Riedel: America’s Thirst

Die Glasmacherdynastie Riedel blickt auf 260 Jahre bewegte Unternehmensgeschichte zurück. Vor fast 20 Jahren baute Maximilian Riedel den nordamerikanischen Markt..

Die Glasmacherdynastie Riedel blickt auf 260 Jahre bewegte Unternehmensgeschichte zurück. Vor fast 20 Jahren baute Maximilian Riedel den nordamerikanischen Markt aus und vervierfachte seither den Absatz.

Wehe dem, der versucht, seinen Krawattenknoten zu richten – der steht genau so weg, wie er soll. Das sei sein Markenzeichen, sagt Maximilian Riedel selbstbewusst. Grund für gute Laune gibt es für den Tiroler Glasunternehmer allemal, denn die Wahlen sind vorbei. Gemeint sind die US-Präsidentschaftswahlen. „Wahljahre sind im Retail immer eine Katastrophe“, sagt er. Einige dieser Wahljahre habe er ja schon miterlebt: Clinton, Bush, Obama; jetzt Trump. „Immer, wenn Wahlen anstehen, sind die Konsumenten verunsichert, geben weniger Geld aus.“ Aber seit den 1970ern – so lang ist das Unternehmen am US-Markt vertreten – kenne man diesen Zyklus. Für Riedel Glas, dessen Exportquote bei 97 Prozent liegt – davon 40 Prozent in Nordamerika, inklusive Kanada, gefolgt von der EU ohne Österreich mit 27 Prozent –, ein nicht unerheblicher Zyklus. Maximilian J. Riedel führt das Unternehmen in elfter Generation und zog als damals 23-Jähriger aus, um den US-Markt zu erobern; nur zwei Jahre danach als Vice President von Riedel Crystal of America. Er selbst spielt seinen Erfolg augenzwinkernd herunter: Der US-Markt sei bereits vorstrukturiert gewesen und – Riedel hält kurz inne – „am besten kann man es vielleicht damit vergleichen: Sie statten einen untalentierten Sportler mit dem besten Gerät aus und schicken ihn in einen Wettbewerb. Und dieser Sportler ist von null auf hundert sofort erfolgreich, weil das Produkt passt.“

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Foto: David Visnjic

Heute, so Riedel weiter, trinken alle in Amerika aus Riedel-Gläsern, „da fährt der Zug drüber“. Der Markt sei „from top to bottom“ so strukturiert, „dass der Kunde es uns nicht übel nimmt, dass wir im besten, aber auch im niedrigsten Einstiegslevel unsere Gläser gut zu positionieren verstanden haben“. Im Unternehmen nennt man dieses Phänomen „from T to T“, „from Tiffany to Target“ (US-Großhandelskette; Anm.). „Man muss nur Talent, Kampfgeist und eine Vision haben und hart genug am Erfolg arbeiten“, so Riedel, der den US-Markt wie seine Westentasche kennt. Seitdem er ihn bearbeitet, hat er die Verkaufszahlen in den USA und Kanada vervierfacht. Wie das gegangen ist?

„Wenn die Leute von Amerika sprechen, sprechen sie meistens nur von zwei Regionen: New York, Eastcoast, und Kalifornien, Westcoast. Heute summieren beide Regionen fast 70 Prozent des Umsatzes, aber den Markt haben wir anders erobert“, erzählt er. „Wir haben uns genau ins Zentrum gesetzt.“ Er könne gar nicht zählen, wie oft er in Missouri oder Arkansas war. Die dortige Fangemeinde sei groß, sagt er. Kleiner Nachsatz: „Trump hat die Wahlen auch nicht in New York gewonnen.“ Das Glasunternehmen erwirtschaftete mit weltweit rund 1.200 Mitarbeitern 240 Millionen € (2015). Riedel exportiert in 125 Länder weltweit.

Mehr als in andere Märkte investiere er in den USA in Marketing – zwischen fünf und zehn Prozent des Umsatzes. Vieles am Erfolg der Marke hänge an den Geschichten zum Produkt, am Produkt selbst, so Riedel, und nicht zuletzt an der Geschichte der Dynastie. Jene von Riedel ist 260 Jahre alt – „das sind auch 260 Jahre an Informationen“. Er selbst sieht sich als Teil der Ahnenreihe in einer privilegierten Position: „Die Generationen vor mir haben bei null begonnen, haben alles verloren und das alles aufgebaut“, spricht er auf die Vertreibung der Unternehmer aus Nordböhmen an, die sich 1955 in Tirol neu angesiedelt haben. „Davor verneige ich mich. Diese Menschen waren mehr gefordert, das waren andere Themen.“

Heute steht der Geschäftsmann vor Herausforderungen wie Diversifying. „Ich kann mit meinem Produkt Glas nicht mehr weiter gehen.“ Die stetig drängende Frage sei daher, was man als Nächstes mache. Denn die Kunden verlangen nach saisonal Neuem; wenngleich „große Renner“ nur ein- oder zweimal in einer Ge-neration vorkommen, sagt er. „Ich habe mein Pulver leider schon sehr früh verschossen“, spielt Riedel auf seine eigenen Designs – etwa die Glasserie „O“ ohne Stiel oder den Dekanter „Eve“, für den er ein Patent hält – an.

Was den Ideenreichtum befördere, wollen wir zum Schluss noch wissen. „Grundsätzlich sind zwei Dinge wichtig, um ein innovatives Unternehmen erfolgreich zu führen: Erziehung und Angst.“ Punkto Erziehung: Seine Eltern und sein Großvater hätten ihn schon früh auf sein Erbe, „die nächste Generation zu sein“, vorbereitet. Und Angst, weil man nicht als der Letzte in einer langen Ahnenreihe einer bis dahin erfolgreichen Dynastie enden will.

Heidi Aichinger,
Herausgeberin

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