Schwer zu bremsen

Ciril Stebler nutzte mit Velocorner.ch den Fahrrad-Boom perfekt. Drei Jahre nach der Gründung verkauften die Gründer die Plattform 2023 an den Schweizer Mobilitätsverein TCS.

Kaum ein Transportmittel hat in den letzten Jahren einen derartigen gesellschaftlichen Aufstieg erlebt wie das E-Bike. Was einst als „Seniorenfahrrad“ verhöhnt wurde, ist nun zum Prestigeobjekt avanciert. Allein in der Schweiz werden jährlich Fahrräder im Wert von über 2 Mrd. CHF. verkauft, rund die Hälfte davon E-Bikes. „Das E-Bike ist das neue Statussymbol der Schweizer. Geld spielt dabei keine Rolle – hierzu­lande gilt ganz klar der Grundsatz: Je teurer, desto besser“, erklärt Ciril ­Stebler, Gründer der Plattform Velocorner.ch. Sein Unternehmen ist der Hauptgrund, wieso jeder dritte Schweizer Rad­fahrer sein Fahrrad mittlerweile online findet. „Wir wollten den Fahrradmarkt modernisieren und in das Zeitalter der Digitalisierung befördern“, sagt Stebler. Fahrradhändler sollten ihr Portfolio online ausstellen und einen größeren Kundenkreis erschließen können. Privatpersonen ist so eine gezieltere Suche möglich, oder auch, ihre eigenen „Velos“ zu veräußern.

Aufgewachsen als Sohn von Unternehmern im zweisprachigen Biel (Bienne) versteigerte Stebler schon als Zwölfjähriger Antiquitäten für seine Nachbarn auf E-Bay. „Für meine Eltern war es damals ein Schock, wie leicht ich im Internet Geld verdienen konnte“, erinnert er sich. Nach dem Abschluss seiner Informatiklehre studierte er Betriebswirtschaft und gründete nebenbei weitere Start-ups, darunter die Öffnungszeiten.ch GmbH (der größte Anbieter für Öffnungszeiten in der Schweiz) sowie Heliot Europe (Europas größtes Internet-of-Things-Netzwerk).

Das gab Stebler das nötige ­Know-how und Kapital, um mit Mario Friedli erneut zu gründen: „Meine Aufgabe bestand darin, die Website und die Plattform zu ent­wickeln, während Mario die hiesigen Fahrradhändler abklapperte und fleißig Mundpropaganda betrieb“, so Stebler. Bereits fünf Monate nach der Gründung konnte er die Aufrufe der Seite verdrei­fachen. Im Jahr 2020 stieg ­Velo­corner.ch im Zuge des pandemie­bedingten E-Bike-Booms zur größten Schweizer Internetplattform für den Fahrradhandel auf.

Heute bietet die Website über 40.000 Premium­produkte von 400 Fachhändlern in der Schweiz. Dabei können manche Exemplare mit Preisen über 10.000 CHF auch in die Preisklasse eines Kleinwagens vordringen. Auch wenn Steblers Unternehmen seinen Kunden viel­e Serviceleistungen und Beratungsmöglich­keiten per Chat oder Videocall zur Ver­fügung stellt, dient die Plattform eher als erste Anlaufstelle für Fahrradinteressenten. Die Kauf­entscheidung finde, so Stebler, vor Ort statt. Velocorner.ch wickelt die Bezahlung ab und garantiert, dass Verkäufer ihr Geld zügig und digital erhalten. Stebler: „Wir verstehen uns als Ergänzung zum Großhandel und fungieren als dessen Vertreter in der digitalen Welt.“ Händler müssen 2.000 CHF im Jahr an Velocorner.ch zahlen, Privatverkäufer, die über die Plattform verkaufen, zahlen an das Unternehmen eine Kommission von 6 %.

Rund 2 Mio. Kunden besuchen Velocorner.ch jährlich. 2023 verkaufte Stebler die Plattform an TCS, den Schweizer Mobilitätsverein ähnlich dem deutschen ADAC, die bereits 10% der Anteile hielt. Das Schweizer Wirtschaftsmagazin "Bilanz" spekulierte über einen Verkaufspreis im Millionenbereich. Stebler bleibt als CEO jedoch an Bord. Nebenbei investiert der gründer in IT-Start-ups in der Schweiz – und will dies angesichts des Exits auch in Zukunft weiterhin tun.

Text: Helene Hohenwarter
Foto: beigestellt

Forbes Editors

Up to Date

Mit dem FORBES-NEWSLETTER bekommen sie regelmässig die spannendsten Artikel sowie Eventankündigungen direkt in Ihr E-mail-Postfach geliefert.