Real Estate auf der Blockchain

Wie verändert die Blockchain die Immobilienwirtschaft? Ein Gastkommentar von Thomas Kulnigg und Constantin Benes.

Die Distributed-Ledger-Technologie (DLT, eine Technik, bei der Transaktionen nicht nur in einem zentralen Register/Instanz, sondern in alle Kopien des Registers – sogenannten Ledgers – bei allen beteiligten Parteien „verteilt" erfasst werden, Anm.) und ihre bekannteste Anwendung, die Blockchain, scheint jeden Bereich der heutigen Unternehmenswelt zu durchdringen. Sie verspricht weit mehr als nur eine Anwendung für ICOs, STOs (Initial Coin Offerings bzw, Security Token Offerings; eine Finanzierung durch Einsammeln von Kryptowährungen oder auch Geld und im Gegenzug Ausgabe von DLT-Token, Anm.) und dergleichen zu sein. DLT hat das Potenzial auch Immobilienmärkte, insbesondere Immobilientransaktionen, zu revolutionieren. Denn wenn man bedenkt, dass Immobilien mehr als die Hälfte des weltweiten Vermögens ausmachen, kann man die potentiellen Auswirkungen erkennen.

Der wichtigste und zugleich risikoreichste Faktor bei Immobilientransaktionen ist die Verifizierung des aktuellen (vermeintlichen) Eigentümers und seines Eigentumsanspruchs (Titel) an der Immobilie. Kann das Risiko eines mangelhaften Eigentumsanspruchs durch einhundertprozentige Sicherheit über das Eigentumsrecht des Verkäufers ausgeschlossen werden, würde das nicht nur das Leben aller Beteiligten an der Transaktion erleichtern – sondern auch Transaktionskosten und allfällige Abzüge vom Kaufpreis für Risiken im Zusammenhang mit der Liegenschaft verringern (und damit unter Umständen Immobilienpreise erhöhen).

Das Risiko von Mängeln beim Eigentumsanspruch besteht insbesondere in Ländern, in denen kein Gutglaubensschutz für Immobilien besteht; dies betrifft insbesondere bestimmte US-Bundesstaaten, die auch als „Title-Jurisdictions“ bezeichnet werden. Dort müsste ein Käufer die Titel sämtlicher Rechtsvorgänger im Eigentum der Immobilie im Einzelnen überprüfen, um Mängel auszuschließen oder zumindest das Risiko zu reduzieren.

In manchen der bereits erwähnten Title-Jurisdictions würde das bedeuten, dass sämtliche Titel bis zur Übertragung von der Englischen Krone überprüft werden müssten. Das ist natürlich zeitaufwendig, unpraktisch und oft schlichtweg unmöglich. Nebenbei entstehen dabei oft Kosten in beträchtlicher Höhe. In Ländern, die zivilrechtlich organisiert sind – wie Österreich – bewirkt die Eintragung des Eigentums an einer Immobilie im Grundbuch den Übergang des Eigentumsrechts auf den Erwerber (sofern der Erwerber gutgläubig ist, also er keine Informationen hat, die dem Besitz des Verkäufers widersprechen). Daher ist das mit Unsicherheiten des Titels des Verkäufers verbundene Risiko in Österreich beim Erwerb einer Liegenschaft wesentlich geringer, als bei den erwähnten Title-Jurisdictions; dementsprechend sind auch die Transaktionskosten in Österreich im Vergleich geringer.

Einfache Überprüfung des Eigentumswechsels

Bei den Jurisdiktionen, bei denen derartige Unsicherheiten bestehen, könnte die DLT und deren Unveränderbarkeit und Transparenz die oben angeführten Probleme lösen, indem sie diese Risiken mit einem Schlag beseitigt.

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Jeder einzelne Eigentumswechsel, seit der Verwendung der DLT für die betreffende Liegenschaft, könnte jederzeit einfach und schnell überprüft werden. Damit wäre es unmöglich, Eigentum an Grundstücken zu beanspruchen, ohne einen Titel dazu zu haben bzw. wäre es ein Leichtes, derartige Versuche unschädlich zu machen. Wenn die Überprüfung des Eigentums eines Verkäufers an Immobilien in kürzester Zeit und ohne Einschaltung einer zentralen Behörde möglich wäre, könnten die Transaktionskosten sofort auf einen Bruchteil der Kosten sinken. Der Käufer könnte sich eine Menge Geld sparen – zumindest in der Theorie.

Damit dies Wirklichkeit wird, bleibt jedoch noch viel zu tun. Die Eigentumsrechte an Immobilien müssten dadurch „tokenisiert“ werden, dass jedes Grundstück mit einem elektronischen Token untrennbar verbunden wird. Diese Tokens würden dann ein Grundstück repräsentieren und könnten in der Folge mittels DLT vom Verkäufer auf den Käufer übertragen werden. Für Österreich würde dies bedeuten, dass das gesamte Grundbuch(-system) – alle Grundstücke – auf DLT umgestellt werden müsste. Angesichts der bestehenden – und – Zuverlässigkeit des österreichischen Grundbuchsystems wären die Kosten für eine solche Umstellung jedoch (aus heutiger Sicht) unverhältnismäßig hoch. Darüber hinaus könnten die technischen Risiken zu gegenläufigen Auswirkungen auf den (österreichischen) Immobilienmarkt führen.

