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Er ist der erfolgreichste und reichweitenstärkste Content Creator im deutschsprachigen Raum. Vom Zeitungsausträger im Frankfurter Westend stieg er zum Social-Media-Idol der Gen Z auf. Mit Kreativität, guter Laune und Tiktok-Clips hat er sich eine globale Online-Community geschaffen und verdient Millionen – eine Begegnung mit dem Phänomen Younes Zarou.
Vor einiger Zeit wurde Younes Zarou von einem Freund aus Frankfurt gefragt: „Wie hoch müsste dein Kontostand sein, damit du dich zur Ruhe setzt?“ Der Content Creator Zarou, der im Januar 27 Jahre alt wird – also noch sehr weit vom Rentenalter entfernt ist –, überschlug sein aktuelles und zu erwartendes Vermögen. Dann erklärte er: „Vier Millionen Euro. Wenn ich diesen Betrag auf dem Konto habe, höre ich auf zu arbeiten.“
Dieses Gespräch liegt drei Jahre zurück. Schon damals war Zarous Account in den sozialen Medien populär. Inzwischen ist er der erfolgreichste und reichweitenstärkste Content Creator im deutschsprachigen Raum – und sein Vermögen liegt im mittleren zweistelligen Millionenbereich, Tendenz steigend. Nicht nur die Marke Younes Zarou ist ein Multimillionenbusiness, auch seine Investitionen und Unternehmensgründungen erweisen sich als lukrativ. Zarou könnte also locker in Frührente gehen – doch er denkt nicht daran.
„Ich kann nicht still sitzen. Ich will noch so viel mehr erreichen“, sagt Zarou beim Interview mit Forbes in seiner Heimatstadt Frankfurt am Main – und lässt dabei sein unbeschwertes Younes-Zarou-Lächeln aufblitzen. Genau das ist sein Markenzeichen. Es ist auf zig Millionen Bildschirmen weltweit zu sehen und begeistert Menschen aus verschiedensten Kulturkreisen. Und wenn Zarou über die Zukunft spricht, über neue Projekte und Ideen, dann wird rasch klar: Das ganz große Spektakel im Zirkus Younes Zarou hat vielleicht gerade erst begonnen.
Um dieses Phänomen zu fassen, muss man zunächst auf die Zahlen schauen: Deutschlands größter Influencer (Zarou hat nichts gegen diese mitunter umstrittene Berufsbezeichnung) hat mehr als 100 Millionen Follower auf Tiktok, Youtube und Instagram. Er ist der King of Content eines Kommunikationsimperiums, er wird von den Mächtigen in Politik, Wirtschaft und Medien umgarnt und bewundert – von Youtube hat er einen Diamond Award verliehen bekommen, mehr als eine Milliarde Menschen (ein Achtel der Weltbevölkerung!) haben schon mal sein Gesicht gesehen, lachen über seine Faxen, lesen, schauen und liken seine Posts. Aber wie wurde Younes Zarou zum Mega-Influencer made in Germany? Und was hat er als Nächstes vor?
Ein kalter Dezembertag, ein Fotostudio im Westen Frankfurts. Younes Zarou fährt in einem frisch gewaschenen weißen Mercedes-SUV vor. Er holt einen schwarzen Anzug von Hugo Boss aus dem Kofferraum, dazu blütenweiße Sneakers und eine 1,5-Liter-Flasche Wasser – weil er tagsüber nichts isst, wird er in den nächsten Stunden sehr viel trinken.
Kaum hat er sich vorgestellt, greift er nach seinem Smartphone, schaltet die Kamera auf Selfie-Modus und filmt los: „Hey Leute, ich bin hier bei einem Shooting, das wird eine ganz krasse Geschichte, ich darf aber noch nicht verraten, worum es genau geht.“ „Nur ein schnelles Update für die Snapchat-Community“, erklärt er. Dann überlegt er sich ein Outfit – für das Forbes-Cover wolle er „businessmäßig“ aussehen, also greift er zum Anzug, lässt aber das weiße Hemd weg und zieht nur das Jackett über seinen muskelbepackten Oberkörper.
Zarou war am Morgen schon im Fitnessstudio. Der ideale Tag sieht für ihn so aus: Früh Sport machen, mindestens ein Video drehen und mit seinem Team – es arbeiten 15 Mitarbeiter an der Marke Younes Zarou – oder anderen neuen Content produzieren und danach gemeinsam „chillen“. Nach Feierabend fährt er in sein neues Haus, eine Villa in einem Frankfurter Nobelviertel, wo er zur Miete wohnt. Er habe sich die Luxusimmobilie nicht gekauft, weil er oft unterwegs sei und flexibel sein wolle, sagt er. Er lebe alleine, eine Beziehung habe er nicht.
