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Franz Viehböck ist bis jetzt der einzige Österreicher, der die unendlichen Weiten des Weltalls erkundet hat. Elf Fragen an einen Mann, der uns mit auf eine Reise durch Raum und Zeit nimmt.
Nach einer zweijährigen Kosmonauten-Ausbildung im russischen Juri-Gagarin-Trainingscenter, hob Franz Viehböck am 2. Oktober 1991, vor 30 Jahren, vom Weltraumbahnhof in Baikonur ab und flog ins Weltall – zur mittlerweile nicht mehr existierenden Weltraumstation Mir. Dort verbrachte er neun Tage. In den folgenden zwei Jahren der „Austromir Mission“, war Viehböck im Auftrag der österreichischen Regierung als Vortragender zu seiner wissenschaftlichen Aktivitäten im Weltraum unterwegs. Heute ist Österreichs einziger Kosmonaut, CEO der Berndorf AG. Zum österreichischen Metall-verarbeitenden Konzern gehören 60 Unternehmen und rund 2.500 Mitarbeiter mit einem Umsatz von 460 Mio. € (im Jahr 2020).
Wie wird man Astronaut? Was mussten Sie damals lernen, bevor Sie ins All fliegen durften?
Zunächst einmal müssen sie ausgewählt werden. Das ist schon der erste richtige Schritt. Natürlich muss man gesund und fit sein – körperlich und geistig. Dann lernt man, in unserem Fall, die Sprache Russisch. Danach die ganze Theorie, wie ist das alles aufgebaut, wie funktionieren die Systeme an Bord, danach alle relevanten theoretischen Fächer für die Raumfahrt; auch die Theorie des Fluges im Weltraum und alles von der Rakete bis zur Raumstation und dem Raumschiff. Danach folgt eine entsprechende praktische Ausbildung in Simulatoren, wo der Flug vom Start bis zur Landung in allen Varianten nachgestellt und geübt wird. Und nicht zuletzt ist ein intensives Training und die Vorbereitung auf die entsprechenden Experimente notwendig, die wir dann in der Raumstation durchgeführt haben. Da muss zunächst einmal verstanden werden, was für ein Experiment das genau ist, wie es funktioniert, wie man die dafür notwendigen Geräte bedient und wie man diese Experimente durchführt.
In den Weltraum zu fliegen ist im wahrsten Sinne des Wortes, eine außerirdische Erfahrung. Haben Sie damals eine Weile gebraucht, um sich wieder an den Planeten Erde zu gewöhnen?
Naja, man braucht etwas Zeit, um die Eindrücke, die man in der Raumfahrt bekommt, zu verarbeiten und gut zu verkraften. Das geht nicht von heute auf morgen. Das braucht Zeit. Und so gesehen, ja, habe ich sicherlich eine Weile gebraucht, um mich wieder an das „normale“ irdische Leben zu gewöhnen.
Wenn Sie an diese Zeit zurückdenken, wie war das Gefühl, als Sie die Erde wieder berührten? Rie würden Sie das in Retroperspektive beschreiben?
Die ersten Minuten und Stunden nach der Landung waren primär von Frustration geprägt, wenn man wieder auf der Erde ist und einen starken Wunsch verspürt, so schnell wie möglich mit der nächstmöglichen Rakete, wieder ins All zu kommen. Dass dies nicht möglich war, hat bei mir einen gewissen Frust hervorgerufen. Natürlich ist man froh, wieder heil auf der Erde zu sein und Familie und Freunde wieder zu treffen. Aber es kommt immer eine gewisse Wehmut auf, wenn ich merke, dass es für mich lange Zeit keine Möglichkeit mehr geben wird, wieder ins All zu fliegen.
Mit der technologischen Entwicklung verloren einige Situationen in der Raumfahrt einerseits an Risiko. Andererseits aber steht man heute – Stichwort Weltraummüll – vor ganz anderen Herausforderungen. Haben sich die Gefahren in der Raumfahrt im Vergleich zu damals stark verringert? Wenn ja, wie? Was waren/sind heute die größten Risiken?
Das Risiko hat sich sicherlich nicht deutlich reduziert. Es ist nur insofern geringer, als man einfach in den letzten Jahren viele zusätzliche Erfahrung gewonnen hat und dadurch Systeme verbessern konnte – das war inkrementell, nicht radikal. So gesehen ist das Risiko nach wie vor sehr hoch.
