Pack dir dein Glück

Von der Schulbank zum Start-up: Bernhard Bocksrucker und Maximilian Welzenbach hatten schon früh die Vision, ein nachhaltiges Unternehmen zu gründen. Mit Afreshed retten sie nun Obst und Gemüse, das aufgrund optischer Mängel aussortiert wurde. Im Interview erklären die beiden ­­„Under 30“-Listmaker, warum sie die D2C-Logistik ihrer Bio-Retterboxen selbst steuern.

Im Dachgeschoss eines Zinshauses in der Gumpendorfer Straße hat das Linzer Start-up Afreshed sein neues Headquarter in Wien ­bezogen. Der Umzug ist noch im Gange: Tische mit PCs und Stühle stehen schon ­bereit – deutlich zu spüren ist auch der Wille, das Wachstum des Unternehmens weiter voranzutreiben. Die drei Gründer Lukas ­Forsthuber, Bernhard Bocksrucker und Maximilian Welzenbach stammen ursprünglich aus Linz, wo sich bis vor wenigen Wochen ihre Zentrale ­befand. Das Führungsteam deckt verschiedene Aufgabengebiete ab: Forsthuber konzentriert sich auf die Supply Chain, Bocksrucker managt die Finanzen und Welzenbach ist für das Marketing zuständig.

Ihr 2021 gegründetes Unternehmen vertreibt sogenannte „Bio-Retterboxen“ und „Bio-Saison-­Boxen“, die biologisches Obst und Gemüse enthalten, das aufgrund von Form oder Größe nicht den Handels­normen entspricht. Kunden können über die Website Obst-, Gemüse- oder Mixboxen bestellen und zahlen im Schnitt 3,50 bis 5 € pro Kilo. Beim Bestellprozess setzt ­Afreshed auf Flexibilität: „Unsere Kunden haben sogenannte Soft-Abos – sie können das Lieferintervall einstellen, es jederzeit ändern oder kündigen“, erklärt Welzenbach. Besonders beliebt ist eine Lieferung im Zwei-Wochen-Rhythmus. „Die Fünf- und die Sechs-Kilo-Mischkiste sind unsere absoluten Bestseller.“

Bemerkenswert für das junge Unternehmen ist der klare Fokus auf Eigenständigkeit, der sich in ­allen Bereichen widerspiegelt. Wenn es um die Warenwirtschaft geht, lautet das Motto der ­Gründer: Own your supply chain. Deshalb ­eröffnete das Unternehmen im vergangenen Jahr einen 1.200 Quadrat­meter großen Logistikhub in der Nähe von Wien. Dadurch entstanden zehn zusätzliche Arbeitsplätze in der Verpackung. Das Mastermind hinter der eigenen Supply Chain ist Lukas Forsthuber, der vor eineinhalb Jahren nach Wien gezogen ist.

Der neue Standort bietet ­mehrere Vorteile: die hohe Kundendichte im Raum Wien, die zen­trale Lage als logistisches Drehkreuz des Landes und eine ideale ­Immobilie mit passender Infrastruktur einschließlich Kühlflächen und Solaranlage.

Die größte Freude für die ­Unternehmer ist jedoch die Tat­sache, dass sie unabhängig sind: „Wir haben viel mit ­Dienstleistern zusammengearbeitet, sei es bei der Logis­tik oder beim ­Packaging. Aber speziell, wenn die Situation ­schwieriger wird, wie jetzt in der angespannten wirtschaftlichen Lage, kann die Abhängigkeit von ­solchen Partnerschaften schnell zu einer Schwachstelle werden“, ­erklärt Bocks­rucker.

Afreshed bedient etwa 5.500 aktive Abonnenten,
insgesamt sind mehr als 45.000 Nutzer registriert.

Neben eigener Lagerung und ­eigener Verpackung strebt Afreshed auch im Bereich Transport nach Unabhängigkeit. „Seit ein paar Wochen haben wir jetzt sogar unseren eigenen Fuhrpark. Das erlaubt uns, noch besser auf die Wünsche der ­Kunden einzugehen, wie etwa spezifische Abstellorte oder die Lieferung ­direkt vor die Wohnungstür.“

Das Unternehmen ­erzielte 2023 einen Umsatz von 4,7 Mio. €, der 2024 auf sechs Mio. € ­erhöht werden konnte. 2024 erzielt ­Afreshed ein positives Jahres­ergebnis; ein großer Erfolg für das Start-up, das fast zur Gänze eigen­finanziert ist. „Wir besitzen 93 % der Anteile selbst“, so Bocksrucker.

