Nike, Apple, Volkswagen

Als CMO hat Susanne Franz die Marke Volkswagen inmitten einer Zeit des Umbruchs übernommen. Während der Ausbau der E-Mobilität stockt, wird in Wolfsburg emotional über Werks­schließungen diskutiert. Doch Franz bleibt ruhig und setzt auf starke Communities und einen ausgewogenen Marketingmix – denn sie sieht Volkswagen für die Zukunft bestens aufgestellt.

Bulli, Käfer, Golf oder Passat: Volkswagen hat in seiner langen Historie zahlreiche Fahrzeuge hervorgebracht, deren Namen jedermann kennt. „Allein in Deutschland haben 60 % der Führerscheinbesitzer Autofahren in einem Golf gelernt“, so Susanne Franz, Chief Marketing Officer (CMO) bei ­Volkswagen. Seit März 2024 steht Franz, die wir im Zuge des Forbes Top Creators List Event im Tiroler Stangl­wirt treffen (bei dem Volkswagen als Partner aktiv war), an der Spitze des deutschen Automobil­riesen und kommuniziert damit für eine der bekanntesten Marken der Welt. Franz setzt den Standard sogar noch höher an: „Volkswagen ist eine der wenigen Marken, die wirklich ikonisch geworden sind; neben Nike und Apple“, sagt die oberste Markenbotschafterin.

Doch es gab schon einfachere Zeiten, um für den weltgrößten Autobauer (Gesamtjahr 2023: 322,3 Mrd. € Umsatz; bereinigter operativer Gewinn 22,6 Mrd. €) tätig zu sein – denn im Zuge der Herausforderungen, die die rasante Elektri­fizierung der Flotte mit sich bringt, waren die Schlagzeilen bei Volkswagen zuletzt nicht nur positiv. Die erstmalige Diskussion über die Schließung von Werken in Deutschland sowie die – bisher vom Konzern nicht bestätigte – Meldung, dass 30.000 Jobs in Deutschland wackeln könnten, ließen die Wogen hochgehen.

Das ist beim Wolfsburger Unternehmen, das eine traditionell wortgewaltige Arbeitnehmer­vertretung hat und gleichzeitig eine äußerst große mediale Aufmerksamkeit am Heimatmarkt genießt, nicht unüblich. Den Job als oberste Markenbotschafterin macht das für Franz aber nicht leichter. Wobei: Die Managerin sieht das Ganze vergleichsweise gelassen. „Wenn man Teil der Gesellschaft ist – und Volkswagen ist Teil der Gesellschaft –, dann bringt man ein Bewusstsein für diese Aufmerksamkeit mit“, sagt Franz.

Themen der sozialen Interaktion sind ihr als Marketingchefin auch ganz nahe. Denn Volkswagen ist nicht nur für legendäre Produkte bekannt, sondern hat sich über die Jahrzehnte auch sehr enge Communities aufgebaut. Ein Beispiel: das GTI-Treffen, das von 1982 bis 2022 jährlich am Wörthersee in Kärnten stattfand und bis zu 200.000 Besucher versammelte. Die Gemeinde Maria Wörth entschied, das Festival nach 2022 nicht mehr ­durchzuführen – VW ergriff die Chance und holte einen Teil der Community 2024 nach Wolfsburg. Unter dem ­Titel „Icons Coming Home“ veranstaltete das ­Unternehmen im Juli das „GTI Fanfest“ mit rund 15.000 Besuchern.

„Es ist bei uns nicht so, dass wir eine Bühne bauen und dann zusehen – wir beziehen die Communities mit ein und entwickeln gemeinsam neue Ideen“, beschreibt Franz das Konzept hinter solchen Veranstaltungen. Denn die CMO will das Ohr am Puls der Zeit haben: „Ich finde es spannend, Geschichten zu hören und zuzuhören, was sich die Menschen wünschen.“

Neben den traditionellen Modellen baut Volkswagen auch Communities rund um seine neuen Elektrofahrzeuge auf. Der ID Drivers Club, der Fans der ID-Elektromodelle vereint, hat beispielsweise schon über 50.000 Mitglieder.

„Volkswagen ist für mich die Spitze dessen, was man als Marketeer erreichen kann.“ Susanne Franz,CMO Volkswagen

Communities stehen auch im Zentrum der Marketingstrategie bei Volkswagen. Der Konzern setzt auf eine ausgewogene Mischung, die verschiedenste Ansätze vereint. „Ich glaube, wir müssen immer den Mix schaffen: Digital – aber ­solange es noch analoge Medien gibt, die Reichweite aufbauen, müssen wir sie einbeziehen“, sagt Franz. Dabei verweist sie auf die Bedeutung von Bewegtbildformaten und großen ­Bildschirmen für die Markenkommunikation. „Wir reden viel über Bewegtbild und Big Screen. Solange es diese Medien gibt und sie noch Relevanz haben, müssen wir den richtigen Mix finden.“ Auch lineares Fernsehen ist für Franz weiterhin ein relevanter Kanal: „Ich diskutiere immer wieder darüber, wann der Tipping Point erreicht ist, dass analoges TV nicht mehr relevant ist – aber wir sind noch nicht dort.“ Ein völlig neues Phänomen, das Volkswagen aufmerksam verfolgt, ist laut Franz das Creator-Marketing.

