PARADIESISCHE MEISTERLEISTUNG

In einem seiner seltenen Interviews spricht Oracle-Gründer Larry Ellison, der fünftreichste Mensch der Welt, mit Forbes darüber, wie er mit einer eigenen Insel, die er in ein 300 Millionen US-$ teures Wellnesslabor umgebaut hat, die Coronavirus-Pandemie bekämpfen will.

Larry Ellison war in seinem Anwesen in Kalifornien, als die Welt, wie wir sie kannten, aus den Fugen geriet. Die Rede ist vom 12. März 2020, dem zweiten „Schwarzen Donnerstag“ (nach 1929): Der US-Aktienmarkt erlitt seinen größten prozentualen Ein-­Tages-Rückgang seit dem Börsencrash 1987, Präsident Trump verhängte ein Einreiseverbot für Europäer, die NBA-Saison fiel ins Wasser und Tom Hanks gab bekannt, dass er am Coronavirus erkrankt ist. Ellison, der Gründer von Oracle, erlebte mit, wie die Aktien seines Unternehmens an diesem Tag um 11 % fielen.

Mit Oracle hat sich Ellison seit der Gründung 1977 durch die Sammlung und Verarbeitung von Daten ein Milliardenvermögen aufgebaut. Doch sein aktuelles Projekt heißt nicht Oracle, sondern Lanai. In den letzten acht Jahren hat Ellison rund 500 Millionen US-$ auf der hawaiia­nischen Insel ausgegeben, die er in ein „Labor für Gesundheit und Wellness“ verwandelt hat. Dabei setzt er auf die Unterstützung durch modernste Technologien und Tools zur Datenverarbeitung. „Unser Produkt ist Wellness“, sagt Ellison. Sein Unternehmen nannte er Sensei, nach dem japa­nischen Wort für Lehrmeister – und der Sensei von Sensei, so Ellison, seien die Daten.

Die Vision des Unternehmers war eine ­datengesteuerte, von sauberer Energie angetriebene Gesundheitsutopie, die weltweit als Prototyp dienen könnte. Doch das Projekt erregte auch anderweitig Aufmerksamkeit: Innerhalb weniger Tage nach Ausbruch der Coronakrise telefonierte Ellison mit US-Präsident Donald Trump. Beide wollen nicht sagen, wer das Telefonat initiiert hat.

Larry Ellison
... gründete 1977 den IT-Konzern Oracle. 2014 gab er die CEO-Rolle ab, ist heute aber noch als Executive Chairman und CTO beim Unternehmen an Bord. Forbes schätzt das Vermögen des US-Amerikaners auf 67,4 Milliarden US-$ (Stand: 3. Juni 2020).

Trump und der Oracle-Gründer wurden ­bereits im Februar 2020 öffentlich in Verbindung gebracht, als Ellison eine Spendenaktion für Trump auf dem Gelände seines Anwesens veranstaltete. Der sonst unpolitische Ellison relativiert gegenüber Forbes: „Ich sagte, Präsident Trump könne das Gelände nutzen. Ich selbst war nicht hier.“ Er würde jeden Präsidenten unterstützen, der das Amt innehat. „Ich glaube nicht, dass er der Teufel ist – ich unterstütze ihn und möchte, dass er die Coronakrise gut löst“, so Ellison.

Denn ohne Impfung experimentieren Ärzte weltweit mit Medikamenten, die bei der Bekämpfung von Covid-19 helfen könnten. Ellison ­fragte Trump, ob es eine „Clearingstelle“ gebe, die in Echtzeit die Wirksamkeit von Behandlungen verfolge. Trump verneinte. Also erklärte Ellison, ein solches System bauen zu wollen. Innerhalb von einer Woche stellte Ellison ­Softwareingenieure von Oracle ab, die zusammen mit der Food and Drug Administration (FDA), den National Institutes of Health und anderen Bundesbehörden an einer Datenbank der Coronavirusfälle arbeiten sollen. Die Ärzte sollen dabei jeden Covid-19-Fall, der medikamentös behandelt wird, registrieren – das System sendet dann täglich E-Mails an den Arzt oder den Patienten, um einen Bericht über die Symptomentwicklung zu erstellen.