Statt große Investoren an Bord zu holen, setzte Afreshed auf stille Beteiligungen sowie Förderungen. Die erste größere Finanzierungsrunde kam vergleichsweise spät: „Das war erst Ende 2022, als wir ­bereits einen Jahresumsatz von drei Mio. € hatten“, so Welzenbach. Zusätzlich konnte das Gründerteam mit einem durch das AWS-Double-Equity-Programm verbürgten Kredit (AWS ist die Förderbank des Bundes) für die Zukunft planen – „dadurch blieben wir profitabel, auch wenn das Wachstum wegen des begrenzten Kapitals langsamer war“, so Bocksrucker. „Es war uns aber wichtig, eine gesunde und stabile Firma zu bauen.“

Die Idee, ein eigenes Unter­nehmen zu gründen, entstand bereits in der Schulzeit, als die drei Gründer dasselbe Gymnasium besuchten. „Das war schon immer ein Traum von uns, dass wir uns selbstständig machen – zu dritt“, sagt Bocksrucker. Fasziniert von der Lebensmittel­branche begannen sie zunächst mit verschiede­nen ­Experimenten, etwa mit der Herstellung von Riegeln aus Produktions­überschüssen. „Wir sind zu Produktionsbetrieben gegangen, haben geschaut, was übrig bleibt, und versucht, daraus Produkte zu entwickeln“, erzählt Welzenbach. Doch diese ersten Versuche waren nicht erfolgreich.

Der entscheidende Moment kam, als die Gründer auf einen Landwirt in Oberösterreich stießen, der jede Woche 20 Tonnen Kartoffeln aussortierte – hauptsächlich aufgrund optischer Mängel. Diese landeten in einer Biogasanlage, ­obwohl sie noch genießbar waren. „Das war der Punkt, wo wir gesagt haben: ‚Wir bieten es einfach an und schauen, ob die Kunden es kaufen!‘“, so Bocksrucker.

Die ersten Wochen der Auslieferung der Bio-Retterbox waren geprägt von intensiver Arbeit und improvisierten Abläufen. „Wir haben uns wirklich die Nächte um die Ohren geschlagen“, erzählt Maximilian Welzenbach. „Bernhard hat sich sonntags um vier Uhr morgens ­einen Lieferwagen bei Sixt geholt, ist zu den Landwirten gefahren, hat die Ware ins Lager gebracht und dann die ersten Kisten selbst ausgeliefert.“ Parallel dazu übernahm Forsthuber Routen in Niederösterreich, während Welzenbach selbst das Mühlviertel abklapperte.

Am Ende sollten sich die Anstrengungen auszahlen: Bereits im ersten Jahr verpackte das Team alle zwei Wochen rund 500 bis 600 Kisten. Die intensive Phase war auch deshalb wertvoll, weil sie die Bedürfnisse der Kunden hautnah erleben konnten: „Wir konnten sehr viele Gespräche führen und unglaublich viel lernen“, so Welzenbach. Die Nähe zu den Kunden half dem Team dabei, wichtige Einblicke in ihre Hauptzielgruppe zu gewinnen: junge Familien in Neubau­gebieten. „Wir haben nicht mehr nach Hausnummern gesucht, sondern nach Neubauten mit Kinderwagen vor der Tür“, sagt Welzenbach und lächelt. „Das war schon fast eine Art Orientierungshilfe: Die leere Kiste von der Vorwoche stand oft noch vor der Haustür; so wussten wir genau, wo wir hinmussten.“

Im Lauf der Zeit hat sich die Bio-Retterbox stetig weiterentwickelt: „Am Anfang war es eine Kartonbox mit Kartoffeln, Zwiebeln, Karotten und vielleicht einem Salat. Die haben wir mit normaler Paketlogistik verschickt“, so Welzenbach. „Jetzt haben wir unsere eigenen Kisten, die wir wieder ­mitnehmen und in einem Kreislauf halten.“ Auch die Produktzusammensetzung ist umfangreicher geworden: „Wir haben mittlerweile ein viel größeres Netzwerk und sourcen direkt von den Produzenten – ob in Österreich, Italien oder den Niederlanden. So können wir die Saisonalität besser abdecken und ein breiteres Angebot bieten.“

In Zukunft soll das Kundenerlebnis noch stärker in den Mittelpunkt rücken. „Wir möchten zeigen, wo die Produkte herkommen, und mehr Einblick in die Zusammenarbeit mit unseren Landwirten geben“, kündigt Welzenbach an. Mit diesen Plänen möchte Afreshed nicht nur das Einkaufserlebnis verbessern, sondern auch das Bewusstsein für nachhaltige Lebensmittel stärken: „Jetzt, wo der Block mit eigener Lieferung, eigenem Lager und eigener Verpackung abgeschlossen ist, können wir uns im nächsten Jahr auf diese Themen konzentrieren.“

Mit 23 Jahren haben Maximilian Welzenbach und Bernhard Bocksrucker, Mitgründer von Afreshed, es in diesem Jahr auf die Under 30-Liste von Österreich geschafft.

Fotos: Katharina Gossow

Paul Resetarits,
Redakteur

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