Mit dem FORBES-NEWSLETTER bekommen sie regelmässig die spannendsten Artikel sowie Eventankündigungen direkt in Ihr E-mail-Postfach geliefert.
„Biblisch“, lautete der Kommentar, als New York im September 2023 von enormen Regenfällen erfasst wurde. In der Folge wurde die Stadt massiv überflutet – und das nicht zum ersten Mal. Videos zeigen Wassermassen, teils kniehoch, die sich durch die Straßen von Brooklyn drücken; Autos, die bis zur Türmitte in braungrünem Wasser verschwinden. Stündlich erschienen neue Notfallmeldungen auf den Handys, die die New Yorker vor der lebensbedrohlichen Situation warnen sollten.
Die New Yorker U-Bahn musste viele Linien außer Betrieb nehmen. Auch die unterirdischen Stationen, die naheliegenderweise besonders sensibel für Flutereignisse sind, wurden nicht zum ersten Mal von extremen Wetterereignissen erfasst: Im Sommer 2021 zeigte ein Video, das in den sozialen Netzwerken verbreitet wurde, wie Fluten in einer New Yorker U-Bahn-Station eintreffen. Gewaltige Wassermassen schießen darin die Treppen herunter und sprudeln mannshoch aus den Aufgängen heraus auf die Plattform. Andere Clips zeigen Wasser, das wasserfallartig aus der Decke schießt, und U-Bahn-Eingänge, die kniehoch überflutet sind. Stürme, massive Regenfälle und Sturzfluten wie diese sind keine Seltenheit in New York.
Die Fluten in New York werden stärker und häufiger. Diverse Faktoren machen die Stadt anfällig für solche Ereignisse: New York hat knapp 873 km Küstenlinie, das ist mehr als die Städte Los Angeles, Boston, Miami und San Francisco zusammen. Zusätzlich drückt das Gewicht von etwa einer Million Gebäuden und bis zu neun Millionen Menschen die Stadt nach unten – New York sinkt mit etwa derselben Geschwindigkeit wie Venedig.
„Wir sehen immer mehr die Folgen von starken Regenfällen, dem steigenden Wasserspiegel und der Hitze – und die Anpassung des Systems daran ist ein großes Ziel von mir“, erklärt Jamie Torres-Springer, der bei der Metropolitan Transportation Authority (MTA), der Behörde für den öffentlichen Verkehr, den Bereich für Entwicklung und Bau leitet. Seine Abteilung ist dafür zuständig, das New Yorker Transitnetzwerk zu verbessern, zu warten und zu erweitern. Dazu gehören die U-Bahnen und Busse, aber auch Tunnel und Regionalzüge, die Long Island und das nördliche Umland New Yorks mit der Stadt verbinden. Auch das große Thema Klimawandel beschäftigt die MTA in zweifacher Hinsicht: Da ist zum einen der Bereich Nachhaltigkeit und Resilienz und zum anderen der Bereich Schadensbegrenzung und Anpassung.
Die MTA spielt eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, die Metropolregion New York klimafreundlicher zu machen. Im Gegensatz zum Rest der USA sind öffentliche Verkehrsmittel hier ein fixer Bestandteil des Alltags der Bewohner. Während der Großteil der Vereinigten Staaten – insbesondere wegen der lokalen Infrastruktur – massiv von Autos abhängig ist, kommt man in der Region New York mit Bus und Bahn von A nach B.
Rund 22 Millionen Tonnen CO² pro Jahr werden so bereits eingespart, so Torres-Springer. Abzüglich zwei Millionen Tonnen, die die MTA pro Jahr selbst emittiert, sei seine Behörde so für Einsparungen an Treibhausgasen in Höhe von 20 Millionen Tonnen zuständig.
Doch es könnte noch mehr sein. Die MTA will ihre eigenen Emissionen weiter reduzieren, um 85 % bis zum Jahr 2040 (verglichen mit den Werten aus dem Jahr 2015). Das soll zum einen durch die Umstellung der Busflotte auf rein elektrische Modelle gelingen – kein triviales Unterfangen, denn neben dem Austausch von rund 6.000 Bussen muss zum anderen auch eine Ladeinfrastruktur dafür gebaut werden. So müssen in den kommenden Jahren die Busdepots aufwendig umgebaut werden, erklärt Torres-Springer. Zudem müssen große Strommengen zu den Depots kommen; „das ist sehr kompliziert“.
