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Ben Ruschin will Europas Entwickler vernetzen. Mit WeAreDevelopers baut der Gründer Brücken zwischen Unternehmen und Software-Entwicklern. Und will damit neben der DACH-Region auch Europa erobern.
Ben Ruschin ist niemand, der die Dinge langsam angeht. „Wir haben Speed in den Genen, wir wollen nicht langsam wachsen, sondern schnell den Markt besetzen.“ Ruschin sitzt in seinem Büro, hinter ihm prangt in schwarzer Schrift der Slogan: „Building The World’s Largest Community Of Developers.“ Mit WeAreDevelopers (WAD) will Ruschin zwei Gruppen zusammenbringen, die das von selbst meist nicht schaffen: Software-Entwickler und Unternehmen.
Ruschin und Mitgründer Sead Ahmetovic entschieden sich, gemeinsam mit dem dritten Mitgründer von WAD, Thomas Pamminger, eine Community aufzubauen, die als Plattform für Entwickler dient. Die interessierten Unternehmen zahlen dann über verschiedene Produkte, etwa die Konferenzen, quasi „Eintritt“, um Zugang zu dieser homogenen Community zu bekommen.
Neben dem Event in Wien, das 2019 am 28. und 29. November in der Wiener Hofburg stattfindet, veranstaltet Ruschin den World Congress von WAD seit 2018 in Berlin. 2019 waren über 10.000 Gäste da, die Vorträge zu den Themen Cloud, Artificial Intelligence oder Blockchain besuchen und sich untereinander austauschen konnten. So weit ist Ruschin vom klassischen Konferenzveranstalter also eigentlich nicht weg. Doch zwei Dinge unterscheiden sich: die zugespitzte Zielgruppe – und die digitale Plattform, wo langfristig das große Geld verdient werden soll.
Denn um all das, was die Konferenz offline bietet – eine Chance zum Netzwerken und zum Treffen relevanter Gesprächspartner –, will WAD mit einer digitalen Plattform verknüpfen. Auf „WAD Talents“ können Unternehmen Stellenanzeigen schalten, die sich ausschließlich auf die Software-Entwickler-Community beziehen. Dabei sind die Stellenanzeigen selbst kostenlos, Premiumplatzierungen oder ein Abomodell für die Plattform kosten jedoch.
Das Problem? Entwickler sind so heiß begehrt, dass sie eigentlich keine Hilfe brauchen, einen neuen Job zu finden. Je nach Studie liegt die Anzahl der Software-Entwickler, die aktiv nach Jobs suchen, im mittleren einstelligen Prozentbereich. 40 bis 50 % sind offen für neue Jobs, der Rest sucht überhaupt keine neue Aufgabe. Das niederländische Outsourcing-Unternehmen Daxx publizierte zudem eine Studie, wonach es in Deutschland rund 830.000 Entwickler gibt, in Großbritannien 813.000, in den Niederlanden 310.000, in der Schweiz 144.000 und in Österreich 92.000. Der Markt ist also nicht riesig, es gilt, besser als die anderen zu sein.
Ben Ruschin
... wurde in München geboren, studierte in Großbritannien und gründete 2017 gemeinsam mit Sead Ahmetovic und Thomas Pamminger WeAreDevelopers. Der nächste „WeAreDevelopers Congress“ findet am 28. und 29. November in der Wiener Hofburg statt.
Auch deshalb wählte WAD von Beginn an einen „unkonventionellen, skalierbaren Ansatz“ wie Ruschin es beschreibt. „Wir wollten nie klassische Personalberatung machen. Daher verfolgen wir sehr stark einen Community-Gedanken. Klassische Personalberater haben es schwer, da Entwickler sie eigentlich nicht brauchen. Wir versuchen hingegen, ihnen etwa durch unsere Konferenzen einen Mehrwert zu bieten.“ Es scheint zu funktionieren. 2019 holte WAD die Heise-Gruppe an Bord, das deutsche Medienunternehmen übernahm einen Anteil von 10,1 %. Der Umsatz wird laut Ruschin 2019 eine „hohe siebenstellige Summe“ erreichen, in den Büros in Wien, Berlin und Sarajevo arbeiten insgesamt fast 60 Mitarbeiter. Nun steht Expansion an, doch der Markt schläft nicht.
