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„Management by Friedhofsgärtner – viele Menschen unter sich, aber zu keinem Kontakt“: Die Dekanin der WU Executive Academy, Barbara Stöttinger, erklärt, warum Humor gerade im Leadership so wichtig ist, und beleuchtet die größten Leadership-Fehler – mit einem Augenzwinkern, damit einem nicht der Schmäh ausgeht.
Der Wiener Schmäh ist nicht leicht zu verdauen. Er gilt als tief, morbide und entfaltet seine größte Wirkung, wenn er mit leicht nach unten gezogenen Mundwinkeln zum Besten gegeben wird. Doch – Spaß beiseite – im Wiener Schmäh versteckt sich auch ein Werkzeug für Führungskräfte, findet Barbara Stöttinger: „Wenn sich Deadlines nähern, das Team schwierige Entscheidungen treffen muss oder im Büro die Nerven blank liegen – dann kann Humor wie ein Ventil wirken und die Situation entspannen.“
Stöttinger ist Dekanin der WU Executive Academy. Die Business School der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) zählt schon seit vielen Jahren zu den führenden Weiterbildungsanbietern in Europa, indem sie Führungskräfte aus der ganzen Welt auf die Herausforderungen von morgen (für die Humor ebenfalls vonnöten ist) vorbereitet.
Besonders effektiv, so Stöttinger, sei Humor in Situationen, in denen er unerwartet ist. „Die Bestattung Wien macht das sehr gut“, nennt sie ein Beispiel: „Der letzte Wagen ist immer ein Kombi!“ steht auf einem T-Shirt, auf dem Sportbeutel: „Ich turne bis zur Urne.“ Doch Stöttinger gibt auch zu, dass Humor nicht immer angebracht ist: „Was der eine witzig findet, findet der andere nicht lustig oder gar beleidigend. Es ist ein schmaler Grat.“ Welche Tipps gibt sie also Führungskräften, die mit Humor arbeiten möchten? Und kann Humor erlernt werden?
In Wien sagen wir: ,Da rennt der Schmäh.‘ Dieser ist auch für Personen im Leadership wichtig.
Barbara Stöttinger
Ein gut getimter Scherz kann, so Stöttinger, nicht nur das Team entlasten, er bietet auch die Möglichkeit eines Perspektivenwechsels. „Wenn alle unter Stress arbeiten – etwa weil ein Projekt fertig oder ein kritischer Kunde besänftigt werden muss –, dann verlieren Menschen oft die Perspektive“, erklärt die Dekanin. „Eine humorvolle Bemerkung, so etwas wie ‚Heute machen wir schon um 14 Uhr Feierabend!‘, kann den Druck im Büro lockern.“ Nach einem gemeinsamen Lacher könne das Team besser arbeiten und schneller ans Ziel gelangen. Dabei sei es aber wichtig, die Probleme nicht ins Lächerliche zu ziehen.
Das führt zur nächsten Funktion von Humor: Menschen gehen gerne in ein Büro, in dem auch einmal Humor den Arbeitsalltag auflockert. Humor schaffe eine Atmosphäre, in der Menschen sich wohlfühlen, sagt Stöttinger. „In Wien sagen wir: ‚Da rennt der Schmäh.‘ Dieser Schmäh ist für Personen im Leadership wichtig. Er schafft Vertrauen und bringt mehr Leichtigkeit in Teams, aber auch in die Beziehung zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften.“ So würden Mitarbeitende sich eher trauen, heikle Themen anzusprechen, denn, so Stöttinger: „Man nimmt sich dann auch selbst nicht ganz so ernst“ – und hat weniger Angst, sich zu blamieren.
