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Der Börsengang der beliebten Messaging-App Snapchat geht heute über die Bühne. Angesichts der fehlenden Gewinne und steigenden Konkurrenz durch Instagram..
Der Börsengang der beliebten Messaging-App Snapchat geht heute über die Bühne. Angesichts der fehlenden Gewinne und steigenden Konkurrenz durch Instagram und WhatsApp scheint das enorme Interesse jedoch etwas verwunderlich. Doch wie können Anleger von Börsengängen eigentlich profitieren?
Was die Snapchat-Gründer Evan Spiegel und Bobby Murphy mit den Finanzmärkten in den letzten Jahren gespielt haben, kann man durchaus als „playing hard to get“ bezeichnen. Denn seit Mai 2015, als Spiegel erstmals öffentlich mit einem Börsengang (IPO) liebäugelte, warten interessierte Investoren auf Details. Heute ist es endlich so weit, Snapchats Mutterunternehmen Snap geht an die Börse in New York. Der Ausgabepreis liegt bei 17 US-$, die Platzierung erreicht somit ein Volumen von 3,4 Milliarden US-$. Die Bewertung würde damit auf rund 24 Milliarden US-$ kommen. Zum Vergleich: Die Deutsche Bank wird mit 21 Milliarden US-$ bewertet, die Schweizer Großbank Credit Suisse mit 31 Milliarden US-$.
Dabei haben die Titel jedoch eine – für Anleger mit Nachteilen verbundene – Besonderheit: Um die Kontrolle über ihr eigenes Unternehmen nicht zu verlieren, geben Spiegel und Murphy Aktien ohne Stimmrechte aus. Daher können Anleger lediglich finanziell von einem Aktienkauf profitieren, das Aktionären normalerweise eingeräumte Mitbestimmungsrecht über die Zukunft eines Unternehmens fällt gänzlich weg. Nicht nur deshalb ist das massive Interesse etwas verwunderlich. Es basiert vor allem auf dem Potenzial, das Snapchat zugewiesen wird.
Denn Snapchat hat 160 Millionen vorwiegend (sehr) junge tägliche Nutzer (Daily Active Users). Zudem wuchs der Umsatz 2016 von knapp 60 Millionen US-$ im Jahresvergleich auf rund 350 Millionen US-$ – und damit nahezu um das Sechsfache. 2017 soll die Umsatzmilliarde geknackt werden. Dennoch: Snapchat schreibt weiterhin keine schwarzen Zahlen und die sind derzeit auch nicht absehbar. 515 Millionen US-$ betrug das Minus 2016, im Jahr zuvor waren es 373 Millionen US-$. Zudem hat sich das Nutzerwachstum in den letzten Monaten 2016 (deutlich) verlangsamt. Ob das mit der im August neu vorgestellten Konkurrenzfunktion von Instagram namens „Stories“ zusammenhängt ist unklar, scheint aber wahrscheinlich.
Bald nichts mehr zu lachen? Die Snapchat-Gründer Evan Spiegel (li.) und Bobby Murphy
Und es wartet weitere Konkurrenz: Der Messenger WhatsApp implementierte kürzlich eine überarbeitete „Status“-Funktion, die letztendlich ein Abklatsch von Snapchat ist. Doch WhatsApp zählt im Gegensatz zu Snapchats 160 und Instagrams 150 Millionen Daily Active Users rund 1,2 Milliarden Menschen. Davon nutzen die App etwa 70 Prozent (840 Millionen) täglich. Das ist eine ganz andere Hausnummer; sollte das neue Feature also Anklang finden, könnte Snapchat erheblich unter Druck kommen.
Im Gegensatz zu den den Konkurrenten Instagram und WhatsApp lehnte Snapchat übrigens 2013 ein Übernahmeangebot von Facebook ab. Dass ein so junges Unternehmen sich seine Finanzierung an der Börse holt, ist überhaupt ungewöhnlich. Laut dem Beratungsunternehmen EY sank die Zahl der IPOs im Jahr 2016 weltweit auf 1.055 Deals, ein Minus von 16 Prozent. Vor allem die USA und Europa hatten dabei nicht viel zu lachen: Hier ging die Anzahl der Börsengänge um jeweils 36 Prozent zurück, das Transaktionsvolumen um 37 bzw. fast 50 Prozent. Das hat verschiedene Gründe. Neben Marktunsicherheiten – Brexit, Trump und Spekulationen um Chinas Wachstum – sowie starker M&A-Aktivität spielten hinstlich Tech-Unternehmen und Start-ups vor allem die astronomischen Bewertungen eine entscheidende Rolle. Denn die Unternehmen erhalten von privaten Investoren in Finanzierungsrunden oft ausreichend Kapital, ohne sich zu strengeren Richtlinien – etwa in Bezug auf die Publikation von Informationen – an den Börsen verpflichten zu müssen.
