Mit dem FORBES-NEWSLETTER bekommen sie regelmässig die spannendsten Artikel sowie Eventankündigungen direkt in Ihr E-mail-Postfach geliefert.
Als Einhorn am Feld der Energiespeicherung stürzte das schweizerisch-amerikanische Start-up Energy Vault nach einem Höhenflug an der Börse ab. Gelingt jetzt der Turnaround? CEO Robert Piconi liefert gewichtige Argumente, warum das Stromspeichern durch das Aufziehen grosser Lasten zukunftsträchtig ist.
Die Idee hinter dem Start-up Energy Vault mit Sitz in Lugano ist unwiderstehlich einfach. Bei der Umsetzung steigen Technik-Laien aus. Das Prinzip basiert auf Pumpen und Turbinen, jedoch mit einem innovativen Ansatz: Anstelle von Wasser werden schwere Blöcke verwendet. Bei einem Überschuss an grünem Strom werden diese Blöcke gestapelt, um einen Turm von bis zu 120 Metern Höhe zu bilden. Durch die Gravitation erzeugen sie beim Herabfallen Strom. Damit kann die Schwerkraftbatterie von Energy Vault Energie in 3.500 je 25 Tonnen schweren Blöcken, die mittels Hebevorrichtungen und Schienen bewegt werden, speichern.
Gegründet wurde Energy Vault im kalifornischen Idealab Studio in Pasadena, im Jahr 2017 von den Gründungsmitgliedern Robert Piconi, Bill Gross und Andrea Pedretti. Das Trio wählte das Tessin als idealen Standort für ihre Entwicklung aus. Der Prototyp wurde in Castione-Arbedo gebaut, vergangenes Jahr ging das gravitationsbasierte Energiespeichersystem EVx in der Stadt Rudong in der Nähe von Shanghai in Betrieb.
Damit ist die Expansion in China, dem grössten Wachstumsmarkt für erneuerbare Energiespeicher, noch lange nicht abgeschlossen. Energy Vault hat mit dem texanischen Energieunternehmen Atlas Renewable Energy eine Lizenzvereinbarung für China, Hongkong und Macau unterzeichnet. Atlas Renewable investierte 50 Mio. US-$ und beteiligte sich mit weiteren 50 Mio. US-$ an der Aufstockung von Energy Vault. Drei Giga-Batterien sind im Bau, sechs weitere geplant, mit einer Speicherkapazität von 3700 MWh. Das Unternehmen erwartet, dass grössere Anlagen die Kosten um mindestens 30 % senken werden, verglichen mit den 500 US-$ pro kWh der ersten Batterie in Rudong. Die erste kommerzielle Batterie von Energy Vault in China befindet sich neben einem Windpark und verfügt über eine Speicherkapazität von 100 Megawattstunden (MWh). Bei voller Aufladung könnte sie genug Energie liefern, um etwa 4.600 Elektroautos jeweils 100 Kilometer weit fahren zu lassen.
«China bietet uns eine enorme Chance aufgrund der Grösse seines Energiemarktes und seiner Führungsrolle bei der Einführung und Skalierung neuer Technologien. Dies ist besonders wichtig im Zusammenhang mit dem globalen Kampf gegen den Klimawandel, bei dem China eine entscheidende Rolle spielt», sagt Robert Piconi, CEO von Energy Vault, im Videogespräch, das er aus seinem Büro in Westlake Village, Kalifornien, führt. In China käme die Verwendung lokaler Rohstoffe (Blöcke bestehen aus Abfallmaterial wie z. B. Asche) und die Lebensdauer von über 35 Jahren besonders gut an.
Die Aussicht Chinas Energiewende herbeizuführen, hebt das Image von Energy Vault, das einen schnellen Aufstieg hinlegte und nach dem Börsengang einen Downfall durchmachen musste. Am Valentinstag 2021 ging Energy Vault an die Wall Street und erreichte eine Bewertung von 1,6 Mrd. US-$, was seinen Einhornstatus unbestreitbar machte. Hochkarätige Geldgeber wie Softbank, Palantir Technologies und Saudi Aramco tätigten ihre Investitionen. Im August 2021 konnte Energy Vault in einer Finanzierungsrunde 100 Mio. US-$ Risikokapital einsammeln.