Was bedeutet die zunehmende Übernahme von Raumfahrtaktivitäten durch private Organisationen für die Menschen und auch für den Weltraum selbst? Stichwort Weltraumtourismus.
Prinzipiell ist es gut, dass es viele Initiativen von privaten Raumflügen verschiedener Art gibt. Denn das vermehrte Geschehen und die vielen neuen Entwicklungen, die stattfinden, tun der Raumfahrt insgesamt gut. Allerdings muss man schon bedenken, dass man hier gewisse Regelwerke für die Zukunft aufstellen sollte. Es macht nämlich einen Unterschied, ob man drei oder fünf Raketen im Jahr startet, oder ob es dann vielleicht sogar Hunderte oder Tausende sind. Bei drei Raketen im Jahr zum Beispiel spielt die Umweltverschmutzung eine untergeordnete Rolle. Wenn man aber mehrere hundert oder tausend Raketen startet, die dann sehr viel Material ins All bringen, dann ist das Thema Umweltschutz und Weltraumschrott sehr relevant. Mit diesen Themen muss man sich schon jetzt befassen.
Was haben Sie während der Kosmonauten-Ausbildung und Ihrer Zeit im Weltraum gelernt, das Ihnen jetzt bei Ihrer Managementtätigkeit in der Berndorf AG hilft?
Eigentlich sehr viel, wenn man darüber nachdenkt, was man während der Ausbildung, des Trainings und auch in seiner Mission mitbekommen hat. Ganz wichtig ist, dass ich gelernt habe, mit Stress umzugehen und dass ich meine eigenen Grenzen kennengelernt habe. Auch Teamarbeit, wie erfolgreich ein Team sein kann, wie man ein Team aufbaut, wie man in einem Team arbeitet, wie man ein Team führt... Das sind alles Themen, die in der Raumfahrt, aber auch in der Führungsarbeit von Bedeutung sind.
Wie kommt es, dass Ihnen in den 30 Jahre noch keiner ins All gefolgt ist? Woran liegt das?
Das liegt vor allem daran, dass Österreich Mitglied der Europäischen Weltraumorganisation ist, aber innerhalb dieser Organisation gibt es verpflichtende und freiwillige Projekte. Die bemannte Raumfahrt ist ein freiwilliges Projekt, bei dem die Länder wählen können, ob sie dabei sein möchten oder nicht. Österreich hat sich entschieden, nur die unbemannte Raumfahrt zu unterstützen, und daher gibt es derzeit keine Chance für eine Östereicherin oder einen Östereicher, auf diesem Weg ins All zu gehen.
Welche Möglichkeiten gibt es für eine Karriere im Weltraum-Sektor in Österreich?
Es gibt viel. Auf der wissenschaftlichen Seite gibt es einige Aktivitäten in Österreich und auch auf der industriellen Seite. Es gibt mittlerweile über hundert Unternehmen, die aktiv in der Weltraumszene tätig sind. Und man kann auch über die Europäische Weltraumorganisation (ESA, Anm.) in vielen anderen Ländern in Europa, in denen die ESA vertreten ist, Jobs finden.
Haben Sie heute noch Sehnsucht nach dem All? Oder ist die bereits vergangen?
Das kommt schon vor, wenn man die Gelegenheit hat, sich intensiv mit dem Weltraum zu beschäftigen und wenn man die Kollegen trifft, mit denen man geflogen ist. Das sind natürlich die Momente, in denen man wieder in den Weltraum hinaus will. Aber das passiert mir nicht mehr so oft wie vor 30 Jahren.
Würden Sie zum Mars fliegen, wenn das zu Ihren Lebzeiten noch möglich wäre?
Ja, würde ich. Allerdings nur mit einem Return-Ticket!
Zu Beginn des Interviews haben wir Sie gefragt, was es braucht, um Astronaut zu werden. Gehört Humor dazu? Kennen Sie einen Astronauten-Witz?
Ich denke, dass Humor allgemein im Leben gut ist und nicht nur in der Weltraumfahrt. Natürlich, im Weltraum unter diesen besonderen Bedingungen und besonderen Verhältnissen, die Mannschaft in der Station ist abgeschnitten, man lebt zusammen auf engem Raum: Um die Stimmung hoch zu halten, ist es sicher hilfreich, humorvoll zu sein. Ich habe im Moment aber keinen Astronauten-Witz parat.
Text: Ekin Deniz Dere
Foto: Franz Viehböck