Gleichzeitig entlastet eine lockere Atmosphäre auch Führungskräfte, die genauso von einer entspannten Stimmung profitieren – und so bessere Entscheidungen treffen. Wichtig sei dabei aber, dass sie auch etwas einstecken können. Stöttinger: „Auch Führungskräfte dürfen sich nicht zu ernst nehmen. Wenn jemand eine humorvolle Bemerkung über sie macht, dürfen sie nicht beleidigt sein.“ Das würde die Atmosphäre wieder zerstören. Anstatt zu sagen: „Ich muss immer perfekt sein, ich muss alles wissen, ich muss auf Knopfdruck die richtigen Entscheidungen treffen“, sei es für Führungskräfte wichtig, ihre Menschlichkeit erkennen zu lassen. Bei einem misslungenen Projekt kann man sich die Fehler mit einem Scherz eingestehen: „‚Für nächstes Mal wissen wir, wie es nicht geht‘“, gibt Stöttinger ein Beispiel.
Das Aufbauen von Beziehungen sei, so die Dekanin, ein weiterer Punkt, in dem Humor helfen könne. „Jeder lacht gerne, und wenn Menschen gemeinsam lachen, verbindet das“, sagt sie. Ein guter Schmäh bringt Beziehungen schneller auf eine Ebene, auf der Menschen einander vertrauen, auch wenn sie sich nicht lange kennen. Er vermittelt die Nachricht: „Hier bist du willkommen. Wir sind alle ein Team.“
Für Unternehmen, in denen viele Mitarbeiter im Homeoffice arbeiten, ist das schwieriger – aber besonders wichtig. „Im Büro treffen sich Kollegen an der Kaffeemaschine und können ein paar Worte wechseln“, so Stöttinger, „aber remote passiert das nicht“, weshalb es wichtig sei, Meetings zu sozialen Zwecken zu arrangieren. Während der Coronapandemie, als die Arbeitswelt auf einen Schlag zu Hause einzog, haben Unternehmen deshalb angefangen, jeden Morgen „Kaffee-Calls“ abzuhalten. Stöttinger: „So finden neue Mitarbeiter viel leichter Anschluss, und alte Kollegen verlieren ihn nicht.“
Doch es gibt Unterschiede zwischen dem Job eines Managers und dem eines Kabarettisten. Stöttinger warnt: „Möchte man Menschen nicht mit einem unbedachten Witz beleidigen, muss man sie kennen. Es braucht ein gewisses Grundvertrauen.“ Das ist in kleinen Teams, die schon lange zusammenarbeiten, leichter als in großen Unternehmen oder bei neuen Kunden. Und arbeitet man mit Personen aus anderen Kulturen zusammen, muss man deren Grenzen beachten: Was in Österreich lustig ist, kommt in Japan vielleicht als Beleidigung an und umgekehrt.
Was verletzend ist und was nicht, verändert sich außerdem mit der Zeit. Witze, die früher als „in Ordnung“ gesehen wurden – etwa über Blondinen –, sind heute ein No-Go. Auch durch Political Correctness wird die Spanne an sozial akzeptierten Scherzen schmaler, „was auch wichtig ist“, sagt Stöttinger. „Solche Witze wurden häufig auf Kosten Einzelner oder einer bestimmten Gruppe gemacht. Humorvoll zu sein muss nicht heißen, sich über jemanden lustig zu machen und die Person zu kränken.“
Die Grenze zwischen lustig und beleidigend ist nicht immer eindeutig. Und laut Stöttinger ist es schwierig zu lernen, wo sie liegt: „Es braucht ein gewisses Fingerspitzengefühl.“ Am Anfang einer Beziehung müsse man sich langsam herantasten: Worauf spricht das Gegenüber an? Welche Witze kommen besser an, welche werden missverstanden? Wichtig sei trotzdem, dass das Auftreten authentisch bleibt. Aber die Dekanin entschärft die Warnungen etwas: „Die meisten Leute lachen gerne, unterhalten sich gerne, sind gerne im humorvollen Austausch. Ich glaube, es gibt kaum jemanden, der sich immer nur auf der sachlichen Ebene unterhalten möchte.“
Humor hilft Führungskräften also dabei, sich selbst und die eigenen Fehler weniger ernst zu nehmen. Um das zu veranschaulichen, zählt Stöttinger drei der häufigsten Leadership-Fehler auf – und gibt ihnen dabei einen humorvollen Dreh.