Uber wird vom privaten Markt mit satten 68 Milliarden US-$ bewertet, Airbnb noch immer mit 30 Milliarden US-$. Doch im Gegensatz zu privaten Unternehmen können auch Privatanleger in IPOs profitieren. Dabei sind jedoch ganz spezifische Risiken zu beachten, die sich vom klassischen Aktienkauf unterscheiden. Beispielsweise ist die Datenlage neuer Unternehmen meist deutlich schlechter als bei bereits an der Börse notierten Unternehmen. Denn Letztgenannte müssen sich an strenge Publikationsrichtlinien halten, denen private Unternehmen nicht unterliegen.
Zudem ist es für Privatanleger nahezu unmöglich, eigenständig Aktien von IPOs zu erwerben – insbesondere von lange erwarteten. Da hier vor allem große, institutionelle Investoren die Zielgruppe sind, werden Privatanleger erst zuallerletzt an den Verhandlungstisch gebeten. Doch die Nachfrage ist verständlich. Wer hätte nicht gerne gleich zu Beginn Aktien von Google gekauft, deren Kurs sich seit dem Börsengang 2004 um den Faktor 19 auf über 700 US-$ erhöht haben?
Dass IPOs aber auch gehörig schiefgehen können, hat Facebook 2012 eindrucksvoll vorgemacht: Mit einem Ausgabepreis von optimistischen 30 US-$ gestartet, fiel das Unternehmen in den ersten drei Monaten auf 14 US-$. Doch der Negativtrend war nicht von Dauer: Vier Jahre später notiert die Aktie zuletzt bei 115 US-$ – fast das Vierfache des Ausgabekurses.
Auch der größte Börsegang aller Zeiten, der des chinesischen Handelsriesen Alibaba, musste mit Startschwierigkeiten kämpfen. Der Ausgabepreis von 80 US-$ war vielen Investoren schlicht zu hoch – nach einem Rückschlag auf 60 US-$ notiert der Titel derzeit allerdings bei etwa 89 US-$, ein Plus von elf Prozent. Obwohl auch Investmentbanken, die IPOs begleiten, immer wieder Anteile verkaufen und Unternehmen in Einzelfällen „das System“ zu umgehen und versuchen, ihre Aktien direkt an interessierte Investoren zu bringen, ist die Anlage in Fonds für Privatanleger wohl am sinnvollsten.
Dabei kann man zwischen aktiven und passiven Fonds wählen. Aktiv verwaltete Fonds, also solche, wo ein Fondsmanager entscheidet, haben den Vorteil, dass nicht nur in eine große Bandbreite an IPOs investiert wird, sondern auch ein Analyst Entscheidungen trifft, der sich mit der Materie auskennt. Beispiele sind etwa der Global IPO Fund von Renaissance Capital (ISIN: US7599371058). Zu den größten Holdings zählen die bereits erwähnten Aktien von Alibaba und LINE. Die zusätzliche Expertise kostet aber: 2,5 Prozent Gebühren sind für den Fonds zu entrichten.
Auch passive Fonds (ETFs) bieten die Möglichkeit, am Kuchen mitzunaschen. Dabei bleibt jedoch das Risiko, auch Totalausfälle mittragen zu müssen. ETFs, die IPOs abdecken, sind etwa der Renaissance IPO ETF (ISIN: US7599372049). Der Fonds hat – zumindest momentan – jedoch ein Problem mit seiner Diversifizierung. 14 Prozent des Volumens macht der Titel der US-Bank Citizens Financial Holding aus. Zudem sind 85 Prozent des Fonds in den USA konzentriert. Mit einer Kostenquote von 0,6 Prozent sind Anleger aber günstig dran. Durch die Tatsache, dass die neuen Aktien maximal zwei Jahre gehalten werden, ist der Fonds jedoch eine etwas risikoreichere Wette. Ein zweiter, etwas weniger aggressiver IPO-ETF ist der First Trust U.S. IPO Index ETF (US33734X8535). Im Gegensatz zum Renaissance-Fonds hält er seine Aktien über vier Jahre. Für 0,6 Prozent Gebühren war die Rendite dieses Jahr ansehnlich: Im Dezember 2016 war der Fonds seit Jahresbeginn knapp 15 Prozent im Plus. Doch es ist Vorsicht geboten: Während der Finanzkrise 2008 ging es in kurzer Zeit um satte 44 Prozent nach unten.
Anleger, die von Snapchats IPO profitieren wollen müssen sich angesichts des heute, Donnerstag, stattfindenden Börsengangs jedoch schnell handeln. Dass der IPO-Markt ein neues Aushängeschild bitter nötig hat, scheint klar. Ob Snapchat dieser Star sein kann oder ob sich der Hype – wie ein Snap – nach kurzer Zeit wieder in Luft auflöst, muss sich aber erst zeigen.
Fotocredits Titelbild: Michael Grecco für Forbes USA
Quelle Grafiken: The Motley Fool (Börsengänge), Onvista (Charts), Morningstar (ETF-Tabelle)