Ellisons Geburtsort lässt ganz und gar nicht auf eine paradiesische Insel schließen: Als Sohn einer alleinerziehenden Mutter wuchs er in der New Yorker Bronx auf – bis die Mutter entschied, ihn zu ihrer Tante nach Chicago zu schicken. Ellison besuchte die University of Illinois und die University of Chicago, ohne je ein Studium abzuschließen. Mit 21 Jahren zog er inmitten der Gegenkultur- und Bürgerrechtsbewegungen der 1960er-Jahre nach Kalifornien. Damals hörte er zum ersten Mal von Lanai, zu dieser Zeit eine Ananasplantage im Besitz der Dole Food Company. „Ich schaute nach, wie viel es kosten würde, Dole zu kaufen. Es waren weit mehr als die 1.200 US-$, die ich auf dem Konto hatte“, sagt Ellison. Danach arbeitete er sich elf Jahre lang auf der Karriereleiter verschiedener Technologie-Start-ups nach oben. 1977 – zwei Jahre nachdem Bill Gates Microsoft gegründet und ein Jahr nachdem Steve Jobs Apple auf den Markt gebracht hatte – startete Ellison zusammen mit seinen Partnern Robert Miner und Edward Oates Oracle.

Das Unternehmen begann mit dem Verkauf von Datenbankmanagement-Software und revolutionierte damit die Art und Weise, wie Unternehmen Geschäftsaktivitäten speichern und analysieren. Der Rückschlag folgte 1990: Oracle soll seine Unternehmenszahlen durch den zusätzlichen Verkauf unfertiger Produkte aufgebläht haben – die Marktkapitalisierung fiel von 3,7 Milliarden US-$ auf 700 Millionen US-$. Kunden und Banker rieten Ellison, zurückzutreten, doch das war keine Option für den Unternehmer. Oracle erholte sich und erweiterte sein Angebot.

Der Hafen von Manele und der Flughafen von Lanai gehören zu jenen 2 % der Insel, die Ellison nicht besitzt. Der Rest der 365 Quadratkilo­meter gehört alleine dem Milliardär. Den Farmkomplex namens Sensei gründete er 2018, zusammen mit dem umstrittenen Mediziner David Agus. Auf der Insel widmet man sich drei Themenkomplexen: der globalen Lebensmittelversorgung, der Ernährung und dem Übergang von fossilen Brennstoffen zu nachhaltigen Energiequellen. Sensei verfügt bereits über ein Luxus-Spa, wo die Nacht 3.000 US-$ kostet. Inzwischen hat die benachbarte Sensei-Farm auch zwei aktive Gewächs­häuser, vier weitere sind auf dem Weg. Sie sind mit Sensoren und Kameras ausgestattet, um Daten über den Wasserverbrauch oder die Luftdurchflussrate zu sammeln und die optimale Umgebung für verschiedene Pflanzen zu berechnen.

Die Gewächshäuser, die um 90 % weniger ­Wasser verbrauchen als herkömmliche landwirtschaftliche Techniken, werden von 1.600 Solarpaneelen von Tesla mit Energie versorgt – Ellison sitzt im Board dieses Unternehmens. Die insgesamt sechs Gewächshäuser sollen über etwa 500 Tonnen Nahrung pro Jahr produzieren, und zwar in einer kontrollierten Umgebung, von der Ellison hofft, dass diese auf der ganzen Welt reproduziert wird.

Lanai zu besitzen bedeutet, das Paradies zu besitzen.

Der Zeitpunkt ist günstig. Bezüglich ­möglicher Gewinner hinsichtlich der Corona­virus-Pandemie nannte das Statistikunternehmen Jefferies die Wellnessbranche: Das Thema persönliche Gesundheit sei aktuell wie nie zuvor. Während Ellisons Covid-Datenbank für manch einen nicht früh genug kommen kann, löste sie aber auch bei vielen Besorgnis aus. Die Befürchtung der US-Bürger: Donald Trump könnte bestimmte Informationen nutzen, um randomisierte kli­nische Studien zu umgehen.

„Ich wüsste nicht, warum man gegen das Projekt wetten sollte. Es geht nur darum, Beweise für Dinge zu finden, die in der realen Welt passieren“, so David Agus, Arzt und Mitgründer von Sensei. Ellison und er würden klinische Studien unterstützen – und gleichzeitig für die Nutzung von Echtzeitdaten in Kombination mit den Studien plädieren. „Wir arbeiten nicht für Präsident Trump. Wir arbeiten für das Volk.“, so Agus.

Die Übung könnte auch Ellisons Lanai ­gelegen kommen. Denn Ellison ist selbst ein Gesundheitsfanatiker, der täglich Tennis spielt und bislang etwa eine Milliarde US-$ für die Krebsforschung und Forschung zum menschlichen ­Alterungsprozess gespendet hat. So könnte er also einen weiteren Datensatz für seine Mission heranzüchten und der „Utopie durch Information“ einen Schritt näher kommen.

Text: Angel Au-Yeung
Foto: Jamel Toppin

Der Artikel ist in unserer Mai-Ausgabe 2020 „Geld“ erschienen.

Forbes Editors

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