Jeden Abend serviert ihm eine Privatköchin ein üppiges Mahl. „Ich esse nur einmal am Tag, aber wenn ich esse, dann wie ein König“, sagt Zarou. Die Abendmahlzeit steht schon fest, sie wird – wie immer – hauptsächlich aus magerem Protein wie Shrimps, Hühnchen und Thunfisch bestehen. Er schwärmt von dem Nachtisch am Tag zuvor, da gab es Protein-Muffins. Aber warum fastet er so streng? Das hat mit seinem Arbeitsethos zu tun: „Ich will mir die Abendmahlzeit erst verdienen müssen“, sagt er.
Zarou wuchs in einer Großfamilie in Frankfurt auf, die Eltern stammen aus Marokko. Sein Vater arbeitet als Automechaniker, seine Mutter als Krankenschwester, beide leben ihren Kindern Fleiß und Pflichtbewusstsein vor. Zarou bekommt kein Taschengeld – will er sich etwas leisten, muss er sich das Geld erarbeiten. Also trägt er als Teenager Zeitungen aus und verteilt Flyer für eine Pizzeria. Irgendwann hat er genug Geld beisammen, um sich das ersehnte BMX-Rad und die Playstation leisten zu können. Zu Hause spricht man Deutsch statt Arabisch – weshalb Zarou die Sprache seiner Eltern nie gelernt hat. „Meine Mutter spricht besser Deutsch als ich“, witzelt er.
Der Teenager Zarou war ein Energiebündel und steckte sein Umfeld mit seiner guten Laune an. Eine Mitschülerin sagte damals über Zarou: „Wenn das Klassenzimmer ein Kino ist, sind wir nur die Werbung und du bist der Blockbuster.“ Mit 14 Jahren versucht Zarou seinen Charme in die Welt von Facebook und Co zu übersetzen – mit mäßigem Erfolg: Seine Clips begeistern nur eine Handvoll Follower. Insgesamt dauert es zwei Jahre, um 20.000 Follower zu gewinnen.
Zarou trainierte in den Jugendteams von Eintracht Frankfurt mit, musste aber bald einsehen, dass sein Talent nicht für eine Profikarriere reichen würde. Umso ehrgeiziger verfolgte er seinen anderen Traum: in der Welt des Internets zum Star zu werden. Dieser blieb; auch als er sich an der Provadis School of International Management & Technology im dualen Studium zum Wirtschaftsinformatiker ausbilden ließ und dabei in einer Frankfurter Beratungsagentur arbeitete. Zarous „sehr konservative“ Familie konnte mit diesem Berufstraum nichts anfangen. Sein Vater kam als Siebenjähriger nach Deutschland; für ihn bedeutet Arbeit „malochen“. Und das Gegenteil von malochen, so sieht er es zumindest, ist das Produzieren und Hochladen lustiger Filmchen auf Facebook und Co.
2019 entdeckte Zarou Tiktok. Die Plattform wurde zur Startrampe seines Erfolgs: Im April 2020, während des ersten Corona-Lockdowns, filmte er sich einen Monat lang per Livestream ununterbrochen. Seine Stay-at-home-Challenge wurde zum viralen Hit – 200.000 User schauten oft zeitgleich zu, selbst wenn er schlief. Zarou wollte mit dem Stunt auch eine Botschaft an seine jungen Fans senden: Bleibt zu Hause! Schützt euch und andere vor dem Virus! „Eine hohe Reichweite bedeutet auch große Verantwortung“, sagt er.
Durch diese „Truman-Show“ stieg die Zahl seiner Follower auf mehr als zehn Millionen. Hinzu kam die erste große Werbekooperation mit dem Mobilfunkkonzern O2, danach folgte eine erste Zusammenarbeit mit BMW. Heute kann Zarou für einen gesponserten Post einen mittleren fünfstelligen Betrag verlangen.
Aktuell ist der 26-Jährige auch Co-Gründer der Kreativagentur Totally, die mit dem Lebensmittelkonzern Kellogg’s, der NFL Deutschland und den Basketball- und Fußballteams des FC Bayern arbeitet. Hinzu kommt eine Beteiligung an der Frankfurter Kreativagentur Nextlvl Media und am Energydrink Funq. Zarou macht sich für Gründergeist, Unternehmertum und Bildung stark – er gibt Gastvorträge vor Studenten und unterstützt die Online-Hochschule European Institute for Management, wo er bei Professor Karsten Bredemeier seinen Master studiert. Auch engagiert er sich für die Bildungsplattform Teech, gemeinsam mit anderen Prominenten wie Tom Kaulitz.
Sein aktuell wohl wichtigstes Projekt ist Atlasgames, die Agentur, die als Holding über alle Aktivitäten wacht. Zarou ist Co-Gründer, gemeinsam mit Witalij Moisejew und dem Spielerberater Florian Goll. Vor allem im wachsenden Markt der Kleinfeldfußball-Ligen will das Trio erfolgreich mitmischen.
