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Drei Patentämter - drei Frauen an der Spitze. Die Kernaufgabe: der Schutz von Innovationen.
„Meine Mutter hat eigene Patente. In meinem Geburtsland Russland war das nichts Besonderes.“ Mariana Karepova lehnt sich auf der langgezogenen Couch nach vorne. Sie wuchs in Moskau in der ehemaligen Sowjetunion auf. In einem häuslichen Umfeld, wovon sie nachhaltig profitieren sollte. Die Mutter war Mathematikerin und Bauingenieurin, der Vater Ökonom: „Man kann sagen, dass mir meine gesamte Berufspalette in die Wiege gelegt wurde. Was ich von meinem Zuhause mitbekommen habe, konnte ich beruflich verwerten“, sagt die 48-Jährige.
Konkret schaffte sie es bis zur Ernennung zur Präsidentin des Österreichischen Patentamts (ÖPA) 2015 in Wien. „Als erste Frau“, wie sie während des Forbes-Fotoshootings lächelnd bemerkt. Sie passiert alte, gerahmte Fotos ehemaliger Präsidenten. Von einstudierten Floskeln keine Spur, Karepova spricht eine klare Sprache. Der Patentschutz in Österreich nahm 1899 mit Inkrafttreten des Patentgesetzes seinen Anfang. Das Österreichische Patentamt wurde als Zentralbehörde für den Schutz des geistigen Eigentums aus der Taufe gehoben. Folgende Kernbereiche sind heute davon umfasst: Patente, Gebrauchsmuster, Marken und Designs. „Patente, Marken und Designs sind eigentlich nur Instrumente, technische Werkzeuge. In Wirklichkeit werden damit aus Ideen aktive und greifbare Geschäftsgrundlagen“, erklärt Karepova, die 1990 mit einem Ausreisevisum nach Wien kam. Das Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität Wien (mit dem Schwerpunkt österreichische und europäische Wirtschafts- und Innovationspolitik) bedeutete ein neues Kapitel für sie. Denn eigentlich hat Karepova andere Wurzeln. In Moskau studierte sie an der Staatlichen Pädagogischen Universität Slawistik und Literatur.
Den größten Anteil an Einreichungen machten 2016 nationale Markenanmeldungen aus, 5.600 waren es, rund 3.000 bei den Erfindungen. Doch worin besteht der Unterschied? Patente und Gebrauchsmuster schützen Erfindungen. Diese müssen innovativ und neu sein, dürfen also nicht dem aktuellen Stand der Technik entsprechen. Im Anmeldeverfahren wird das anhand von Recherchen und gegebenenfalls Gutachten geprüft. Wird das Patent einmal erteilt, beträgt die (territoriale) Schutzfrist 20 Jahre. Innerhalb dieser hat der Einreicher das exklusive Recht, seine Erfindung herzustellen, zu vertreiben und zu gebrauchen. Nicht patentierbar sind etwa wissenschaftliche Theorien und die Wiedergabe von Informationen. Marken sind hingegen Kennzeichen, die Waren und Dienstleistungen von Anbietern voneinander unterscheidbar machen. Sie dienen Unternehmen somit besonders im Geschäftsverkehr.
Die Patentamtspräsidentin selbst hatte schon immer mit Forschung, Innovation und Technologie zu tun – Themen, die ihr besonders wichtig sind, wie sie betont. Nach ihrem Karrierestart bei der Bundesarbeiterkammer ging es für sie über die EU-Kommission in Brüssel zum Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT). „Diese Stationen waren zwar sehr unterschiedlich, immer ging es dabei aber um Wirtschaftspolitik und das Zusammenbringen von Interessen und Playern“, sagt Karepova.