Der Umbau der Busflotte steht jedoch nur für einen Teil der Maßnahmen, die das oben genannte 85-%-Ziel wahr werden lassen sollen. Der Rest soll durch Effizienzverbesserungen im U-Bahn-System eingespart werden. Dabei geht es um technische Fragen, zum Beispiel zum generativen Bremsen, erklärt Torres-Springer. In einem letzten Schritt soll es dann auch um den Strom selbst gehen – denn die MTA ist laut Torres-Springer ein „großer, großer Stromkonsument“. Die Elektrizität soll künftig aus erneuerbaren Quellen kommen.
Abseits dieses Beitrags, den die New Yorker U-Bahn-Behörde leisten will und kann, spürt die MTA die Auswirkungen der Klimakrise aber auch selbst unmittelbar. „Auch trotz aller Bemühungen erkennen wir natürlich an, dass der Klimawandel kommen wird und wir uns daran anpassen müssen“, so Torres-Springer.
Bereits nach dem Supersturm Sandy im Jahr 2012 wurde die Frage nach der Beständigkeit des Systems gegen Klimakatastrophen in den Fokus gerückt. Mehr als sieben Mrd. US-$ seien für die Adaption bereitgestellt worden.
In erster Linie sei man damit auf MTA-Infrastruktur eingegangen, die sich in Küstennähe befindet, nun konzentriere man sich auf die Auswirkungen starker Regenfälle, erklärt Torres-Springer. Gleichzeitig bleibt das Kerngeschäft der MTA aber auch ein probates Mittel, um die Folgen der Klimakrise abzumildern: die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel.
In den USA ist der Verkehr für rund ein Drittel der CO²-Emissionen verantwortlich. Der allergrößte Teil davon ist auf den Individualverkehr zurückzuführen. Das liegt auch daran, dass ein so gut ausgebautes Bahn- und Bussystem wie das in New York selbst in anderen US-Großstädten eine Seltenheit ist.
Trotzdem kämpfte New Yorks U-Bahn-Behörde zuletzt darum, die Passagierzahlen zu stabilisieren. Mehr als drei Millionen Menschen fahren jeden Tag mit der Subway, hinzu kommen mehr als eine Million Menschen in den Bussen der Stadt. Das ist eine gewaltige Zahl, entspricht jedoch noch nicht der Nutzung vor der Pandemie. Auch vier Jahre nachdem Covid-19 die Stadt zum Erliegen brachte, liegt die Zahl der täglichen Nutzer konstant unter dem Niveau von 2019. 2014 verzeichnete die MTA mehr als sechs Millionen Passagiere am Tag – bei einer Gesamtpopulation der Stadt von gut acht Millionen Menschen.
Torres-Springer verweist bei den Passagierzahlen jedoch auch auf eine große Zahl von Schwarzfahrern. Wer behände über die Drehkreuze springt oder einen offenen Notausgang nutzt, zahlt für die U-Bahn nichts und geht auch nicht in die Statistik ein. Für die MTA ist das ein großes Problem – Torres-Springer nennt das Schwarzfahren eine „Epidemie“, insbesondere auch deshalb, weil sich die MTA zu einem großen Teil aus dem Fahrgeld der Passagiere finanziert.
Aktuell sind das knapp 23 % des operativen Budgets. Eine Fahrt kostet bei der MTA 2,90 US-$. Passagiere zahlen beim Eintritt in das U-Bahn-System kontaktlos per Smartphone oder Kreditkarte und können sich dann beliebig lang mit beliebig vielen Umstiegen im System bewegen. Insbesondere mit der Pandemie, als die Nutzung der U-Bahn massiv einbrach, waren mehr Mittel durch den Staat notwendig. Die MTA beschäftigt sich eingehend mit der Frage, wie zahlende Kunden besser an das System gebunden werden können. Für Torres-Springer zählen speziell zwei Faktoren, wenn es darum geht, die Passagierzahlen stabil zu halten: Verlässlichkeit und Sicherheit.
