NO COUNTRY FOR OLD BANKS

Zwei junge Wiener mischen mit ihrem Fintech-Start-up Number 26 von Berlin aus die Karten im europäischen Bankensektor neu. Dabei sind sie traditionellen Banken nicht nur online einen Schritt voraus – bald wollen sie die Großen auch offline ärgern.

Bereits im November 2015 fanden wir die Geschichte der beiden Gründer der mobilen Bank N26 zu gut, um sie nicht auf unser Cover zu setzen. Damals hatten Valentin Stalf (rechts am Foto) und Maximilian Tayenthal mit ihrem Dienst 50.000 Kunden in Österreich und Deutschland gewinnen können – heute ist N26 in 26 Märkten tätig (darunter die Vereinigten Staaten), hat 1.000 Mitarbeiter und fünf Millionen Kunden.

Umsetzung. Das ist die größte Stärke von Va­lentin Stalf, darf man seinem Geschäftspartner Maximilian Tayenthal Glauben schenken. Ein Talent, Dinge anzupacken, ist also gefragt, will man als Wiener ein erfolgreiches Start-up in Berlin aufbauen. Stalf beantwortet die Frage nach seiner größten Stärke mit „Outgoing“. Auch ein offenes Wesen ist also als Zutat zur Gründung des „modernsten Girokontos Europas“ nützlich. Überhaupt ist die Sprache der beiden Gründer des Fintech-Start-ups Number 26 mit englischen Wörtern gespickt. Es wird problemlos zwischen Deutsch und Englisch geswitcht, je nach Gesprächspartner und Situation. Start-up eben. Dieser Geist spiegelt sich auch im niedrigen Durchschnittsalter – jedenfalls unter 30 – der 70 Mitarbeiter wider. Oder am allgegenwärtigen Duzen, sobald man das Büro betritt.

Das Produkt, an dem das Team von Stalf und Tayenthal arbeitet, ist simpel: ein modernes, smartphonebasiertes Girokonto. Dazu gehört eine Kreditkarte, die mit dem Telefon verbunden ist und in Echtzeit Informationen über Transaktionen an das Smartphone sendet. Das ansehnliche Interface (siehe Kasten Seite 57) und die günstigen Konditionen locken vor allem junge Kunden, die mit etablierten Banken und deren oft gesichtslosen Filialen nicht viel anfangen können. Die Kontoeröffnung – das Konto liegt offiziell bei der deutschen Wirecard Bank – ist per Videokon­ferenz in acht Minuten abgehandelt.

Maximilian Tayenthal
... ist in Wien aufgewachsen. Nach der Matura studierte er Jus und BWL in Wien, Paris und Rotterdam. Seine beruflichen Stationen führten ihn zum Consulting, zur Vienna Insurance Group und zur Anwaltskanzlei CMS Reich-Rohrwig Hainz. Anschließend wurde er Founder der Number 26 GmbH und ist dort als COO und CFO tätig. Maximilian Tayenthal ist 35 Jahre alt, ledig und lebt in Berlin.

Valentin Stalf
... ist ebenfalls in Wien aufgewachsen. Er studierte Accounting & Finance in St. Gallen und Tokio und arbeitete währenddessen bei der Deutschen Bank, Deloitte und Roland Berger. Nach dem Studium ging er zu Rocket Internet, wo er zwei Unternehmen aus dem Bereich Banking und Payment mit aufbaute. Heute ist er Founder und CEO von Number 26. Valentin Stalf ist 30 Jahre alt, in einer Beziehung und lebt in Berlin.

Bankwesen als Rubik’s Cube. Der Name des Fintechs verweist auf die Zahlenaffinität des Unternehmens – und ist ein ­direkter Bezug zu Rubik’s Cube, der aus 26 Miniwürfeln besteht. Ein solcher ist mithilfe der richtigen Formel einfach zu lösen, ohne Formel aber äußerst kompliziert. Und genauso sieht Maximilian Tayenthal auch Number 26: „Wir haben die Formel, etwas unnötig Kompliziertes – Banking – einfach zu machen.“ Dabei war es kein Zufall, dass sich die beiden den Bankensektor ausgesucht haben. Valentin Stalf: „Es gab in so vielen Branchen Umwälzungen. Das Userverhalten ändert sich insbesondere seit der Einführung des Smartphones dramatisch. Auch die Bankenindustrie verändert sich komplett.“ Er spricht von „großen, trägen Playern, die wenig Innovatives hervorbringen und die Kunden aus den Augen verloren haben.“ Das Kundenwachstum gibt ihrer Einschätzung recht: 50.000 Kunden sammelte Number 26 seit Jahresbeginn in Deutschland und Österreich. Zudem sind Inves­toren mit so klingenden Namen wie Peter Thiel oder Axel Springer an Bord – über zwölf Millionen € an Finanzierung stehen bis dato auf der Habenseite. Die Beteiligung der beiden Gründer ist dennoch weiterhin „signifikant“, wie Stalf betont. Genaue Zahlen werden jedoch nicht genannt; genauso wenig wie Angaben zum Umsatz oder zur Bewertung des Start-ups.