Unternehmer-Gen von den Großeltern
Ein klassisches Angestelltenverhältnis ist nicht Ruschins Fall. Während des Studiums – Ruschin machte seinen Bachelorabschluss in Leeds, den Master an der Warwick University – machte er zwar Praktika bei UBS oder IBM und auch sein erster Job führte ihn in ein Unternehmen, das Start-up jasssu. Doch spätestens da merkte der gebürtige Münchner, dass er selbst gründen muss. „Ich wollte immer für mich selbst, nicht für irgendwelche Aktionäre arbeiten. Ein klassischer Job hat mich nie gereizt.“
Das unternehmerische Gen hat Ruschin von den Großeltern übertragen bekommen. Die hatten ein Textilunternehmen mit 1.000 Mitarbeitern aufgebaut. Und dennoch, so Ruschin, sagt seine Großmutter zu ihm manchmal, er sei größenwahnsinnig. Denn, wie gesagt – Ruschin hat keine Lust zu warten.
Das merkte er auch bei jasssu. Er hielt es nicht lange aus, gründete 2015 gemeinsam mit Sead Ahmetovic, der ebenfalls bei dem Start-up tätig gewesen war, die Agentur Vienna Digital, die für Kunden E-Commerce- und App-Projekte umsetzte.
Das Geschäft lief gut, doch immer wieder wurde dem Gründerduo die gleiche Anfrage gestellt: Statt Produkte zu entwickeln, könnten sie nicht die Ressourcen – sprich, die Entwickler – für einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung stellen? Ruschin und Ahmetovic fingen also an, Entwickler für Stunden, Tage oder Wochen zu „vermieten“. Und merkten schnell, dass das Problem damit nicht gelöst wurde, denn die Unternehmen brauchten ihre talentierten Software-Entwickler rund um die Uhr. Und hatten offenbar Schwierigkeiten, die richtigen Talente zu finden. 2017 gründeten Ruschin und Ahmetovic gemeinsam mit Thomas Pamminger WAD.
Eine europaweite Community im Aufbau
2018 sorgte Ruschin für Aufsehen, als er Apple-Mitgründer Steve Wozniak nach Wien holte. Der Auftritt war zwar kurz, aber „Woz“ war ein Speaker, den wohl die wenigsten in Österreich schon live gesehen hatten. Und eben das will Ruschin Entwicklern bieten: Etwas, das sie sonst nicht bekommen. „Was suchen Entwickler? Sie wollen gechallengt werden, sie wollen sich weiterbilden. Und sie suchen nach dem Status und der Anerkennung, den sie in der Gesellschaft oft nicht bekommen.“
Wachstum will Ruschin aber nicht am „Heimatmarkt“ Österreich erzielen. Denn hier sei, was die Markenbekanntheit betrifft, bald ein Plateau erreicht – was auch für Osteuropa gilt. „Hier kennen uns eigentlich alle. Anderswo gibt es noch viel Potenzial zu wachsen.“ Für 2020 plant er kleinere Konferenzen in Zürich und Amsterdam. „Beide Märkte sind für uns sehr spannend.“ London soll folgen. Trotz solidem Wachstum, 2019 soll der Ertrag des Unternehmens eine „mittlere siebenstellige Summe“ erreichen, denkt Ruschin darüber nach, wie er die Geschwindigkeit erhöhen kann. Mit der Heise-Gruppe holte er sich bereits einen finanzkräftigen Investor an Bord, eine weitere Finanzierungsrunde in den nächsten beiden Jahren soll folgen. Zuvor soll sich WAD aber noch entwickeln. „Wir wollen eine europaweite Community werden und eine starke Präsenz aufbauen. Und erst, wenn das passiert ist, werden wir darüber nachdenken, ob wir einen Partner an Bord nehmen.
Neben den eigenen Speed-Genen ist die Dringlichkeit aber auch durch den Markt bedingt. Im April setzte das deutsche Karriere-Netzwerk Xing ein Signal: Um 22 Millionen € kaufte Xing die Jobplattform Honeypot, bei der sich Unternehmen bei potenziellen Kandidaten bewerben. Doch Ruschin ist selbstbewusst: „Das wird noch interessant. Ich glaube aber, dass wir sehr gut aufgestellt sind.“
Auf die Frage, ob er, der auf LinkedIn regelmäßig Fotos mit Menschen wie Vodafone-CEO Hannes Ametsreiter oder der deutschen Staatsministerin Dorothee Bär postet, sich selbst als erfolgreich bezeichnen würde, denkt Ruschin nach. „Ich vergleiche mich mit Leuten, die noch viel erfolgreicher sind als ich. Mark Zuckerberg ist für mich ein Vorbild. Wir haben mit WeAreDevelopers etwas Gutes auf die Beine gestellt, aber ich bin noch lange nicht dort, wo ich hinwill.“
Text: Klaus Fiala
Fotos: Gianmaria Gava
Der Artikel ist in unserer Oktober-Ausgabe 2019 „Handel“ erschienen.