denn Produktion wird von Menschen gemacht.“ Auch Verunsicherung bei den Mitarbeitern selbst spürt Horstmeier nicht. „Am Ende des Tages wird die Digitalisierung den Menschen unterstützen. Ich sehe keine Verunsicherung bei den Mitarbeitern, denn sie beteiligen sich jeden Tag an Verbesserungen.“
Doch nicht nur Digitalisierung, auch die Prozessoptimierung will Horstmeier nutzen, um in einem harten Wettbewerb Kosten zu senken. So implementierte BMW ein Baukastensystem für die Produktion, wobei über die verschiedenen Standorte hinweg ein standardisiertes Motorenkonzept eingesetzt wird, bei dem sich nach gleichen Abläufen Drei-, Vier- und Sechszylinder herstellen lassen – egal ob Benziner oder Diesel. Dadurch sei man in der Produktion flexibler und könne besser auf Änderungen der Nachfrage reagieren. Horstmeier beschreibt das System salopp mit „Einmal gedacht, viermal gemacht“. Wie hoch die dadurch erzielten Einsparungen genau sind, lässt sich Horstmeier wiederum nicht entlocken.
Überhaupt treibt Horstmeier die Idee, einzelne Standorte stärker zu verschränken. Das Thema blitzt auch auf, als wir wissen wollen, was sie denn in ihrer Position noch erreichen will. Horstmeier, wieder wie aus einem Guss: „Ich bin mit der Mission angetreten, einen internationalen Antriebs-Produktionsverbund zu formen, der sich aus der Stärke der operativen Exzellenz heraus – jeden Tag ein Stückchen besser – fit für die Zukunft machen kann.“
Dieser Artikel ist in unserer September-Ausgabe 2017 „Women“ erschienen.