Geld verdient Number 26 einerseits an der Abwicklungsgebühr, die die Händler bei Trans­aktionen zahlen müssen. Zudem erhält das Unternehmen einen Teil des Geldes, das auf den Girokonten liegt und von Wirecard veranlagt wird. „Unser Ziel ist ganz klar, zu wachsen – und weiterhin das Vertrauen der Kunden zu gewinnen. Wir fokussieren darauf, das bestmögliche Produkt anzubieten. Es gibt aber einen klaren Plan, der vorsieht, dass wir in drei Jahren profitabel sind“, erläutert Maximilian Tayen­thal das Geschäftsmodell.

Neues online und offline. Auf dem Weg dorthin werden die traditionellen Geldhäuser auch offline angegriffen. Unter dem Titel „Cash 26“ läuft seit Oktober eine Kooperation mit dem Start-up „Barzahlen“. Number 26-­Kunden können in 3.000 Shops deutschlandweit Geld abheben und einzahlen – etwa in Filialen der Supermarktkette Penny –, und zwar mithilfe eines Strichcodes, der in der App kreiert wird; gänzlich ohne Karte. Die Behebung ist vorerst auf 300 € begrenzt, doch sowohl dieser Betrag als auch die Shopanzahl soll sukzessive erhöht werden. „Wir machen das Smartphone zum Mittelpunkt des Bankgeschäfts und Bank­filialen obsolet“, sagt Stalf.

Traditionelle Banken beeindrucken Stalf und Tayenthal nicht: „Die Erste Bank hat mit der George-App zumindest versucht, das Aussehen zu verändern. Aber die Funktionsweise ist die gleiche, genauso wie die trägen Strukturen.“

Online sehen sich die beiden sowieso als Innovationsführer – und bald auch als Fintech-Plattform. Stalf: „Wir wollen den Entbündelungstrend umkehren und eine Plattform werden. Bei uns liegt das Girokonto, internationale Über­weisungen werden dann aber mit einem Klick in unserer App etwa über den Online-Bezahlservice Transfer Wire durchgeführt. Mit weiteren Funktionen wie Spar- oder Kreditprodukten sind wir zukünftig in jedem Aspekt besser als herkömmliche Retailbanken.“

Die Mischung macht’s. Bevor es zu Finanzierungsrunden mit Einnahmen von zehn Millionen € kam, gingen die beiden Partner einen langen und sehr unterschiedlichen Weg – obwohl sie einander bereits aus Schulzeiten kennen. Ta­yen­thal studierte Jus und BWL in Wien, Paris und Rotterdam und arbeitete dann im Consulting, als Vorstandsassistent bei der Vienna Insurance Group und in einer Rechtsanwaltskanzlei. Expertise: Business und Rechtliches. Stalf studierte in der Schweiz Accounting & Finance und machte dazu passende Praktika, etwa bei der Deutschen Bank. Auch deshalb war das Bedürfnis groß, mehr Gestaltungsspielraum zu haben. Bei Rocket Internet hatte er die Chance dazu: „Dort half ich am Aufbau von zwei Unternehmen mit, beide eher zufällig im Banking- und Payment-­Bereich, wodurch ich die Branche kennenlernte“, erzählt Stalf. Expertise: das Internetgeschäft.