Die meisten Führungskräfte haben viel zu tun, doch manche kommen trotzdem nicht mit ihrem Unternehmen voran. „Diese Form von Leadership nenne ich ‚Management by Schaukelstuhl‘“, sagt Stöttinger mit einem Schmunzeln: „Hat eine Führungskraft keine gute Strategie oder setzt sie ihre Prioritäten falsch, kann sie noch so viel arbeiten, ohne voranzukommen – sie schaukelt nur vor und zurück.“ Die Lösung dafür ist, sich zu fragen, welche Aktivitäten man selbst übernehmen muss und welche man abgeben kann. Der Drang, alles selbst zu übernehmen – sei es aus Angst, etwas zu verpassen, oder weil man seinen Mitarbeitern beweisen möchte, genug zu arbeiten –, ist ein sicherer Weg in den Schaukelstuhl. Stöttinger: „Führungskräfte müssen das Gesamtbild sehen, aber sie dürfen nicht in alle Details involviert sein.“
Den nächsten Führungsfehler nennt die Dekanin „Management by Friedhofsgärtner“: „Viele Leute unter sich, aber zu keinem richtig Kontakt“, fasst sie ihn zusammen. Viele Manager verlieren den Anschluss zu ihren Mitarbeitern, wenn sie größere Teams beaufsichtigen. Das sei, so Stöttinger, genau verkehrt: „Manche Führungskräfte denken, Abteilungsleiter können die Führung der Mitarbeiter übernehmen, während sie sich auf die Strategie konzentrieren. Das ist aber ein völlig falscher Führungsstil. Gerade wenn Teams sehr groß sind, braucht es Führung.“ Pflege eine Führungsperson engeren Kontakt mit den Mitarbeitenden, wisse sie auch besser, was die Kunden wünschen und wie sich der Markt entwickelt. Seit Kurzem richten deshalb viele Unternehmen kleinere Teams ein – so hat jeder im Unternehmen einen Ansprechpartner.
Ein dritter Fehler, den laut Stöttinger viele Führungskräfte machen: Die Ideen und Initiativen ihrer Mitarbeiter bewusst „zurückschneiden“ – denn sonst könnten die eigenen Ideen weniger grandios wirken. „Management by Bonsai“ nennt die Wirtschaftsforscherin diesen Stil. Sie erklärt: „Das ist wie mit Menschen, die nur über ihre eigenen Witze lachen und nicht zugeben können, wenn jemand anderer einen lustigen Scherz macht. Oft passiert das aus Unsicherheit, weil die Führungskraft glaubt, der Erfolg anderer schmälert ihre Machtposition.“ Wie mit guten Witzen können gute Führungskräfte auch über den Erfolg anderer lachen und diesen fördern. Das motiviert das Team und bringt neue Ideen hervor – und ein erfolgreiches Team ist ein Zeichen eines erfolgreichen Team-Leads.
Dass gute Scherze allein die Probleme der Wirtschaftswelt nicht lösen, ist Stöttinger klar. „Ich glaube“, sagt sie, „Humor ist eher wie ein Energieschub. Eine humorvolle Bemerkung ist schnell gemacht, aber in dieser kurzen Zeit werden positive Energien freigesetzt, die einen Perspektivenwechsel ermöglichen.“ So würde ein Team die nötigen Lösungen leichter finden. Und falls all diese Gründe noch nicht genug seien, so Stöttinger, könne an den Eigennutz appelliert werden: „Schließlich möchte ich selbst auch Spaß am Arbeitsplatz haben.“
Barbara Stöttinger ist Dekanin der WU Executive Academy und Professorin am Institut für International Marketing Management der WU. Vor ihrer Zeit an der Universität war sie im Marketing eines internationalen Konsumgüterherstellers (Consumer Electronics) und in der Beratung tätig.
Fotos: Katharina Gossow