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Letzte Woche hätte ich mich letztendlich zur Impfung anmelden können. Ich habe verzichtet, da ich nach überstandener Infektion noch Antikörper besitze und anderen den Vortritt lassen wollte. Wenn man sich die Geschwindigkeit vor Augen führt, ist es durchaus bewundernswert: Nur 15 Monate nach Ausbruch der Pandemie konnte ein nicht gefährdeter Mensch sich mit einem wirksamen Impfstoff gegen eine CoronavirusInfektion schützen lassen.
Gleichzeitig stößt mir die Debatte, die die Vergabe der Impftermine begleitet, sehr sauer auf. Österreich, die Schweiz und Deutschland sind bei den Impfungen mit etwas unterschiedlichem Tempo, aber doch recht ähnlich unterwegs. Fazit: Vulnerable Personen sind weitgehend geimpft, junge Menschen müssen noch warten. So weit, so gut.
Doch versetzen wir uns einmal in die 16-, 17- oder 18-jährigen jungen Menschen: Über ein Jahr haben diese Personen auf so ziemlich alles verzichtet, was die Jugend lebenswert macht: auf Treffen mit Freunden, das Ausgehen, Freizeitmöglichkeiten, selbst den Schulbesuch. Und zwar nicht, um sich selbst zu schützen – ein gesunder Jugendlicher hat statistisch gesehen bei einer Infektion relativ wenig zu befürchten –, sondern um besagte vulnerable Gruppen zu schützen.
Nun öffnen gerade der Handel und die Gastronomie, man darf wieder reisen und sich freier bewegen. Normalität kehrt ein. Dass im Rahmen der letzten Wochen – während junge Menschen weiterhin auf ihre Impftermine warten – jedoch offen diskutiert wurde, die Maskenpflicht abzuschaffen und geimpften Menschen gewisse Privilegien zu geben, muss sich für die Jugend wie ein Schlag ins Gesicht anfühlen. Über ein Jahr lang verzichten, aus Solidarität gegenüber allen anderen – und sobald jene, die man geschützt hat, aus dem Schneider sind, werden die Jungen erneut massiv benachteiligt? Das ist zynisch, das ist dumm, das ist unsolidarisch. Denn Solidarität funktioniert nur in beide Richtungen. Masken in öffentlichen Verkehrsmitteln und Supermärkten zu tragen und noch ein paar Wochen auf Privilegien zu verzichten kann jedem zugemutet werden.
All das ist ein Spiegelbild einer anderen Krise, die uns zum Großteil noch bevorsteht und in der sich der Konflikt zwischen Alt und Jung wohl ebenfalls zuspitzen wird: der Klimakrise. Wie auch in der Coronapandemie leiden junge Menschen dabei überproportional – diesmal aber nicht aus bewusst gewählter Solidarität mit, sondern wegen der Rücksichtslosigkeit der früheren Generationen.
Dass junge Menschen trotz allem weiterhin aktiv sind, Tatendrang zeigen, nicht aufören, ihre Rechte einzufordern, und dabei auch noch Lebensfreude versprühen, ist bemerkenswert. Ich weiß nicht, ob ich das damals geschafft hätte. Doch es gibt Hoffnung, dass „die Jungen“ die Herausforderungen meistern werden. Welche Rolle wir – die älteren Generationen – dabei spielen, können wir selbst entscheiden. Wenn wir uns am Riemen reißen, können wir begleiten, mitgestalten, Rat geben. Falls wir weitermachen wie bisher, werden wir links liegen gelassen, da jegliches Vertrauen verspielt ist. Ich hoffe sehr, dass Ersteres gelingt. Ganz einfach wird das angesichts der aktuellen Debatten jedoch nicht.
Text: Klaus Fiala
Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 5–21 zum Thema „Travel & Tourism“.