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Vor 25 Jahren gründete Gina Domanig mit Emerald Technology Ventures den ersten Cleantech-Venture-Fonds in Europa. Heute baut das in Zürich ansässige Unternehmen Brücken zwischen Tech-Start-ups und Industriekonzernen – und fungiert als Hybrid zwischen VC-Fonds und Open-Innovation-Beratung. Doch die Branche kämpft.
Die VC-Branche hat sicher schon bessere Zeiten gesehen, doch Gina Domanig ist nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen – denn seit über 20 Jahren leitet die US-Amerikanerin Emerald Technology Ventures, einen auf Cleantech spezialisierten Venture-Capital-Fonds mit Sitz in Zürich. In dieser Zeit hat sie so einige Höhen und Tiefen erlebt, doch die aktuellen Herausforderungen in der VC-Branche sind auch für Domanig ungewöhnlich. „Die letzten 18 Monate waren brutal“, sagt sie nüchtern. „Viele Start-ups, die während des Booms 2021 hohe Bewertungen erhalten haben, kämpfen jetzt ums Überleben.“
Doch Teil der Start-up-Party der letzten Jahre war Emerald sowieso nicht wirklich. In dieser Zeit habe man wenige Investments getätigt, so Domanig, dafür einige Start-ups verkauft. „Das hat Spaß gemacht“, so die Investorin. Doch der Fonds überlegt sich sehr genau, wann er in welche Unternehmen investiert – und kauft aktuell, in Zeiten niedriger Bewertungen, deutlich stärker ein als sonst: Statt nur drei Investitionen könnten es dieses Jahr rund 15 werden. Aktuell befinden sich 37 Unternehmen im Portfolio, insgesamt managt Emerald 700 Mio. €, wobei das auch vier Mandate umfasst, denn Emerald verwaltet vier Corporate-Venture-Fonds für Großkonzerne. Zudem hat Emerald den Zuschlag für das Mandat, den Technologiefonds des Schweizer Staats zu managen, der alleine mehrere 100 Mio. CHF an Assets umfasst.
3.000 Pitch Decks (Geschäftspläne) gehen jedes Jahr bei Emerald ein. Davon schaffen es nur etwa 15 ins Portfolio – ein Prozess, der viel Geduld und noch mehr Erfahrung erfordert. „Es ist nicht so, dass diese anderen 2.985 Unternehmen schlecht sind“, erklärt Domanig. „Sie sind vielleicht zu früh oder zu spät, ihre Bewertung ist zu hoch oder sie müssen zu viel Kapital aufnehmen. Es geht nicht nur darum, ob wir das Unternehmen gut finden.“
Emerald war der erste Fonds seiner Art in Europa – doch heute ist das Unternehmen weit mehr als ein klassischer VC. Vielmehr baut Domanig Brücken zwischen zwei Welten, die unterschiedlicher kaum sein könnten: junge, aufstrebende Technologieunternehmen und etablierte Konzerne. Denn die Geldgeber des Fonds sind fast ausschließlich Großkonzerne, die an Technologielösungen von Start-ups interessiert sind – für eine höhere Rendite, aber auch, um Herausforderungen in Sachen Nachhaltigkeit zu lösen oder neue Geschäftsfelder zu erschließen.
„Wir sind fast schon wie ein Open Innovation Consultant für große Unternehmen, gleichzeitig aber ein Klimatechnologie-Investor“, erklärt Domanig. Ihre Aufgabe ist komplex, denn es geht längst nicht nur um Geld: „Unsere Investoren, meist Corporates, suchen den Zugang zu Lösungen, die Herausforderungen in Sachen Nachhaltigkeit bewältigen oder ihnen helfen, neue Geschäftsmodelle im Zuge der Klimawende zu entwickeln.“
Heute wie damals ist der Fokus global. „Unsere Portfoliounternehmen sitzen überall auf der Welt, von Australien bis Kanada“, erklärt Domanig. Diese globale Perspektive spiegelt sich auch in ihrer eigenen Arbeitsweise wider: Reisen gehört für Domanig zum Alltag. „Im Schnitt fliege ich einmal pro Woche. Eine Woche bin ich in Zürich, dann in New York, Amsterdam, Singapur oder Japan“, so Domanig. Ein Leben auf Flughäfen? Für Domanig kein Problem: „Es bleibt spannend, weil ich jeden Tag etwas Neues lerne.“ Doch trotz all der Internationalität bleibt Zürich der Ankerpunkt. Von hier aus führt Domanig ihr insgesamt 57-köpfiges Team, wovon rund 35 Mitarbeiter in Zürich sitzen. Der Rest ist auf die Büros in Toronto, Singapur und Tokio verteilt.
