Mit dem FORBES-NEWSLETTER bekommen sie regelmässig die spannendsten Artikel sowie Eventankündigungen direkt in Ihr E-mail-Postfach geliefert.
Die Post-Covid-Ära ist digital und präsent: Wie wird sich hybrides Arbeiten auf Lehre und Forschung an den österreichischen Universitäten auswirken?
Die Coronapandemie hat nicht nur weltweit große Teile der Wirtschaft ins Homeoffice verfrachtet, auch der Hochschulbetrieb läuft seit rund 14 Monaten großteils virtuell ab. In der bevorstehenden Post-Covid-Ära rufen Experten das hybride Arbeiten zum neuen Paradigma der Arbeitswelt aus. Die Verschränkung von physischer und virtueller Anwesenheit wird bleiben – und betrifft auch die Hochschulen und ihre Mitarbeiter*innen.
So beschäftigt sich die Alexander-von-Humboldt-Stiftung in Deutschland mit der Frage, wie „wir physische Mobilität durch vernetztes Wissen und digitalen Austausch ersetzen können“, wie es auf der Webseite der Stiftung heißt. Die Stiftung arbeitet derzeit an neuen hybriden Konzepten zur wissenschaftlichen Zusammenarbeit. Die Harvard University hat die seit 2017 angebotenen Optionen zu Flexwork fix implementiert: Teams und Mitarbeiter*innen können, je nach Bedarf und Sinnhaftigkeit, entscheiden, ob sie ausschließlich remote, vor Ort oder hybrid arbeiten wollen.
Mix aus zwei Welten. Auch in der Österreichischen Universitätenkonferenz (Uniko) setzt man sich mit hybriden Arbeitsformen auseinander, auch in der Uniko selbst: Interne Meetings der Rektoren und Vizerektoren sollen ab sofort abwechselnd virtuell und in physischer Präsenz stattfinden. „Dadurch sparen wir Reisekosten und Anfahrtszeiten“, sagt Michael Lang, Vorsitzender des Forums Personal der Uniko und Vizerektor an der Wirtschaftsuniversität Wien.
Seminare werden
oft eins
zu eins
in den
virtuellen
Raum übersetzt –
Dabei
kann man die
digitalen
Technologien
didaktisch
viel
besser nutzen.
Thomas Funke, Gründer, Tomorrow’s Education
Wichtig sei für die Zukunft: „Universitäten müssen einen guten Mix aus virtueller und physischer Zusammenarbeit finden.“ Die virtuelle Welt könne die physische aber nur schlecht ersetzen: „Gerade für den Forschungsnachwuchs sind wissenschaftliche Konferenzen vor Ort sehr wertvoll – hier ergeben sich oft in informellen Gesprächen mit erfahrenen Wissenschaftlern wichtige Kontakte für künftige Forschungsprojekte“, sagt Lang. Die Mischung könne bei Auslandsaufenthalten jedoch einen Mehrwert bringen: „An der WU Wien wollen wir virtuelle Meetings für die Vor- und Nachbereitung der Aufenthalte stärker nutzen und so die Beziehungen mit anderen Hochschulen weiter vertiefen“, sagt Lang.
Mobil – aber auch virtuell. Unter dem Schlagwort „Blended Mobility“ subsumieren sich hybride Konzepte für die transnationale Mobilität auch im großen Stil: Das europäische Mobilitätsprogramm Erasmus+ sieht von 2021 bis 2027 Blended Intensive Programmes (BIPs) vor, die virtuelle Lehr- und Lernphasen mit physischen Auslandsaufenthalten von fünf bis 30 Tagen kombinieren. „Schon im Pandemiejahr konnten Auslandsaufenthalte mit Erasmus+ flexibel und virtuell über Blended Mobility begonnen werden. Die Blended Intensive Programmes sollen kürzere Mobilität auch für Studierende ermöglichen, die etwa berufstätig sind oder Betreuungspflichten haben“, sagt Gerhard Volz, Leiter der Abteilung Internationale Hochschulkooperation der OeAD (Österreichs Agentur für Bildung und Internationalisierung).
