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Hat man Anspruch auf Rückzahlungen oder Entschädigungen durch Unternehmen, etwa bei Flugstornierungen, ist man bei Rightnow richtig: Eine eigens entwickelte KI-basierte Software prüft, ob ein Rechtserfolg wahrscheinlich scheint, und kauft den Verbrauchern ihre Forderungen ab. Nun will das Gründertrio, das 2020 auf der „Under 30“-Liste von Forbes landete, Schluss machen mit Ärger bei Mahnungen oder Frust bei Stornierungen.
Mussten Sie schon mal einen Flug stornieren und haben Ihr Geld nicht zurückbekommen? Zahlen Sie seit Anfang der Pandemie Mitgliedsgebühren bei einem Fitnessstudio, obwohl Sie wegen des Lockdowns zu Hause sitzen müssen? Oder waren Sie schon mal von einem Datenleck eines Unternehmens betroffen, dem Sie zuvor ihre Daten übermittelt haben? Zumeist haben Kunden in solchen Fällen schlechte Karten – die meisten Unternehmen lassen es zu zeitraubenden Verfahren kommen oder blockieren ganz. Das Start-up Rightnow macht sich das zunutze: Als Helfer der Verbraucher will das Unternehmen Gleichberechtigung zwischen Kunden und Großunternehmen schaffen. Rightnow will Konsumenten also dabei helfen, Rechtsansprüche durchzusetzen.
Das Legaltech-Start-up prüft dabei Ansprüche – und kauft sie den Kunden dann mit einem Abschlag ab. Die erste Einschätzung übernimmt eine Software, die auf künstlicher Intelligenz (KI) basiert. Sie prüft, wie erfolgversprechend der jeweilige Fall ist – ob also eine Chance auf Entschädigung besteht oder nicht. Dabei fokussiert sich das Programm darauf, den optimalen Preispunkt für den jeweiligen Kunden zu definieren und die Erfolgschancen anhand von Daten zu ähnlichen Fällen vorherzusagen. „Unsere Software besteht aus Modellen, die gewisse Entscheidungen auf Basis vorhandener Daten und automatisiert treffen“, so Torben Antretter, Mitgründer und Managing Director im Bereich Finanzen. „Je mehr Daten wir über die Produkte sammeln können, desto genauer werden die Vorhersagen und umso treffsicherer unsere Preispunkte.“
Antretter gründete Rightnow gemeinsam mit Phillip Eischet. Zweiterer ist schon lange unternehmerisch aktiv; bereits mit 15 Jahren gründete er eine Onlineplattform für Filesharing. Antretter wurde erst nach und nach zum Unternehmer – er versuchte sein Glück zunächst als Tennisprofi. Als der Traum geplatzt war, widmete er sich seinem Studium – und lernte Eischet 2015 an der Universität St. Gallen kennen. Zusammen mit Eischets langjährigem Freund Benedikt Quarch fokussierten sich die drei schon früh auf die Rückerstattung von Ansprüchen. 2016 gründeten sie das Portal „Geld für Flug“, das sich auf Flugstornierungen spezialisierte.
Der Vorreiter von Rightnow zeigte dem Trio früh, wie wichtig die Diversifizierung des Portfolios ist. „Wir mussten durch Covid noch mal vieles in unserem Portfolio umbauen. Die Travel-Themen, mit denen wir groß geworden sind, haben wir bewusst ein Stück zurückgestellt, weil der Markt und die Nachfrage aktuell nicht da sind“, erzählt Eischet, der als Managing Director die Bereiche Product und Strategy verantwortet.
