Mit dem FORBES-NEWSLETTER bekommen sie regelmässig die spannendsten Artikel sowie Eventankündigungen direkt in Ihr E-mail-Postfach geliefert.
Nach seinem ersten Arbeitstag wollte Tamer Tayyar seinen neuen Job in der Speditionsbranche hinschmeißen. Er hielt dem Druck aber stand und arbeitete weiter, bis er sich 2017 mit seinem eigenen Speditionsunternehmen Beelog selbständig machte. Das Asset des jungen Unternehmens: Transporte von Europa in die Türkei – und vice versa. Tayyars Ziel ist es, der dominante Spediteur für den Orient zu werden.
Wieso entscheidet man sich als junger Mensch, in der Speditionsbranche tätig zu werden?
Entscheidung kann man es nicht nennen, eigentlich war es eher Zufall. Es war nie mein Ziel, in der Logistik anzufangen, es entwickelte sich die Liebe zur Logistik, wie vieles im Leben, zufällig. Durch eine gute Freundin erfuhr ich über die für mich passende Stelle als Transportmanager, die Türkisch-Kenntnisse voraussetzte. Nach meinem Schulabschluss ergab sich für mich die Chance bei einem renommierten österreichischen Transportunternehmen meine Karriere als Transportmanager zu starten.
Wie sah ihr erster Tag in der Branche aus?
Der erste Arbeitstag begann in einem für mich ungewohnten Umfeld – ein Großraumbüro mit knapp 150 Mitarbeitern. Ungewohnt, weil es auf den ersten Blick durch den sehr hohen Lärmpegel sehr chaotisch schien, da jeder lautstark telefonierte, Routen besprach oder in die Tastatur hämmerte. Ich fühlte mich wie unter Brokern an der Wall Street, wie man es aus Filmen kennt. Dies waren für einen 18-jährigen Schulabsolventen beeindruckend und beängstigend zugleich. Die Fluktuation in dieser Branche ist auch deshalb ziemlich hoch. Wenn man in diesem Geschäftszweig etwas erreichen will, dann muss man lieben, was man tut. Von außen sieht das alles sehr simpel aus, man organisiert ja nur einen LKW, sagen manche. Doch von A nach B fahren wir hundertmal das Alphabet runter.
Wie darf man sich den Arbeitsalltag als Mitarbeiter vorstellen?
Der Arbeitstag beginnt mit dem Tagesgeschäft und den dazugehörigen Aufgaben wie E-Mails beantworten, LKW-Tracking und Einplanung der Transporte. Als international tätiges Unternehmen haben wir die Aufgabe, unsere Geschäftsbeziehungen durch Geschäftsreisen persönlich zu pflegen, darum sind unsere Mitarbeiter regelmäßig weltweit unterwegs. Nach meinem ersten Arbeitstag in der Branche ging ich mit Kopfschmerzen nach hause. Ich wollte alles hinschmeißen, doch ich riss mich zusammen und ging am nächsten Tag wieder hin. Ich erzähle auch jedem meiner Mitarbeiter, dass der erste Tag auch für mich eine Katastrophe war. (lacht)
Insgesamt waren Sie zehn Jahre in der Logistik tätig, bevor Sie sich selbstständig machten. Wie kam es dazu?
Ich konnte in den zehn Jahren im Beruf unterschiedliche Unternehmen und deren Strukturen kennenlernen. Nachdem ich meine Stärken und Qualifikationen in der Branche erkannt habe, musste ich etwas daraus machen und es kam nur noch die Selbständigkeit in Frage. Ich hatte als Mitarbeiter damals das Gefühl, nicht die Anerkennung für meine Arbeit zu bekommen, die mir zugestanden wäre. Daher war ich der Meinung, dass ich das besser machen kann. Durch diesen Gedanken und der Motivation meiner Frau entstand das Unternehmen mit den fleißigen Bienen – Beelog.