Auch in Hollywood blieb der Erfolg nicht unbemerkt – der Schauspieler und Umweltschützer Leonardo DiCaprio beteiligte sich als passiver Investor und Berater in das gehypte Start-up. Im darauffolgenden Jahr erlitt der Börsenwert einen massiven Einbruch. «Ab Juni 2022 stiegen weltweit die Zinsen aufgrund der Inflation, was Investoren vorsichtiger machte, besonders bei Unternehmen, die noch nicht profitabel waren», erzählt Piconi. Eine Rezession sollte bekannterweise nicht dazu führen, dass man an einer Geschäftsidee zweifelt. Eine Gruppe von Shortseller sah es auf Energy Vault ab und schürte Zweifel an der Technologie der Schweizer Firma. Nach einem Gerichtsprozess im Jahr 2023 mussten die Leerverkäufer ihre Aussagen als «grundlegend fehlerhaft und sachlich unzutreffend» zurücknehmen und richtigstellen. Mittlerweile steht das Unternehmen wieder mit beiden Beinen fest am Boden. «Wir sind finanziell sehr gut aufgestellt. Wir haben über 100 Mio. US-$ in nur uneingeschränktem Bargeld auf der Bilanz. Wir haben das letzte Quartal mit 136 Mio. US-$ ohne Einschränkungen und ohne Schulden abgeschlossen», sagt Piconi.
Gezweifelt habe der US-Amerikaner an der Erfindung aber ohnehin nie. Er führt an, dass die Gravity-Systeme keine Leistungsverluste zeigen und ohne den Einsatz seltener Erdmetalle auskommen. Dies wirkt sich positiv auf die Gesamtkosten über die Betriebsdauer aus. Im Gegensatz zu Lithium-Ionen-Batterien, die im Laufe der Zeit an Leistungsfähigkeit verlieren und ersetzt werden müssen, entfallen bei der Technologie von Energy Vault diese zusätzlichen Kapitalkosten.
Aber das Hauptargument für Piconi liegt woanders. Wind- und Solarenergie sind zwar wesentlich günstiger in der Erzeugung als fossile Brennstoffe, doch die Speicherung dieser grünen Energie ist deutlich kostspieliger. «Wir bieten nachhaltige Lösungen zur kostengünstigeren Speicherung an.»
Die Entwicklung der Technologie ist noch lange nicht abgeschlossen. «Wir haben das strukturelle Design innovativ überarbeitet und in Materialwissenschaft investiert, um die Blöcke nicht aus Beton herzustellen und damit die Emissionen von Treibhausgasen zu reduzieren. Zusätzlich haben wir eine KI-Software zur Automatisierung des gesamten Systems implementiert», so Piconi.
Aber auch konkrete Projekte konnten dieses Jahr verkündet werden. Energy Vault hat mit dem Bau eines grünen Wasserstoff- und Batteriespeichersystems in Calistoga, Kalifornien, begonnen, das das grösste seiner Art in den USA werden und bis Ende des zweiten Quartals 2024 fertiggestellt werden soll. Und auch auf der anderen Seite des Pazifiks gibt es Gutes zu vermelden.
Mit Energieanbieter ACEN Australien wurde ein Kooperationsdeal über eine 400-MWh-Batteriespeicheranlage abgeschlossen. «Australien wird eine strategisch wichtige Region für uns sein, da einer unserer Investoren, BHP, der grösste Bergbaukonzern der Welt, sowie Korea Zinc, die grössten Produzenten von Zink, Silber und Blei weltweit, dort ihre Operationen haben. Sie investierten in uns, um Vorreiter bei grüner Zinkproduktion zu werden und ihre Bergbauaktivitäten zu elektrifizieren.»
Robert Piconi ist Mitgründer und CEO von Energy Vault. Das Start-up hat sich auf Energiespeicherprodukte spezialisiert, die auf Schwerkraft und kinetischer Energie basieren. Dabei werden schwere Blöcke aus grosser Höhe angehoben und gesenkt.
Fotos: Energy Vault