Torres-Springer lobt die Pünktlichkeit, besonders bei den Regionalbahnen, die Pendler von Long Island und aus dem nördlichen Umland New Yorks in die Stadt bringen. Auch bei der U-Bahn habe sich die Pünktlichkeit zuletzt stetig verbessert. Ein anderer Faktor sei der Zugang zu Informationen, wofür eine neue App in Arbeit ist.
Beim Thema Sicherheit zeigt sich ein gemischtes Bild. Zwar ist die Kriminalität in den Bussen und Bahnen im Jahr 2023 laut Bürgermeister Eric Adams um 2,6 % gesunken, zumindest zum Jahresbeginn zeigen jüngste Daten aber einen anderen Trend: Die New Yorker Polizei zählte im Januar 222 Kriminalfälle im Transit – ein Anstieg von 46 % gegenüber dem Vorjahresmonat. Dennoch betont Torres-Springer die Sicherheit der U-Bahn: Auch wenn es in bestimmten Kategorien noch Probleme gebe, sei die U-Bahn extrem sicher. „Es ist die sicherste Art und Weise, um von A nach B zu kommen“, so der Verkehrsmanager. Zusätzliche Initiativen wie mehr Polizei und Sicherheitskameras sollen außerdem helfen, mehr Passagiere in die U-Bahn zurückzubringen.
Doch die Verbesserung der Subway lässt sich nur mit Investitionen bewältigen. Rund 54 Mrd. US-$ stehen der MTA für die Jahre 2020 bis 2024 im Rahmen des Kapitalbudgets dafür zur Verfügung. „Das sind 70 % mehr als im vorherigen Budget“, erklärt Torres-Springer – und zeige die „Erkenntnis, dass in die Stadt investiert werden muss“. 83 % des Geldes würden für die Wartung und Verbesserung des bestehenden Systems ausgegeben,
so Torres-Springer, der Rest für seine Erweiterung.
Die Erweiterung der New Yorker U-Bahn ist ein Herzensthema der Stadtbewohner, die sich mehr Verbindungen insbesondere innerhalb der Außenviertel in Brooklyn und Queens wünschen würden. Doch die U-Bahn zu verlängern ist kein triviales Unterfangen.
Insgesamt sei das System weit ausgebaut, so Torres-Springer – anders als in anderen Großstädten. „Deswegen stecken wir 83 % des Budgets in das bestehende System.“ Ein großes Erweiterungsprojekt ist jedoch die Q-Linie. 2017 öffnete die Verlängerung der Linie auf der Second Avenue auf der Ostseite Manhattans bis zur 96. Straße, nun soll die Linie weiter bis zur 125. Straße verlängert werden. Dort befindet sich auch eine Station der Metro-North-Linie, die Pendler aus dem nördlichen Umland New Yorks ins Zentrum transportiert.
Deutlich wird: Es tut sich einiges bei der MTA. Trotzdem bleibt der Ruf des U-Bahn-Systems eher schlecht. In einer Befragung im Herbst 2023 gaben nur rund die Hälfte der Passagiere an, mit dem System zufrieden zu sein. Das zu verbessern, dafür hat die MTA viele gute Gründe. Das Klima ist nur einer davon.
Nachdem der Fahrpreis lange Zeit, auch wegen der Pandemie, unangetastet blieb, kam im August 2023 die Erhöhung von 2,75 auf 2,90 US-$ – ein extrem unpopulärer Schritt in einer Zeit, in der viele New Yorker mit steigenden Wohnungs- und Lebenshaltungskosten kämpfen. Die MTA verteidigte den notwendigen Schritt damit, die Finanzen stabil halten zu müssen. „Der Massentransit ist wie Wasser und Luft für die New Yorker – sie brauchen ihn“, sagt CEO Janno Lieber stets über die MTA.
Text: Sarah Sendner
Fotos: Lerone Pieters (Unsplash), Jamie Torres-Springer