Domanig selbst verkörpert die Brücke, die Emerald schlagen will. „Ich habe einen Finance-Background, bin also schnell beeindruckt von den Technologien, mit denen wir arbeiten“, sagt sie mit einem Schmunzeln. Vor ihrer Zeit als Investorin war Domanig beim Schweizer Industrieunternehmen Sulzer tätig, wo sie die M&A-Abteilung leitete. Der Wandel von der Finanzmanagerin zur Expertin für Cleantech zeigt ihre Leidenschaft für die Schnittstelle von Technologie und Umweltbewusstsein: „Unsere erste Strategie war es, auf Nachhaltigkeit zu setzen – lange bevor das ein Trend wurde“, erklärt sie.
„Wir müssen Innovationen entwickeln, die es den Menschen ermöglichen, weiterzuleben wie bisher – nur nachhaltiger“, so Gina Domanig.
Doch das war nicht immer einfach. Nach der Finanzkrise 2008 wurden viele Cleantech-Investoren vorsichtiger; der Begriff Cleantech verschwand zeitweise aus dem Fokus. „Jetzt spricht jeder von ‚Climatetech‘, aber unser Fokus ist derselbe geblieben: finanzielle Renditen im Rahmen nachhaltiger Technologien“, so Domanig.
Heute ist die entscheidende Frage für sie: Wie können wir Corporates helfen, Technologien schneller zu adaptieren? Denn Start-ups haben oft Lösungen – ohne die Unterstützung von Großunternehmen gelingt der Durchbruch aber vielleicht nicht. Domanig: „Es reicht nicht, einfach eine Liste von Start-ups an ein Unternehmen zu schicken. Wir müssen die Zusammenarbeit aktiv vorantreiben.“ Denn einfach sei eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen jungen und etablierten Unternehmen keinesfalls: „Es gibt eine klare kulturelle Kluft zwischen diesen beiden Welten. Die große Herausforderung ist, sie zu überwinden und echte Ergebnisse zu erzielen. Unser Ziel ist es, Brücken zu bauen und beiden Seiten zu helfen.“ Diese Brücke zu schlagen ist eine Kunst für sich. „Einige Corporates wollen alles selbst machen, andere suchen eine hybride Lösung. Es gibt keine einheitliche Methode, wie man Innovation in ein Unternehmen bringt“, sagt Domanig und betont, wie wichtig es ist, dass die Unternehmen ihre Strategie anpassen und sich klar machen, dass die Kooperation mit Start-ups mehr als nur eine Investition ist. „Unsere Erfahrung zeigt, dass Start-ups dann erfolgreich sind, wenn sie Unterstützung erhalten, nicht nur finanziell, sondern auch durch strategische Partnerschaften.“
Doch nicht nur die Branche, auch der Zeitgeist verändert sich. Als Emerald startete, konnte mit dem Konzept quasi niemand etwas anfangen. „Es waren ein paar magere Jahre“, so Domanig. „Unser erster Fonds hieß noch Sustainability, aber niemand wusste, was das bedeutet. Nach der Finanzkrise war Cleantech in den USA ein ‚Dirty Word‘, weil viele Investoren Geld verloren haben.“ Heute würde man lieber von Climatetech sprechen.
Trotz ihres Erfolgs bleibt Domanig realistisch: Der Klimawandel duldet keinen Aufschub. „Wir haben nicht die Zeit, lange zu überlegen. Wir müssen Lösungen jetzt umsetzen“, sagt sie nachdrücklich. Dabei bleibt sie pragmatisch: „Es wäre schön, wenn wir einfach aufhören könnten zu fliegen, aber das ist nicht realistisch. Wir müssen Innovationen entwickeln, die es den Menschen ermöglichen, weiterzuleben wie bisher – nur eben nachhaltiger.“
Gina Domanig war zehn Jahre Head of M&A bei Sulzer. 2000 startete sie Emerald Technology Ventures als ersten Cleantech-Venture-Fonds in Europa. Das Unternehmen ist in Zürich ansässig.
Fotos: Lukas Lienhard