Musikmarkt im Wandel

Streamingdienste wie Spotify haben den Musikmarkt nachhaltig verändert. Jo Halbig, Sänger der Punkrockband Killerpilze und Agenturbetreiber, über die Transformation in der Branche und was diese von Künstlern fordert.

Um als Musiker im Jahr 2019 erfolgreich zu sein, braucht es mehr als gute Songs. Das mag im ersten Moment traurig oder desillusionierend klingen, war aber nie anders. Heutzutage ist es so leicht wie noch nie, Musik im Internet zu veröffentlichen: Jede Woche werden 200.000 neue Veröffentlichungen auf Streamingdienste wie Spotify hochgeladen. Es ist schwieriger geworden, aus der Masse herauszustechen. Deshalb ist es als Künstler unabdingbar, auch eine unternehmerische Sicht auf seine Strukturen zu entwickeln.

Der Musikmarkt ist stetig im Wandel. ­Immer häufiger geht der Trend zur Veröffent­lichung über eigene Labelstrukturen, zu DIY-­Marketingstrategien und zum Schaffen von ­Erlebnissen für die Fan-Community. Schlanke Systeme, kleine, flexible Teams ohne lange Wege und marketingtechnische Kontrolle sind gefragter denn je. Die klassischen Veröffentlichungs­formen haben ebenso ausgedient wie auch die Tatsache, dass Majorlabels Erfolgsgaranten sind. Was früher ein physisches Album war, sind heute
die Playlists.

Bild: Illustration, Jo Halbig, Killerpilze, Gastkommentar

Jo Halbig
... ist Sänger der Punkrockband Killerpilze, Label/PR-Agenturberater & Speaker. Er hat 200.000 Tonträger verkauft und brachte bereits 100 Musiker in die Medien. Im Sommer 2019 erscheint das siebente Studioalbum der Band.

Hier stellt sich die erste Frage: Lohnt es sich noch, lange Monate im Studio zu verbringen, um ein Album fertigzustellen, oder veröffentliche ich Songs „on the fly“ immer dann, wenn sie fertig sind, und kann mit jedem neu veröffentlichten Song die Chance auf einen Playlist-Platz neu verhandeln, zudem die Fans auf die Entstehungsreise des Albums mitnehmen? Playlist-Plätze bei Streamingportalen sind heutzutage ein entscheidender Faktor für den Erfolg eines neuen Künstlers. Der Streaminganteil im insgesamt stabilen deutschen Musikmarkt hat im März erstmals die CD überholt, mit einem Anstieg auf über 46 Prozent. Hohe Streamingzahlen alleine sind aber noch kein Garant für funktionierende Karrieren. Um wirklich aufzufallen und sich langfristig zu etablieren, geht es nicht ohne ein markantes Künstlerimage, eine richtige Positionierung und PR-Kontakte. Es braucht eine Verbindung von Künstler zu Fan und Medien, angefangen bei Songs und Texten über Musik­videos, Livepräsenz, Interviews und den Aufbau einer On- und Offline-Community. Viele Musiker vergessen heute die „Musik hinter der Musik“: Wofür stehe ich? Was ist meine Message? Wie stelle ich Kontakt zu meinen Fans und Partnern her? Und wie verbinde ich meine Songs mit emotionalen Erlebnissen? Wir haben selbst über 120.000 Euro für ein Album und einen Kino­film auf unserem eigenen Label und mit unseren Fans zusammen erwirtschaftet und ließen sie Teil des Konzepts werden. Dass der Wunsch nach einer emotionalen Bindung zwischen Zuhörer und Künstler immer noch aktuell ist, zeigt der Konzertmarkt, der sich trotz Digitalisierung größter Beliebtheit erfreut. Auch Kanäle wie Instagram sind mittlerweile mit die wichtigsten Vertriebswege für Künstler und Bands. Wer hier eine Community aufbaut, erreicht seine Zielgruppe direkt. 2019 funktioniert der Musikmarkt ohne starre Genres und Veröffentlichungs- oder Vermarktungsstrategien. Eine Chance für alle Musiker, sich ihre Nische mit individuellem Sound, unverwechselbarer Identität und einer eigenen Community aufzubauen. Gute Songs sind dennoch das Fundament jedes Erfolgs.

Gastkommentar

Text: Jo Halbig

Der Artikel ist in unserer April-Ausgabe 2019 „Geld“ erschienen.

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