Sag beim Abschied leise Servus

Als Alex Weber bei der Digitalbank N26 anheuerte, hieß das Unternehmen noch Papayer und hatte eine Handvoll Mitarbeiter. Fast ein Jahrzehnt später ist der „Under 30“- Listmaker Chief Growth Officer des mit acht Mrd. € bewerteten Start-ups. Nun verlässt Weber N26 jedoch – und will selbst gründen.

Es war eine Facebook-Gruppe, in der Alex Weber die Ausschreibung für ein Praktikum als „Entrepreneur in Residence“ beim Start-up Number 26 (heute N26) entdeckte. Zu diesem Zeitpunkt dachte er bereits seit geraumer Zeit darüber nach, selbst zu gründen oder bei einem jungen Unternehmen einzusteigen. Er ergriff die Chance, heuerte beim Fintech an – und machte eine Un­ternehmensgeschichte mit, die sich im deutschsprachigen Raum nicht so leicht kopieren lässt. N26 skalierte in den folgenden Jahren zu einer der größten Digitalbanken Europas und hat heute nicht nur eine Unternehmensbewertung von acht Mrd. €, sondern europaweit auch neun Millionen Kunden und 1.700 Mitarbeiter.

Als längstdienender Mit­arbeiter arbeitete sich Weber die Karriereleiter hoch: 18 Monate nach seinem Start verantwortete er mit dem „Projekt Banklizenz“ den vielleicht wichtigsten Meilenstein des Berliner Unternehmens. Im Juli 2016 war es dann so weit und N26 wurde offiziell zur Bank. Später übernahm Weber als Head of International Markets und später als Director of International Ex­pan­sion den Markteintritt von N26 in 22 europäischen Märkten sowie den USA. Im September 2019 folgte dann die letzte Beförderung: Als Chief Growth Officer vereinte er nicht nur die internationale Expansion, sondern auch die Führung der bestehenden Märkte sowie das globale Marketing.

Weber war essenziell für den Erfolg der Digitalbank, doch nun geht er von Bord: „Ich habe bereits vor zehn Jahren in Sydney meine Leidenschaft für Entrepreneurship entdeckt. Unternehmertum und Technologie sind sehr relevante Hebel, um die großen Probleme der Welt zu lösen“, sagt Weber im exklusiven Interview mit Forbes.

Sein Ziel ist es nun, selbst zu gründen. In welchem Bereich das passieren soll, weiß Weber noch nicht. Weber: „Wir brauchen eine ganze Generation von Unter­nehmern, die die Probleme des 21. Jahrhunderts lösen.“ Doch was hat er bei N26 gelernt, was ihm in seinem nächsten Kapitel dienen wird? Und was hat das alles mit einem Brief des N26-Führungsteams an die Gründer zu tun, in  dem diesen eine schlechte Unter­nehmenskultur und wenig Kritik­fähigkeit vorgeworfen wurden?

Im März 2023 berichteten verschiedene Medien über einen „Aufstand“ bei N26. Das sechs­köpfige Leadership-Team habe die beiden Gründer Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal in einem Brief scharf kritisiert; es herrsche eine „Kultur der Angst“, Entscheidungswege seien völlig unklar.

Im Zuge dessen hätten einige Führungskräfte das Unternehmen verlassen, so die Berichte, nun stünde mit CGO Alex Weber der nächste Abgang bevor. Weber sieht die Sachlage jedoch nicht richtig dargestellt: „Ich habe immer gesagt, dass ich irgendwann selbst gründen will, das war nie ein Geheimnis“, so der „Under 30“-Listmaker. Zudem weist Weber auf den Kontext hin: Das Schreiben sei im November 2021 entstanden, nach „unserem schwierigsten Jahr überhaupt“, wie Weber sagt. Damals kam die Welt gerade halbwegs aus der Corona­virus-Pandemie heraus, nach dem Wirecard-Skandal gab es einen neuen Bafin-Chef – inklusive vermehrter Aufmerksamkeit – sowie einen Start-up-Markt, der nach­haltig überhitzte. N26 sammelte in einer Finanzierungsrunde rund 700 Mio. € Wachstumskapital ein, bevor die Regulatoren dem Start-up Wachstumsbeschränkungen auf­erlegten.

Weber verneint nicht, dass es damals einige Probleme gab, spricht aber von normalen Vorgängen in einem schnell wachsenden Unternehmen: „Feedback ist extrem wichtig, ein offener Dialog muss immer da sein. Das spricht eigentlich eher für das Verhältnis in der Führung als dagegen.“ Zudem habe, so der Ex-N26-Mann, das Unter­nehmen mittlerweile in vielen Bereichen große Fortschritte gemacht. „Wir sind heute deutlich weiter als damals. Die öffentliche Wahr­nehmung ist aber manchmal genau anders herum“, so Weber. Dass alle Abgänge in den Medienberichten gleich bewertet wurden, hält Weber auch nicht für richtig: „Jeder Ab­gang hat einen individuellen Kon­text und seine eigene Geschichte. Es ist schwierig, das über einen Kamm zu scheren.“

Nach neun Jahren bei der Digitalbank N26 geht der längstdienende Mitarbeiter, Chief Growth Officer Alex Weber, von Bord. Er will selbst gründen.

Was genau als Nächstes ansteht, weiß Weber noch nicht. Nach seinem Ausscheiden will er erst mal eine Auszeit machen und reisen. „Es war ein Marathon und kein Sprint – aber es war ein schneller Marathon“, so Weber über die Strapazen seiner neun Jahre bei N26.

Anschließend kann er sich gut vorstellen, nach Berlin zurückzukehren, um seine eigene Gründung in Angriff zu nehmen. Fest steht dafür nur, dass er dicke Bretter bohren will: Themen wie Climate, Health oder Education interessieren ihn. Doch warum verlässt er einen der begehrtesten Jobs in der deutschsprachigen Start-up-Welt für ein loses Versprechen auf Erfolg? „Als Gründer kann man noch mal mehr Impact haben. Ich habe mich immer gefragt, inwieweit der nächste Meilenstein bei N26 einem im nächsten Kapitel als ­Un­ternehmer nützt. Die Heraus­forderungen in der jetzigen Unternehmensgröße von N26 sind ganz andere als die in den ersten Monaten eines eigenen Unternehmens.“

Denn während Weber seine Zeit zuletzt damit verbracht hat, „high-performing Teams aufzu­bauen“, fängt er nun wieder von ­vorne an: „Jetzt geht es wieder um zero to one.“

N26 bleibt der längstdienende Mitarbeiter aber auch weiterhin verbunden: Seine Anteile will er vorläufig nämlich nicht verkaufen. Weber: „Mit meinem Abgang steht kein Verkauf in Verbindung. Ich bleibe treuer Shareholder und unterstütze das Unternehmen weiterhin bestmöglich.“

Fotos: Katharina Gossow

Klaus Fiala,
Chefredakteur

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