Passion For Fashion

Mitten in Zürich arbeiten drei junge Gründer an einem grossen Wurf: Nicolas Schierle, Michael Mangold und Samuel Thoma vom Zürcher Start-up Labwear wollen mit ihrer Plattform Modemarken helfen, ihre Wertschöpfungskette schneller, effizienter und günstiger zu gestalten. Das Trio steht erst ganz am Anfang seiner Reise – doch das Ziel ist klar: die Modebranche zu revolutionieren.

Wer an die Zukunft der Modebranche denkt, hat vielleicht ein hippes Atelier in Paris im Kopf, oder einen talentierten Designer in New York. Geht es nach den drei Gründern von Labwear, ist die ­Zukunft aber in Zürich zu Hause, konkreter gesagt in ­einem kleinen Büro im Westen der Stadt. Dort stapeln sich nämlich nicht nur die Hoodies und T-Shirts, die Labwear als Samples für seine Kunden produziert hat, sondern mittlerweile auch die Mitarbeiter des Start-ups – zehn Köpfe zählt das Unternehmen, das mithilfe seines Ansatzes ­«Manufacturing as a Service» mithelfen möchte, qualitativ hochwertig produzierte Kleider ­schneller und effizienter an die Endkunden zu bringen.

«Wenn wir hier zu fünft sitzen, wird es schon laut», sagt Nicolas Schierle und lacht, «aber die Energie im Raum ist genau das, was uns antreibt.» Über die Labwear-Plattform ­können Modemarken voll automatisiert Kleidungsstücke in aktuell 16 Fabriken in Portugal produzieren lassen – mit deutlich geringeren Mindestmengen, schnelleren Lieferzeiten und hoher Transparenz. «Wir wollten eine ­Lösung schaffen, die sowohl kleinen als auch grossen Marken hilft, schneller, nachhaltiger und profitabler zu arbeiten», erklärt Schierle, neben ­Michael Mangold und Samuel Thoma einer der drei Gründer von Labwear.

Gemessen an den Dimensionen, die der Markt bietet, hat das Unternehmen, das zuletzt eine Mio. CHF Jahresumsatz erzielte, bisher noch nicht mal einen Krümel des Kuchens: Rund zwei Bio. US-$ beträgt das Volumen der Modebranche weltweit – und alle Akteure haben ähn­liche Probleme. Jährlich werden nämlich über 100 Milliarden Kleidungsstücke produziert, das entspricht mehr als zehn Teilen pro Person auf diesem Planeten. Doch darin einkalkuliert ist eine signifikante Überproduktion; lange Lieferketten und mangelnde Transparenz dominieren die Branche. «Die Modeindustrie ist riesig, aber auch extrem ineffizient», sagt Michael Mangold. «Wir sehen hier eine enorme Chance, mit Technologie echte Veränderungen herbeizuführen.»

Michael Mangold

Nicht umsonst arbeiten auch grosse Namen mit Labwear, darunter etwa die Vogue oder mit Strellson auch der grösste ­Herrenausstatter der Schweiz. Denn grosse wie kleine Mode­marken sind in der Regel vor allem auf ­Design und Marketing fokussiert, während die Wertschöpfungskette oft als notwendiges Übel angesehen wird. «Viele kleinere und mittelgrosse Labels stehen vor einem Dilemma: Sie wollen flexibel und innovativ sein, scheitern aber an den starren Strukturen der traditionellen Lieferketten», erklärt Schierle.

Labwears Ambitionen sind gross: Produzieren will das Trio in naher Zukunft auch in den USA und Vietnam, die Kunden sollen neben Europa auch bald aus Übersee kommen. Bis 2028 will das Start-up 50 Mio. CHF Umsatz erzielen; das wäre eine jährliche Wachstumsrate (Compound Annual Growth Rate, CAGR) von fast 200 %.