Was waren Ihre ersten Schritte nach der Unternehmensgründung?
Die Geschichte der Gründung mag klischeehaft klingen, doch es begann alles im Kinderzimmer mit einem Schreibtisch und einem Computer. Um Geschäftsbeziehungen zu knüpfen, war ich die ersten Monate nur am Telefon. Ich wollte mir einen Kundenstamm aufbauen. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass diese Aufgabe so schwierig sein würde. Die gezielte Akquise von Kunden mit einem Transportaufkommen für die Türkei nahm sehr viel Zeit in Anspruch. Deshalb verlief mein erster Transport von Österreich nach Polen. Mit der Zeit gewann ich auch erste Kunden für die Türkei, dann kam alles ins Rollen.
Tamer Tayyar
stieg nach seinem Schulabschluss in die Speditionsbranche ein. 2017 gründete er mit Beelog sein eigenes Transportunternehmen. Heute hat das Unternehmen zehn Mitarbeiter, macht fünf Millionen € Umsatz und wickelt im Jahr 4.000 Komplettladungen ab.
Was war ihr Alleinstellungsmerkmal? Was wollten Sie erreichen?
Da ich bei unterschiedlichen Unternehmen Erfahrung sammeln konnte, war für mich immer klar, was ich anders und besser machen musste. Dazu gehören die Zufriedenheit der Kunden und die Wertschätzung für die Mitarbeiter. Das macht Beelog aus.
Haben Sie die Gründung bereut?
Anfangs hatte ich hin und wieder Alpträume, dass mein Traum platzen könnte, doch durch die mentale Unterstützung meiner Familie und meiner Zielstrebigkeit, hielt ich an meinem Traum fest.
Welchen Warenfluss gibt es zwischen der Türkei und der EU?
In der Türkei haben sich einige Automobilhersteller und Zulieferer niedergelassen. Einige Unternehmen aus dieser Branche zählen zu unseren Stammkunden. Zudem spielen Rohstoffe und die Textilindustrie eine sehr große Rolle. Auch hier können wir in der Branche durchaus bekannte Unternehmen zu unseren Kunden zählen.
Wo sind in der Branche Innovationen möglich?
Neben unserem Kerngeschäft, den Straßentransporten, bieten wir auch grüne Lösungen per Bahn und Schiff an. Dadurch leisten wir unseren Beitrag an der Co2-Reduktion. Weitere Innovationen sind etwa die Modernisierung unserer Software, wodurch wir unseren Kunden ein besseres Service bieten können.
Strukturieren Sie die Aufgaben in ihrer Firma genauso wie sie das bei ihren letzten Arbeitgebern gelernt haben?
Nein, es ist mein Motto, es anders und besser zu machen. Jeder Mitarbeiter hat seine Stärken und Schwächen, ich als Arbeitgeber versuche, diese in der richtigen Position einzusetzen. Deswegen hat jeder Mitarbeiter seinen eigenen Verantwortungsbereich und es herrscht eine klare Arbeitsteilung. Jeder soll das machen, was er gut kann. Alles gleichzeitig zu machen, heißt oftmals wenig gut zu können.
Was haben Sie in Zukunft noch vor?
Neben unserem Büro in Istanbul/Pendik haben wir uns dazu entschieden, eine weitere Niederlassung außerhalb des Stadtzentrums zu errichten. Unser Büro in Tekirdag/Corlu eröffnet demnächst. Die Industrie siedelt sich zunehmend in dieser Region an, da sie nicht so dicht besiedelt ist wie Istanbul – und wir sind gefolgt. Da es unser Ziel ist, ein gesundes Wachstum zu erreichen, werden auch 2021 Mitarbeiter in der Zentrale in Wien und in den Niederlassungen in der Türkei eingestellt.
Text: Muamer Bećirović
Foto: David Višnjić
Diese Advoice erschien in unserer türkischen Forbes Daily Ausgabe zum Thema „Wiener Wirtschaft“.