MYTY STRONG

Mit 22 Jahren gründete David Rost seine erste Agentur – heute leitet er Myty, eines der führenden Agenturnetzwerke in Deutschland und der Schweiz. Mithilfe des Private-Equity-Investors Ufenau Capital Partners kauft Rost die besten Agenturen aus verschiedensten Bereichen und beteiligt die Gründer an der Holdinggesellschaft. Das Ergebnis: unternehmerisches Denken ohne Bürokratie. Die Wette scheint aufzugehen.

Im Vergleich zum Logo ist der Zusatz relativ klein gehalten – doch rechts unter dem Namen «Sir Mary» steht in schwarzen Lettern auch «A Myty Agency» an der Wand des Konferenzraums. Denn die Zürcher Kreativagentur, die zu den führenden in der Schweiz gehört, ist seit 2023 Teil des Agenturnetzwerks Myty. Mit diesem Schicksal ist Sir Mary nicht alleine: Insgesamt 15 Agenturen umfasst die Myty Group, die 2020 von David Rost gegründet wurde. Die Idee? Ein Powerhouse in der Agenturwelt zu etablieren.

«Ich sehe Myty als Aggregator», sagt Rost, «der die besten Köpfe zusammenbringt, um gemeinsam mehr zu erreichen.» Das Ganze funktioniert nach der unter dem Begriff «Buy and Build» bekannten Strategie: Myty sucht die besten Agenturen in unterschiedlichsten Bereichen, verhandelt mit den Gründern und kauft, wenn eine Einigung erzielt wurde, 100 % der Anteile. Die Gründer bleiben in ihren Agenturen tätig und werden gleichzeitig an der Dachgesellschaft, der Myty Group AG, beteiligt.

Das, da Rost eines unbedingt verhindern will: dass erfolgreiche Agenturgründer keinen Anreiz mehr haben, unternehmerisch zu agieren. «Über die Beteiligung garantieren wir, dass der unternehmerische Hunger bestehen bleibt.» Wachstum alleine ist Rost aber zu wenig: «Wir sammeln nicht einfach Labels», so der Myty-Gründer. Vielmehr ist ihm wichtig, die besten Player in den jeweils relevanten Agenturbereichen zu finden, egal ob Social Media, Digital oder Kreativ. Und Rost expandiert auch in neue Bereiche – zuletzt tätigte Myty etwa zwei Zukäufe in einem völlig neuen Feld: Creator Marketing.

Zwei Zukäufe stehen für den Jahresendspurt noch auf dem Plan, einen Namen kann Rost bereits nennen: Die Influencermarketing- und Talentmanagement-Agentur Sesamy. Mit derzeit 50 Talenten und Standorten in Berlin, Wien, Paris und München zählt die 2019 von Samantha Bergmann gegründete Agentur laut Rost zu den heissesten Adressen in diesem Geschäft – insbesondere im umkämpften Luxus- und Modebereich. «Influencermarketing ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen und hat sich zu einem integralen Bestandteil im Marketing-Mix entwickelt. Außerdem ist es hochgradig komplementär zu den Agenturen, die wir bereits im Portfolio haben. Nach über vier Jahren intensiver Marktbeobachtung und zahllosen Gesprächen sind wir froh, mit Sesamy die ideale Partnerin für unsere Gruppe gefunden zu haben. Die erste Erweiterung in diesem Bereich ist bereits in der Umsetzung und wird noch im Dezember gesignet.»

Dass komplementäre Kompetenzen unter einem Dach gebündelt werden, hat noch einen weiteren Vorteil: Kooperation über Unternehmensgrenzen hinweg. Laut Rost passiert das bis zu einem gewissen Grad von allein, denn die Myty-Partner können so schnell und unbürokratisch für sie wertvolle Ressourcen nutzen. Dabei ist Rost wichtig, dass interne Politik und Bürokratie keine Rolle spielen: «Wir haben keine internen Verrechnungssätze. Wenn eine Agentur für eine andere tätig wird, geht es nicht darum, Margen auszuhandeln, sondern das bestmögliche Ergebnis für den Kunden zu erzielen.» Alle eint das gleiche Ziel: Myty erfolgreich zu machen.