Die drei Gründer kennen sich bereits aus ­ihrer Schulzeit in Bad Ragaz, eine Stunde südöstlich von ­Zürich gelegen. Mangold und Thoma ­starteten damals ihr eigenes Label, während Schierle ­parallel ebenfalls an einer Marke arbeitete. Doch die Erfahrungen mit der Produktion waren ernüchternd: lange Wartezeiten, unzuverlässige Lieferungen, mangelnde Transparenz. Die Mindestbestellmengen lagen bei 500 Stück, was für kleine Marken schlicht unmöglich ist. Die Idee war nun, über eine grössere Bestellmenge Vertrauen zu ermöglichen. «Wir sind nach Portugal geflogen und haben um 60.000 € insgesamt 3.000 T-Shirts bestellt. Das war naiv, aber es war in ­gewisser Weise der Startschuss für alles, was danach kam», so Schierle.

Nicolas Schierle

Die Idee ging nicht auf – die Gründer mussten mit dem ersten Geld, das sie bei Labwear ver­dienten, den Kredit für die damalige ­Bestellung abzahlen. Aber der Fehlschlag führte sie zu der Idee, die sie aktuell beschäftigt: eine Plattform zu bauen, die diese Probleme für alle Modemarken gleichzeitig löst. Thoma erklärt: «Eine, die kleinen Marken den Zugang zu hochwertiger Produktion ermöglicht und grossen Marken mehr Agilität bietet.»

Während die Gründer die GmbH zu ­gleichen Teilen (je 33 %) halten, bildet sich die Rollenverteilung gerade jetzt heraus: ­Nicolas Schier­le agiert als CEO und ist v­erantwortlich für Sales (der Betriebswirt schloss sein ­Studium in St. Gallen ab), Samuel Thoma, der aktuell noch Elektro­technik studiert, ist für das Produkt ­zuständig; und Michael Mangold, der ebenfalls noch ­stu­diert (Wirtschaftsingenieurwesen), ­verantwortet das Marketing.

Die Plattform ist in jedem Fall das Herzstück des Unternehmens: «Alles, was wir tun, läuft über die Plattform», erklärt Thoma. «Von der Bestellung bis zum Tracking der ­Produktion – alles ist automatisiert.» Die Plattform ­reduziert nicht nur den manuellen Aufwand, sondern macht die gesamte Lieferkette ­effizienter und transparenter: «Wir zeigen unseren Kunden genau, in welcher Fabrik ihr Produkt gerade pro­duziert wird», so Schierle.

Auch für die Fabriken selbst hat Labwear eine Lösung entwickelt. «Wir haben ein Backend für die Produzenten gebaut, das ihre Arbeits­prozesse optimiert», sagt Mangold. «In der ­Modebranche wird noch immer vieles per E-Mail und auf Papier abgewickelt. Wir digitalisieren diese Prozesse.»

Ein nächster Schritt ist das Onboarding von bestehenden Lieferanten auf die Plattform. «Viele Modemarken sind von der Plattform überzeugt, wollen aber weiterhin mit ihren bestehenden Produzenten kooperieren. Hier arbeiten wir gerade an einer Lösung, die das schnell und einfach ermöglicht», so Mangold.

Der Umsatz von Labwear setzt sich aus ­einer Abogebühr zusammen, die aktuell zwischen 18 und 50 CHF pro Monat beträgt. Derzeit wird jedoch an einem Enterprise-Angebot für 2.000 CHF gearbeitet, das deutlich umfassendere Features bieten soll. Pro bestelltem Stück erhält Labwear zudem 20 % Marge. Doch das Start-up will flexibel bleiben, wie Schierle erklärt: «Für grössere Unternehmen entwickeln wir sogar individuelle Lösungen, die es ihnen ermöglichen, ihre eigenen Lieferanten in unser System zu integrieren.» Bis heute produziert Labwear auch selbst noch kleinere Mengen an T-Shirts, diese machen aber weniger als 10 % des Umsatzes aus.

Lange zuwarten will Labwear jedenfalls nicht, denn man will ein bedeutender Player in der Branche werden. «Speed ist entscheidend», so Schier­­le, «dazu müssen wir schnell ­wachsen.» Den Proof of Concept haben die Gründer aus ­eigener Sicht bereits erfüllt: «Wir sind heute in der Lage, Produkte in einem Bruchteil der Zeit herzustellen, die die Branche normalerweise braucht», sagt Mangold. «Unser Durchschnitt liegt bei ein bis vier Monaten von Bestellung bis Lieferung – das ist 75 % schneller als der Branchenstandard.»