Kein zentrales Register von Immobilien

Für andere Länder, in denen kein zuverlässiges zentrales Register der Immobilien im Land existiert, könnte die Tokenisierung von Immobilien aber durchaus sinnvoll und langfristig auch wirtschaftlich attraktiv sein. Länder, wie Schweden und Georgien haben gezeigt, dass dies durchaus technisch möglich ist. Ob es wirtschaftlich attraktiv und nachhaltig ist, bleibt aber abzuwarten.

Auch nach der Umstellung von Immobilien auf die DLT müssten natürlich in der Vergangenheit liegende Streitigkeiten über Titel zu bestimmten Grundstücken noch von Fall zu Fall gelöst werden, da die Technologie erst ab dem Zeitpunkt ihres Einsatzes gültige Eigentumsansprüche aufzeichnen kann. Diese Lösung kann daher nur für zukünftige Transaktionen Sicherheit schaffen. Darüber hinaus ist der Vorteil der DLT, dass kein zentral geführtes Register (zum Beispiel das Grundbuch bei den Bezirksgerichten) nötig ist, um Übertragungen zu verifizieren. Die Verifikation würde durch den Konsens-Mechanismus der DLT erfolgen, also im Netzwerk verteilt (distributed).

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Angesichts der Besonderheiten von Immobilientransaktionen (zumindest in Österreich), scheint dies jedoch schwer umsetzbar zu sein. Es müsste sichergestellt werden, dass ein Käufer und eine Transaktion nicht gegen bestehende Grundverkehrs- (und andere rechtliche) Beschränkungen verstößt; beispielsweise muss sichergestellt sein, dass der Käufer ein EU-Bürger/Nichtausländer ist und dass Grunderwerbsteuer und durch solche Transaktionen ausgelöste Gebühren (zum Beispiel Eintragungsgebühr) korrekt bemessen und entrichtet werden. Um dies sicherzustellen, müsste daher trotz Verwendung einer DLT eine Behörde oder ein Treuhänder bei derartigen Transaktionen zwischengeschaltet werden. Dies würde den Prinzipien der DLT streng genommen widersprechen und die Notwendigkeit der Anwendung dieser Technologie dem Grunde nach in Frage stellen.

Befugter Personenkreis

Vorstellbar wäre es, dass die Befugnisse zur Durchführung solcher Überprüfungen auf einen bestimmten Personenkreis übertragen werden, der ausschließlich dafür berechtigt ist. Am Beispiel Österreichs: (nur) Rechtsanwälte (und Notare) sind berechtigt, die durch Immobilientransaktionen ausgelösten Steuern und Gebühren zu berechnen und auf Basis derartiger Berechnungen, den Antrag auf Eintragung des Eigentumsrechts eines Käufers beim Grundbuch zu stellen; ein solcher Rechtsanwalt ist somit in solch einem Fall dafür verantwortlich, dass sämtliche anfallenden Steuern korrekt berechnet und rechtzeitig an die Finanzbehörden gezahlt werden.

Gleiches könnte für DLT-Immobilientransaktionen gelten: Ausschließlich Rechtsanwälte (und Notare) könnten berechtigt oder in der Lage sein, derartige Transaktionen durchzuführen und könnten zum Beispiel gesetzlich verpflichtet werden, solche Transaktion erst dann durchzuführen, wenn alle zuständigen Behörden (wie zum BeispielGrundverkehrsbehörden) die Transaktion genehmigt haben. Abgesehen davon, dass dies wiederum Transaktionskosten und Abhängigkeit von Dritten mit sich bringen würde, liegt es auf der Hand, dass noch viele weitere (rechtliche) Fragen berücksichtigt und gelöst werden müssten, bevor eine so dramatische Veränderung umgesetzt werden könnte.

Die Blockchain-Technologie wird zwar den Immobilienmarkt, sowie zahlreiche andere Industrien in Zukunft sehr wohl durchrüttel, aber bei Real Estate-Transaktionen in unseren Breitengraden wird es sicher noch einige Jahre – oder in manchen Ländern sogar Jahrzehnte dauern – bis Immobilien direkt über die Blockchain übertragen werden können.

Gastkommentar

Kontributoren: Thomas Kulnigg & Constantin Benes

Thomas Kulnigg ist Partner im Wiener Büro von Schönherr und schwerpunktmäßig in den Bereichen Gesellschaftsrecht/M&A sowie Start-Ups und Venture Capital tätig. Kulnigg ist Leiter der Technology & Digitalisation-Gruppe von Schönherr.

Constantin Benes ist Rechtsanwalt im Wiener Büro von Schönherr und schwerpunktmäßig in den Bereichen Immobilien & Bau, Handel und Technologie & Digitalisierung tätig.

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