Das Gewicht, mit 15 Agenturen in den Markt zu gehen, führt auch zu Erfolgen beim Pitchen: Kürzlich wurde mit Deloitte Digital eine strategische Partnerschaft vereinbart, die eine einzelne Agentur nicht hätte eingehen können. Auch für das Mandat für den deutschen Uhrenmarktplatz Chrono 24 wurde kürzlich erfolgreich gepitcht, wobei die Myty-Agenturen Strichpunkt aus Stuttgart sowie Sir Mary dabei kooperierten. Rost: «So können wir beweisen, dass der Case funktioniert, auch über Landesgrenzen hinweg.»

Rost wurde in Mainz geboren, zog im Alter von vier Jahren aber nach Berlin. Sein Vater ist Journalist; nach dem Schulabschluss wollte Rost eigentlich in seine Fussstapfen treten. Er ging mit 18 nach München, wo er ein Volontariat in einer Medienagentur machte. «Ich hatte eigentlich den Plan, mal wie mein Vater Journalist zu werden, bin dann aber in Richtung Marketing und Digitalisierung abgebogen», so Rost. Einerseits sah er, dass ihn das Thema faszinierte; andererseits sah er aber auch deutlich, dass die digitale Transformation die traditionelle Medienwelt mit voller Wucht traf. Also entschied er sich, den Trend für sich zu nutzen, statt gegen ihn zu kämpfen.

Er lernte alles, was es über die Medienbranche zu lernen gab, und gründete mit 22 Jahren seine erste Agentur namens «Integr8». Denn als Angestellter hatte Rost so seine liebe Mühe: «Ich habe relativ schnell gemerkt, dass ich nicht der beste Ausführer von schlechten Befehlen bin», erzählt Rost lächelnd. Mit vier oder fünf ersten Kunden, die er durch ein Retainer-Modell betreute, finanzierte Rost den Start seiner ersten Agentur. Diese wuchs schnell, da sie sich auf die umfassende Betreuung ihrer Kunden konzentrierte und ihnen einheitliche Lösungen aus einer Hand bot. «Ich habe das Unternehmen nicht nach mir selbst benannt – das war nie mein Stil», erklärt er. Stattdessen schuf er ein Team von Spezialisten, denen er von Anfang an Verantwortung übertrug, um die besten Ergebnisse für die Kunden zu erzielen. «Ich bin ein Freund davon, Kompetenzen abzugeben und Bereiche denen zu überlassen, die sie besser beherrschen als ich», sagt Rost.

Doch er stiess schnell an die Grenzen des Möglichen, denn der holistische Ansatz, den Rost verfolgen wollte, benötigt Exzellenz in jedem Bereich. 2017 wurde er vom Würzburger Medienunternehmen Vogel Business Media angesprochen, ein Joint Venture im Bereich Social-Media-Kommunikation zu starten. Die Idee, Kompetenzen zu erweitern und ein Netzwerk mit unterschiedlicher Expertise aufzubauen, war damals schon gegeben; doch die Zusammenarbeit führte nicht zu Zufriedenheit. Rost: «Nach zwei Jahren machten wir deutlich mehr Umsatz als unser für den Vertrieb zuständiger Partner – eine Auflösung war für uns also unausweichlich.»

«Ich sehe Myty als Aggregator, der die besten Köpfe zusammenbringt, um gemeinsam mehr zu erreichen.»

David Rost

Die Idee, etwas Grösseres zu bauen, liess Rost aber nicht los. Doch er wusste, dass er bei einer konsequenten Umsetzung ordentlich Finanzmittel brauchen würde. Ende 2019 wurde er mit dem Private-Equity-Investor Ufenau Capital Partners handelseinig, der den Aufbau von Myty unterstützen und die Akquisitionen mitfinanzieren sollte. «Ich habe mich nach vielen Gesprächen für Ufenau entschieden. Sie sind kein passiver Investor, sondern ein unternehmerisch denkendes Transaktions-Powerhouse, das auf den Gruppenaufbau von Dienstleistungsunternehmen spezialisiert ist und viel operatives Know-how mitbringt», sagt Rost.