Samuel Thoma

Wie wichtig Geschwindigkeit sein kann, zeigte sich auch in der Zusammenarbeit mit der Vogue. Der Kontakt kam zufällig zustande, da der Chef­redaktor von Vogue Ukraine nach Ausbruch des Kriegs in Zürich lebte. Über einen gemeinsamen Bekannten kam Labwear mit ihm ins Gespräch. Eigentlich wollten sie nur Feedback zur eigenen Idee haben, doch die Vogue hatte ein Problem zu lösen: Eine für die Paris Fashion Week geplante Kollektion sollte in nur vier Wochen ­produziert werden – eine Deadline, die niemand halten konnte. Labwear nahm die Herausforderung an und lieferte rechtzeitig, was dem Gründertrio auch die Möglichkeit bot, eine Ikone der internationalen Modeszene zu treffen, wie sich Schierle erinnert: «Wir waren dann in Paris und haben auch Anna Wintour (Vogue-Chefredakteurin, Anm.) getroffen. Das war natürlich alles sehr stressig, aber ein wichtiger Meilenstein für uns.»

Neben Effizienz spielt Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle bei Labwear. «Die Modebranche ist eine der verschwenderischsten Industrien der Welt», sagt Thoma, «30 % der produzierten Kleidung werden nie verkauft.» Mit ihrer Plattform wollen die Gründer diesen Verschwendungsgrad reduzieren: «Wir minimieren Überproduktion, indem wir kleinere Mengen effizient produzieren», erklärt Mangold.

Doch für Labwear geht Nachhaltigkeit über die Produktion hinaus. «Wir sammeln Daten ­entlang der gesamten Lieferkette», so Schierle, «unser Ziel ist es, die Modebranche transparent zu machen, damit echte Nachhaltigkeit möglich wird.» Die Daten sollen langfristig dazu beitragen, die CO2-Emissionen zu senken und Kreislaufwirtschaft zu fördern.

Für die Zukunft haben die Gründer ehrgeizige Pläne. «Wir wollen unser Geschäft global ausbauen», sagt Schierle. Besonders die USA seien ein attraktiver Markt. «Die Qualität, die wir bieten, ist dort gefragt. Gleichzeitig eröffnet uns die Digitalisierung viele Möglichkeiten.» Ein Vorteil für Labwear: Während das Start-up sich auf Technologie fokussiert, versteht es die Kreativen in der Branche. «Die CEOs oder Creative Directors der grossen Marken sind in der Regel Designer. Wir haben unsere Erfahrungen in der Branche gesammelt und sprechen daher ihre Sprache, obwohl wir ein Problem in der Wertschöpfungskette lösen», so Mangold.

In Sachen Marketing setzt Labwear auf ­Social Media – und Events. Auf Instagram ­folgen der Marke 117.000 Menschen, auf Tiktok sind es 18.000 Follower. Über Events soll zudem der Community-Gedanke gestärkt werden, der etwa auch durch limitierte Labwear-Pieces verstärkt wird, die ausschliesslich bei den Events verteilt werden. «Wenn jemand ein Labwear-T-Shirt trägt, wissen wir, dass die Person schon live mit uns interagiert hat. Das schafft Bindung», so Thoma.

Um das Wachstum zu stemmen, arbeiten die Gründer gerade an einer ersten Finanzierungsrunde und sind auf Investorensuche. Doch trotz grosser Pläne ist Wachstum nicht das einzige Ziel: «Wir wollen eine gesunde Firma aufbauen, die Arbeitsplätze schafft und die Branche ver­ändert», betont Mangold. «Unsere Mission ist es, Impact zu generieren – nicht nur Profit.»

Nicolas Schierle, Michael Mangold und Samuel Thoma kennen sich aus der gemeinsamen Schulzeit, während der sie als Labelgründer auch ihre ersten Schritte in der Modebranche machten. 2021 gründeten sie zusammen das Tech-Start-up Labwear.

Klaus Fiala,
Chefredakteur

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