Der erste Schritt der beiden war eine Prepaid-Karte mit App für Teenager, „Papayer“. Diese sollte Jugendlichen den Umgang mit Geld beibringen, während die Eltern die Finanzen der Sprösslinge im Auge behalten können. Recht schnell änderten sich aber Produkt und Ziel­gruppe, und bei Number 26 wartet für die beiden derzeit vor allem eines: Arbeit. Als Forbes das Start-up in Berlin besuchte, stand nämlich der Umzug in ein neues Büro bevor. 200 Arbeits­plätze stehen in der neuen Niederlassung zur Verfügung, um genug Platz für die rasant wachsende Belegschaft zu bieten. Parallel dazu hält auch das Tagesgeschäft auf Trab. Letztendlich soll Number 26 das erste paneuropäische Konto werden, vorerst ist das Unternehmen aber nur in Deutschland und Österreich vertreten. „Es sind natürlich immer die Länder für uns spannend, wo die Produkte schlecht und die Preise hoch sind. Das ist derzeit zum Beispiel in Italien und Frankreich der Fall“, sagt Tayenthal.

„Money Beams“ und Strichcodes, kostenlos und einfach; das Konto lässt sich in acht Minuten per Videokonferenz eröffnen. IBAN und BIC werden dann in Echtzeit zugesendet, zwei Tage später flattert die Kreditkarte per Post ins Haus. Die Karte erkennt unter anderem die Art der Ausgabe (siehe links) und erstellt automatisch Statistiken.

Verbesserungspotenzial am Produkt ist laut Kundenfeedback auch noch vorhanden, etwa die fehlende Bankomatkarte oder der nicht vorhandene Überziehungsrahmen. Beides will Number 26 bald einführen. Kritik gab es auch an einer E-Mail, die kürzlich an einen Teil der Kunden verschickt wurde, der überdurchschnittlich oft Geld behebt. Denn Abhebungen verursachen für Finanzinstitute hohe Kosten, egal ob Start-up oder Großbank. „Wir hatten überlegt, ein Pricing einzuführen. Aber das wäre genau das, was eine Bank machen würde. Also haben wir uns entschieden, Customer Education zu betreiben. Per E-Mail haben wir die Kunden aufgeklärt, dass durch oftmaliges Abheben Kosten entstehen und dass sie etwa einmal 100 € statt zweimal 50 € abheben sollen.“ In Foren gab es dafür harsche Kritik; die beiden Gründer sprechen hingegen von großteils sehr positiven Rückmeldungen.

Tennis statt Golf. Wenn sie einmal nicht arbeiten, treiben beide Jungunternehmer gerne Sport. Aber nicht auf dem Golf-, sondern auf dem Tennisplatz, gerne auch gegeneinander. Wer dann die Nase vorne hat? „Valentin spielt etwas besser“, gibt Tayenthal zu. Das Tennisass Stalf – er feierte kürzlich seinen 30. Geburtstag – verbringt außerdem gerne Zeit im Kreis seiner Familie. Tayenthal ist fünf Jahre älter. Die beiden leben schon länger in Berlin, was sich manchmal am Akzent bemerkbar macht. Der österreichische Einfluss ist aber dennoch nicht von der Hand zu weisen. Das zeigt sich auch im Führungsteam: Von sieben Teamleadern stammen fünf aus Österreich. „Das ist ­zufällig entstanden, vor allem durch unser Netzwerk“, sagt Tayenthal.

Angst vor einer möglicherweise bald verfügbaren Zahlungsfunktion via Facebook oder der angekündigten Digitalisierungsoffensive der Deutschen Bank – eine Milliarde € soll investiert werden – haben Tayenthal und Stalf nicht. Auch die Frage, ob sie in Österreichs Bankenlandschaft schon jemanden getroffen haben, der wirklich verstanden hat, worum es geht, müssen sie verneinen. „Ich glaube schon, dass das Thema in der Führungsebene angekommen ist. Aber wie das dort umgesetzt wird, ist wieder eine andere Frage“, sagt Stalf. Erste-Bank-Vorstand Peter Bosek wird aber dennoch positiv hervorgehoben. Am Pioneer’s Festival erzählte dieser, er habe jüngst seine erste Transaktion mit Number 26 durchgeführt. „Das ist natürlich toll und zeigt, dass wir neue Standards im Banking setzen“, freuen sich die Fintech-Gründer.

Text: Klaus Fiala
Fotos: Michael Mazohl, Agentur asablanca.com

Der Artikel war die Coverstory unserer November-Ausgabe 2015 und erschien ein weiteres Mal in unserer April-Ausgabe 2020 „Best Of“.

Klaus Fiala,
Chefredakteur

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