Dabei betont die Deutsche, dass der schnelle Erfolg, egal ob Geld oder Klicks, für Volks­wagen nicht im Fokus stehe. Vielmehr will sie die Skalierbarkeit der Marke mit der gesellschaft­lichen Verwurzelung zusammenhalten – und dem Namen Volkswagen treu sein. In ihrer Position muss sie außerdem auf den globalen Charakter von Volkswagen eingehen und dabei die Vielfalt der Kundenbedürfnisse respektieren. Diese Herausforderung sieht sie jedoch positiv: „Es ist eine Herausforderung, als CMO bei Volkswagen die Vielfalt zu leben, weil man sich auf so viele unterschiedliche Kulturen einstellen muss oder sogar darf.“

Doch egal, in welcher Region: Ein großes Verständnis für die jeweilige Zielgruppe ist unerlässlich, um erfolgreiches Marketing zu betreiben. Dabei verfolgt Franz jedoch einen streng methodischen Ansatz: „Das Fingerspitzengefühl und das Gefühl für Zielgruppen, das bringt man mit. Ich glaube, das ist kein Bauchgefühl, sondern eine klare Methodik.“

Susanne Franz ist ein echtes Urgestein, was Marketing und Autos angeht – sie studierte BWL in Hamburg (und absolvierte später noch einen MBA in Newcastle); ihr erster Job führte sie zu Kia Motors. Es folgten mehrere Stationen bei unterschiedlichen Marken: Franz sammelte Erfahrungen bei Suzuki und Alfa Romeo und kam 2015 als CMO zu Seat. „Das war mein Einstieg in den Volkswagen-Konzern; und dann haben wir Cup­­ra gegründet“, erinnert sie sich: 2018 wurde dieser Name als neue Marke für eine jüngere Zielgruppe eingeführt. Franz verantwortete diese ­Einführung und auch die Positionierung der Marke. „Ich habe mich immer gerne der Herausforderung gestellt, Marken zu formen und weiterzuentwickeln“, so Franz.

2019 wurde sie Senior Director Global Brand Communications & Customer Experience bei Audi, bevor sie im März 2024 bei der Schwestermarke Volkswagen als CMO anheuerte. Dabei sei eine gewisse Anpassungsfähigkeit Teil ihres Erfolgsrezepts gewesen, so Franz: „Man muss sich immer stark an die Marke anpassen. Marken brauchen einen Rahmen, in dem sie sich bewegen sollten, denn ohne diesen Rahmen verliert man an Glaubwürdigkeit.“

In ihrer aktuellen Position ist die 54-Jährige laut eigener Aussage quasi im Olymp an­gekommen: „Volkswagen ist für mich die Spitze dessen, was man als Marketeer erreichen kann. Es ist eine unglaubliche Gelegenheit, für eine solche Marke zu arbeiten.“ Dass der Job aber nicht nur exponiert ist, sondern auch intensiv, gibt Franz unumwunden zu. Doch sie habe ihre Wege und Mittel gefunden, damit umzugehen: „Ich war auch schon mal so ein Heißsporn, der nie auf­gehört und 24/7 gearbeitet hat. Ich sage heute aber zu meinem Team, dass man irgendwann den Feierabend einläuten muss – sonst ist man auch nicht mehr frisch im Geist.“

Den frischen Geist wird sie brauchen, denn die Herausforderungen liegen auf der Hand: Der Ausbau der E-Mobilität stockt, und Volkswagen ist bei Weitem nicht der einzige Konzern, der zu kämpfen hat. Zwar verkaufte der VW-Konzern 2023 über alle Marken hinweg 800.000 E-­Autos und damit mehr als je zuvor – das machte jedoch nur 8 % der Verkäufe aus. Volvo verkauft seine Aktien an das als Tesla-Rivale angepriesene Unternehmen Polestar. Und Tesla? Im zweiten Quartal 2024 fiel der Gewinn beim US-Unternehmen im Jahresvergleich um 45 %, die operative Marge fiel von 9,6 % auf 6,3 %.

Die Schwierigkeiten hängen auch damit zusammen, dass die asiatischen Hersteller den Markt mit günstigen Alternativen fluten. Laut Bloomberg entfielen auf asiatische Hersteller im Juni 2024 bereits 11 % aller Neuwagenverkäufe – ein Rekordwert, der wohl steigen dürfte, denn das Wachstum in Asien könnte den Herstellern einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil bringen: Laut Economist Intelligence Unit (EIU) werden bis 2028 auf Asien 63 % der insgesamt 115 Millionen neu zugelassenen E-Autos entfallen; das wären 39 % aller Neuwagenverkäufe.

VW hatte sich unter Herbert Diess früh und kompromisslos auf die Elektrifizierung fokussiert und dabei auch alternative Antriebssysteme, etwa Wasserstoff, konsequent ausgeschlossen. Für Franz ist das weiterhin der absolut richtige Weg: „Wir sind erst am Anfang“, so die Managerin, „die elektrische Mobilität ist auf dem Vormarsch.“ Franz weist darauf hin, dass Volkswagen sowohl eines der stärksten Verbrennerportfolios als auch das stärkste Elektroportfolio am Markt besitzt. Diese Strategie, in beide Technologien zu investieren, sieht sie wiederum als wichtigen Faktor, um auf die unterschiedlichen Kundenbedürfnisse einzugehen.

Diese will sie mit einem offenen Ohr verfolgen und sicherstellen, dass Volkswagen dem eigenen Namen trotz aller Veränderungsdynamik treu bleibt. Franz: „Wir bauen Beziehungen fürs Leben.“

Susanne Franz (54) studierte BWL und war für verschiedene Automarken tätig, etwa Audi, Seat bzw. Cupra, Kia oder Suzuki. Seit März 2024 ist sie Chief Marketing Officer (CMO) bei Volkswagen.

Fotos: Volkswagen

Klaus Fiala,
Chefredakteur

Up to Date

Mit dem FORBES-NEWSLETTER bekommen sie regelmässig die spannendsten Artikel sowie Eventankündigungen direkt in Ihr E-mail-Postfach geliefert.