Internationalität wird auch bei Patentanmeldungen großgeschrieben. Im Rahmen des Europäischen Patentübereinkommens kann man – zentralisiert – ein „europäisches Patent“ beantragen. Dieses gilt jedoch nicht für die gesamten 38 Vertragsstaaten, sondern nur in jenen Ländern, deren Schutz man beantragt. Auch das Österreichische Patentamt kann auf breiterer Ebene einwirken: „Wir wollen helfen, dass die Firmen auch im Ausland schneller zu ihren Patenten kommen. Wir haben Abkommen mit den wichtigsten Handelspartnern, zum Beispiel den USA, China oder Indien.“ Dafür müssen wirtschaftliche Überlegungen angestellt werden, denn es gilt: Schutz braucht man dort, wo man seine Produkte produzieren und vertreiben will.
Laut der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) liegt Österreich mit 1.627 Patentanmeldungen pro einer Million Einwohner noch vor traditionell erfindungsreichen Ländern wie den USA (1.648) und China (736). Eine andere Statistik ist weniger erfreulich: Hierzulande werden nur sechs Prozent aller Patente von Frauen angemeldet. „In Ländern wie Großbritannien, den USA oder Deutschland ist die Lage ähnlich“, sagt Karepova. Die Studie des Austrian Institute of Technology (AIT) über die Jahre 1978 bis 2009 zeigt bei den Erteilungen ein ähnliches Bild: Knapp fünf Prozent der österreichischen Patente am Europäischen Patentamt in München stammen von Frauen. Erfinderinnen finden sich vor allem in den Bereichen Biotechnologie, Pharmazie und diversen chemischen Disziplinen. Unterrepräsentiert sind Frauen im Ingenieurwesen, im Maschinenbau und der Elektrotechnik. Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, rief das Österreichische Patentamt vergangenes Jahr erstmals den „Staatspreis Patent“ aus, mit der Spezialkategorie „Hedy-Lamarr-Preis 2016“ für die beste Erfinderin. Siegerin nennen durfte sich Alberta Bonanni, Forscherin an der Johannes Kepler Universität in Linz. Sie erfand einen speziellen Laser, der sich besonders für die optische High-Speed-Datenübertragung eignet.
Zu Hedy Lamarr – österreichisch-amerikanischer Hollywood-Star und Erfinderin – hat Karepova eine spezielle Beziehung. „Sie war schöpferisch und kreativ. Sie hatte eine Mission: Sie wollte mit ihrer Erfindung (Funkfernsteuerung für Torpedos; Anm.) mithelfen, den Zweiten Weltkrieg schneller zu beenden. Aber sie bekam zu Lebzeiten keine Anerkennung dafür.“ Das Gespräch neigt sich dem Ende zu, Karepova fragt noch knapp: „Und was haben die anderen darüber gesagt?“ Damit meint sie ihre Kolleginnen in der Schweiz und Deutschland. Catherine Chammartin ist Direktorin des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum (IGE) mit Sitz in Bern – und ebenfalls seit 2015 im Amt. Ein technischer Hintergrund ist ihr im Gegensatz zu Karepova fremd, der Weg an die Spitze des 1888 gegründeten Instituts war ebenso wenig vorgegeben. Zwar studierte Chammartin ursprünglich Jus und Wirtschaft, doch es verschlug sie zunächst in die Sektion Finanzmärkte und Finanzdienstleistungen bei der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV). Danach ging es in die neue Abteilung für internationale Steuerpolitik: „Dabei wollte ich nie Steuern machen“, lacht Chammartin. „Man kommt aber in das Thema hinein und entdeckt viel Spannendes. Nach acht Jahren war es dann aber Zeit für etwas Neues. Die Stelle als IGE-Direktorin war ausgeschrieben, eine solche Führungsposition hat mich interessiert – ich wurde genommen.“ Mit erst 36 Jahren und als absolute Quereinsteigerin, wohlgemerkt, denn „ich wusste, dass es geistiges Eigentum gibt, aber nicht viel mehr. Doch wer nichts probiert, der hat nichts.“