Also startete er mit Rückenwind durch – ein paar Wochen später kam Covid. Für Rost war das Fluch und Segen zugleich. Auf der einen Seite verunsicherte Auftraggeber – auf der anderen Seite ein deutlich verringerter Aufwand, was Akquisitionen angeht. Denn die benötigen vor allem auch viel Zeit, etwa Management-Meetings mit anschliessenden Abendessen sowie An- und Abreise. Das wurde auf Zoom verlegt und massiv komprimiert. Rost konnte auf die Überholspur wechseln, dort fühlt er sich tendenziell sowieso wohl. 2021 und 2022 absolvierte er rund 500 Management-Meetings mit möglichen Akquisitionszielen – ohne Videocalls wäre das ein Ding der Unmöglichkeit gewesen.

Die Früchte der Arbeit zeigen sich heute: Aktuell ist Myty in seinem Portfolio knapp davor, die Schwelle von 100 Mio. € an Honorareinnahmen zu überschreiten. Rund 800 Mitarbeiter sind für die Agenturen an 21 Standorten in drei Ländern tätig, das EBIT liegt über 20 % – genauere Angaben will Rost dazu aber nicht machen. Doch fertig ist er mit Myty keinesfalls. Für die Zukunft hat Rost nämlich ein klares Ziel: die Nummer eins im deutschsprachigen Raum zu werden. In der Schweiz ist das bis zu einem gewissen Grad schon der Fall, hier sieht Rost Myty bereits als grösstes Agenturnetzwerk. Im zweiten Kernmarkt Deutschland sei da noch ein Stück zu gehen. Ausserdem ist Myty auch in Kroatien tätig, der Markt ist aufgrund von guten Talenten und vergleichsweise niedrigen Kosten sehr attraktiv für das Unternehmen. «In Kroatien gibt es grossartige Agenturen, die Mitarbeiter sind hungrig und wollen sich beweisen. Ausserdem haben wir dort die Möglichkeit, in kürzerer Zeit hervorragend ausgebildetes Talent aufzubauen», schildert Rost.

In Sachen internationale Expansion kann er sich mehrere Optionen vorstellen: Benelux sei ein spannender Markt, auch Skandinavien biete viele Möglichkeiten. Der erste Schritt sei aber, in den aktuellen Märkten weiter zu wachsen: «In der Schweiz sind wir schon heute unter den grössten Playern. Unser Ziel ist jetzt, die Nummer eins im deutschsprachigen Markt zu werden.» Rost weiss aber, dass seine Pläne nicht «einfach so» umzusetzen sind: «Man braucht in jedem Bereich herausragende Persönlichkeiten und operative Exzellenz.»

Trotz seiner Rolle als Gründer und CEO sieht sich Rost nicht als Primus inter Pares unter den Partnern; und doch ist er derjenige, der die strategische Richtung massgeblich verantwortet – und auch mal unangenehme Entscheidungen treffen muss, etwa wenn sich gewisse Pläne nicht so entwickeln wie gewünscht.

Aktuell fühlt sich der Unternehmer wohl in seiner Rolle. Doch das zunehmende Wachstum könnte auch ein anderes Skillset notwendig machen. Rost sieht dem gelassen entgegen: «Aktuell kann ich meinen Teil beitragen. Wir wollen hier die spannendste Agentur mit Langfristperspektive bauen, darunter auch die damals von mir gegründete. Das heisst aber nicht zwingend, dass ich auch für die nächsten 40 Jahre der Richtige an der Spitze dieses Unternehmens bin. Wenn wir weiter in diesem Tempo wachsen und irgendwann ein Grosskonzern mit Tausenden Mitarbeitenden werden, gibt es sicher Leute, die darin besser sind als ich.»

David Rost wuchs in Berlin auf. Mit 18 Jahren ging er nach München, wo er in einer Medienagentur arbeitete. Mit 22 gründete er «Integr8», die 2020 in die Myty Group integriert wurde. Heute besitzt Myty 15 Agenturen mit 800 Mitarbeitern an 21 Standorten in drei Ländern.

Fotos: Flavio Leone

Klaus Fiala,
Chefredakteur

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