Geplant waren die BIPs schon vor der Pandemie. Die Mobilität des Hochschulpersonals sei während der globalen Coronawelle zum Erliegen gekommen, sagt Volz. Auch Andreas Zemann vom International Office der TU Wien bestätigt das: „Von den rund 200 Erasmus-Bewerbungen im Studienjahr 2020/21 hat etwa die Hälfte der Studierenden ihren Aufenthalt storniert. In den meisten Fällen erfolgte der Unterricht in hybrider Form“, so Zemann. Abbrüche während des Semesters wurden über
die OeAD-Stipendien finanziert, die Lehrendenmobilität und das Staff Training seien gänzlich eingebrochen: 2020/21 wurde hier „kein einziger Auslandsaufenthalt realisiert“, sagt Zemann.
Der
informelle
persönliche
Austausch
ist in
Wissenschaft
und
Lehre
wesentlich.
Michael Lang, Vorsitzender, Uniko Forum Personal & Vizerektor, WU Wien
Wegen der eingeschränkten Mobilität hat die Wirtschaftsuniversität Wien Hunderte Mitarbeiter*innen meist über virtuelles Onboarding eingestellt, erzählt Michael Lang: „Vereinzelt mussten neue wissenschaftliche Mitarbeiter in den ersten Wochen virtuell von den USA oder Indien aus arbeiten.“ Im Ausland befindliche Mitarbeiter*innen als Remote Worker einzustellen kann er sich nicht vorstellen: „Das wäre nicht zielführend. Der informelle persönliche Austausch ist in Wissenschaft und Lehre wesentlich.“ Homeoffice als Option wolle man an der WU Wien aber wie schon vor der Pandemie geplant forcieren – mit der Empfehlung von acht Tagen pro Monat pro Mitarbeiter.
Flexibilität für Forscherkarrieren. Dass hybrides und mobiles Arbeiten sich künftig dennoch positiv auf Forscherkarrieren auswirken könne, glaubt Innovationsforscher Richard Lang: „Als Wissenschaftler führt man oft ein Nomadendasein.“ Karrierechancen gebe es nicht zuletzt wegen der befristeten Anstellungen von sechs bis acht Jahren oft nur im Ausland. „Auslandsaufenthalte sind sehr bereichernd, man kann sich beruflich weiterentwickeln und lernt viel über die Kultur. Sich mit Familie niederzulassen ist allerdings schwierig“, erzählt der Assistenzprofessor am Institut für Innovationsmanagement (IFI) der Johannes-Kepler-Universität Linz.
Er selbst hat mehr als zwei Jahre an der University of Birmingham im Rahmen des prestigeträchtigen Marie-Curie-Stipendiums geforscht. Derzeit arbeitet Richard Lang coronabedingt aus dem Homeoffice: „Vieles funktioniert virtuell gut: Wir besprechen Forschungskooperationen und schicken Textteile hin und her“, erzählt er. Für seine künftige Karriere sei die Option zu hybridem Arbeiten hilfreich: „Ich kann mir in Zukunft bis zu einem gewissen Grad vorstellen, auch für einen ausländischen Arbeitgeber zumindest temporär virtuell zu arbeiten“, sagt er. Allerdings: „Der Auslandsaufenthalt vor Ort lässt sich nicht ersetzen.“
Online-Master via App. In der Lehre zeichnet sich bereits ein erster Trend in Richtung „online only“ ab: Thomas Funke hat mit seiner Bildungsorganisation Tomorrow’s Education und der WU Executive Academy den zwölfmonatigen Professional Master in Sustainability, Entrepreneurship and Technology konzipiert, der im August 2021 zum zweiten Mal rein digital startet. Derzeit würden Online-Lernangebote ihr didaktisches Potenzial zu wenig ausschöpfen, sagt Funke: „Seminare werden oft eins zu eins in den virtuellen Raum übersetzt. Dabei kann man die digitalen Technologien didaktisch viel besser nutzen.“ Obwohl das Online-Masterprogramm rein digital via App stattfindet, legen die Macher*innen großen Wert auf die Vernetzung der Community und das Lernen in Teams. „Die Campuserfahrung können wir nicht ersetzen, das Programm setzt jedoch stark auf Peer-to-Peer-Learning“, ergänzt Barbara Stöttinger, Dekanin der WU Executive Academy.
Klar ist: Hybrides Arbeiten ist aus universitärer Forschung und Lehre künftig nicht mehr wegzudenken.
Text: Nicole Thurn
Foto: NCI