Aktuell arbeitet das Gründertrio daher an zwei weiteren Themen: Datenschutz und Fitnessstudios. Eischet: „Was viele Leute nicht wissen: Wenn ein Verbraucher von einem Datenleck betroffen ist – also Daten gestohlen werden, die er an ein Unternehmen weitergegeben hat –, besteht ein Schadensersatzanspruch.“ Auch der Fakt, dass Menschen während des Lockdowns Fitnessstudiogebühren zahlen müssen, sei nicht rechtskonform. „Wir helfen den Verbrauchern bei großen Ketten wie McFit, Fitness First und Fit X, ihr Geld schnell und einfach zurückzuerhalten.“
Durch ein MVP-Factoring (MVP: Minimum Viable Product, Anm.) werden bei Rightnow im Wochenrhythmus neue Produkte intern getestet. Zwei Produktideen, die in naher Zukunft auf den Markt kommen sollen, sind Rechtsansprüche im Bereich des Glücksspiels und des Onlinedatings. „Das Onlineglücksspiel ist in Deutschland und Österreich zu einem Großteil rechtswidrig. Da bildet sich immer mehr die klare Rechtslage heraus, dass man sich Geld, das man in einem Onlineglücksspiel verliert, zurückholen kann.“ Ein weiteres Thema ist der Widerruf von Partnervermittlungsverträgen. „Es gibt viele Vermittlungsagenturen, etwa Parship oder Elitepartner, die beim Widerruf von Verträgen unzulässig hohe Gebühren verlangen. Auch diese kann man sich zurückholen“, sagt Benedikt Quarch, Managing Director und der Jurist unter den drei Gründern.
Da Rightnow als digitales Modell der sehr langsam fortschreitenden Digitalisierung im Rechtswesen gegenübersteht, lautet der Anspruch stets „Recht auf Knopfdruck“ – also für den Endverbraucher eine schnelle, effiziente und digitale Rechtsdurchsetzung zu erlangen. „Die Gerichte arbeiten wirklich nur zu einem verschwindend geringen Teil digital. Perspektivisch gesprochen ist es – nicht für unser Unternehmen, aber für die Gesellschaft – eine große Aufgabe, da etwas zu verändern. Wir versuchen, als Legaltech-Unternehmen ganz nah am Puls der Zeit zu sein und auch mit den Gerichten zusammenzuarbeiten, um die Digitalisierung des Rechtswesens voranzutreiben“, erklärt Quarch.
Torben Antretter
... promovierte 2019 an der Universität St. Gallen im Bereich Entrepreneurial Finance, Phillip Eischet absolvierte seinen Master in Business Management an derselben Hochschule, und Benedikt Quarch promovierte 2019 als Jurist an der EBS Universität in Wiesbaden. Zusammen gründeten sie 2016 „Geld für Flug“ und anschließend, im Jahr 2017, das Legaltech-Start-up Rightnow.
Letztendlich ist die Rechnung einfach: Verhalten sich Großunternehmen nicht rechtskonform, verdient Rightnow Geld. Das geschieht einerseits über die Provision, die je nach Fall zwischen 25 und 50 % liegt. Doch auch im B2B-Bereich erzielt das Start-up Umsätze: Die Software wird Unternehmenskunden bereitgestellt, etwa Partnerkanzleien. Antretter: „Am Ende des Tages erledigt unsere Software das, was ein klassischer Anwalt mit seinen Mitarbeitern händisch macht, zu einem großen Teil automatisch. Alle Schriftsätze, alles, was an Dokumenten zirkuliert, der gesamte Workflow – all das haben wir bei uns automatisiert.“ Das Geschäft läuft: Für das Jahr 2021 erwartet Rightnow einen Jahresumsatz im zweistelligen Millionenbereich.
Das Düsseldorfer Start-up, das auch in Berlin ein Büro betreibt, hat bereits über 450.000 Forderungen mit ihren Rechtsansprüchen bearbeitet. Zudem nutzen Partnerkanzleien in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Frankreich und Großbritannien die Software des Unternehmens.
Auch für das anstehende Wachstum ist das knapp 50-köpfige Team von Rightnow gut aufgestellt: „Mittlerweile sind wir profitabel. Das ist eine große Leistung für uns. Wir haben jetzt mehrere Kapitalrunden gemacht und jüngst noch mal eine Series-A-Finanzierungsrunde mit 8,5 Millionen € abgeschlossen“, so Antretter. „Wir haben bei Rightnow eine hohe sechsstellige Anzahl an Anfragen pro Jahr. Wir haben zudem ausgerechnet, dass allein im DACH-Raum der adressierbare Markt unserer Produkte größer als eine Milliarde € ist.“
So haben sich die drei Forbes-„Under 30“-Listmaker das Ziel gesetzt, bis 2026 Europas größtes Legaltech-Unternehmen zu werden. Das quantitative Ziel lautet dabei, über eine Milliarde Forderungen zu bearbeiten.
Text: Naila Baldwin
Fotos: Rightnow
Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 3–21 zum Thema „Künstliche Intelligenz“.