Nach einer anfänglich intensiven Auseinandersetzung mit den internen Abläufen – „Ich habe viel zugehört“ – wurde die Instituts-Strategie im Rahmen eines partizipativen Prozesses, an dem sich Mitarbeiter auf freiwilliger Basis beteiligt haben, weiterentwickelt. Dementsprechend beschreibt die ausgebildete Rechtsanwältin ihren Führungsstil: Ehrlichkeit, Offenheit, Transparenz, partizipatives Verständnis. Auf Frauen im Bereich des geistigen Eigentums will sie nicht im Speziellen eingehen. Ihr Standpunkt ist klar: „Unsere Aufgabe ist, ein funktionierendes System für einen angemessenen, wirkungsvollen und volkswirtschaftlichen sinnvollen Schutz des geistigen Eigentums bereitzustellen.“
Sorgen machen um die Innovationskraft muss sich die Schweiz nach dem „Global Innovation Index“ (Mitherausgeber WIPO) ohnehin nicht. Chammartin verweist darauf, dass die Eidgenossen seit sieben Jahren auf Platz 1 verweilen. Deutschland findet sich 2017 auf Platz 9 wieder, Österreich auf Rang 20 – bei insgesamt 127 Staaten. Manchmal kommt es sogar vor, dass ein Land von einem anderen lernt. So geschehen in China: Das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) hat zwischen 1984 und 1994 wesentlich am Aufbau des chinesischen Patentwesens mitgewirkt. „Ein chinesischer Patentamtspräsident wurde ein Jahr lang vom DPMA zum Patentprüfer ausgebildet. Deutsche Prüfer schulten als Langzeitexperten ihre chinesischen Kollegen im neu errichteten Patentamt in Peking“, erzählt Cornelia Rudloff-Schäffer, seit 2009 Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamtes.
Deutschland sei bei den Patenten besonders in der Automobilbranche weltweite Spitze, China oder Südkorea im Bereich der digitalen Kommunikation, so die studierte Juristin. Von ihrem Studium in Mainz kommt auch das Interesse: „Im zweiten juristischen Staatsexamen wurde ich mit einer kniffligen Aufgabenstellung im Architektenurheberrecht konfrontiert. Das war der Beginn einer Neugier und Leidenschaft, die bis heute andauert.“ Und die hat es in sich. Rudloff-Schäffer hat so ziemlich alles erlebt, was die gewerblichen Schutzrechte betrifft. Gibt es da Favoriten? „Mir sind sämtliche Schutzrechte gleichermaßen lieb. Sie stehen für die Innovationskraft und Kreativität unseres Landes. Patente und Gebrauchsmuster sind Produkte höchstintellektueller Leistung von erfinderischen Menschen und Ausdruck der innovativen Leidenschaft von Forschern und Entwicklern.“ Und sie haben auch wirtschaftliche Implikationen: Denn Unternehmen, die über Patente verfügen, stehen laut Rudloff-Schäffer für mehr Arbeitsplätze, seien für Investoren interessanter und würden von Analysten besser bewertet.
Der Anteil der Patentanmeldungen, an denen mindestens eine Erfinderin beteiligt war, lag laut WIPO 2015 bei 29 Prozent. Auf den ersten Rängen: USA, China, Japan, Südkorea, Deutschland. Nach den WIPO-Daten weist besonders die chemische Industrie einen hohen Frauenanteil auf. Rudloff-Schäffer nennt hierbei Namen wie LG Chem, L’Oréal und Henkel. Ähnlich sei es in der Pharmazie und der Biotechnologie, gering sei der Frauenanteil aber in der Automobilbranche und im Maschinenbau – entsprechend der Untersuchung des Austrian Institute of Technology. „Das ist nicht verwunderlich, denn der Frauenanteil in den Entwicklungsteams ist vergleichsweise gering. Das wird sich aber ändern, da bin ich mir sicher“, sagt Rudloff-Schäffer.
Dieser Artikel ist in unserer September-Ausgabe 2017 „Women“ erschienen.