Dafür hat sich Zarou mit Spaniens Ex-Weltmeister und FC-Barcelona-Ikone Gerard Piqué verbündet, um dessen Kings League in Deutschland noch populärer zu machen. Bei den Kleinfeldturnieren spielen Männer (Kings) und Frauen (Queens) sieben gegen sieben; die Spiele werden per Livestream übertragen, die Regeln bestimmen die Fans virtuell mit. Die Spaßliga ist ein Publikumshit, in Deutschland soll Zarous Team Youniors FC für den Durchbruch sorgen.
Die Kings League (und vergleichbare Formate wie Toni Kroos’ Icons League) schlagen die Brücke zwischen der Fußballwelt und dem Influencer-Kosmos. Manche sehen darin die digitale Disruption des Volkssports. Im Januar wird Zarou bei der Kings-League-Weltmeisterschaft in Italien auf US-Megainfluencer Jake Paul treffen. Für sein Team Youniors FC entwirft Atlasgames einen Markenkosmos, mit einer Fußballakademie und eigener Ausrüstung. Kleinfeldligen wie die Kings League, weitere neue Angebote aus der Sportindustrie und die damit verbundenen Streamingangebote werden der Fokus des Zarou-Business im kommenden Jahr sein.
Doch was genau ist der Kern der Marke Younes Zarou? „Ich sorge für Freude und positive Emotionen“, sagt er. Seine Fans sind mehrheitlich zwischen 14 und 24 Jahre alt – und nicht allein im deutschsprachigen Raum zu Hause. Viele Mitglieder seiner „YZ Family“ wissen nicht einmal, dass Zarou Deutsch spricht – dank seiner pantomimischen und schauspielerischen Fähigkeiten überbrücken seine nonverbalen Clips Sprach- und Kulturbarrieren. Einen viralen Trend setzte Zarou, als er 2019 mit der I-Phone-Kamera durch einen Wassertropfen in sein Auge zoomte – und damit einen Tiktok-Trend ins Rollen brachte.
Gerade diese Challenges, Tutorials und digitalen Belanglosigkeiten fesseln seine Fangemeinde – etwa Anleitungen, wie man gekochten Eiern mithilfe des Gefrierfachs eine kantige Form gibt oder wie man Glitter aus zum Herz geformten Händen regnen lässt; oder wie man sein Gesicht in ein grünes Schleimbad versenkt, um damit kuriose Bilder zu produzieren. Das klingt albern, aber der Konsum dieser Content-Häppchen wirkt auf Millionen User wie das Essen von Chips: Nach dem ersten Bissen will man sofort mehr.
Dass sich Zarou mit Wasserspielchen, Farbschlachten, Tänzchen und Schminke ein Kommunikationsimperium aufbauen konnte, mag auf Kulturpessimisten wie eine Provokation wirken. Manche argumentieren: In Zeiten, in denen freiheitliche Gesellschaften unter Druck geraten und der Klimawandel die Lebensbedingungen auf dem Planeten rasant verschlechtert, bräuchte es doch junge Menschen, die sich für Sinnvolleres einsetzen, statt ihre Zeit in einem Stream von Kurzfilmchen zu verplempern. Der Erfolg von Influencern wie Zarou, die Jagd nach Likes, Followern und „Fame“, sende ein fatales Signal an junge Menschen, heißt es – zumal Tiktok wegen seiner Verbindung zum autokratischen Regime Chinas unter Druck steht. Experten warnen: Die App habe für Kinder und Jugendliche ein enormes Suchtpotenzial.
Im Kern war das lange auch die Meinung von Zarous Eltern. Inzwischen haben sie aber akzeptiert, dass ihr Sohn kein klassischer Malocher ist und sich lieber auf der bunten Spielwiese von Social Media verwirklicht. Und das mit gigantischem Erfolg.
Natürlich ist es einfach, Zarous Business einen Mangel an Substanz vorzuwerfen. Doch das wäre unfair und verkennt die visionäre Kraft seines Wirkens. Zarou versteht sich als Unterhaltungskünstler – und Unternehmer, der die Möglichkeiten des Webs auf smarte und kreative Weise nutzt und in einem hoch umkämpften und sich rasant entwickelnden Markt solide Profite erwirtschaftet. Er leistet Pionierarbeit und geht seinen eigenen Weg: Statt das Netz für Hetze oder „Beef“ mit rivalisierenden Online-Promis zu nutzen, ist seine Botschaft durchwegs positiv: Es geht um Liebe, Toleranz und Gemeinschaft.
In ideologisch giftigen Zeiten setzt Zarou auf die Kraft des Optimismus – und nutzt die Macht seiner Marke für die gute Sache: Mal bewirbt er mit Arnold Schwarzenegger den Kampf gegen Lebensmittelverschwendung oder organisiert mit der NGO Bigshoe Spendenaktionen für benachteiligte Kinder. Er brachte auch Hilfsgüter an die Grenze der Ukraine, gemeinsam mit der Supermarktkette Kaufland, sammelte Gelder für die Erdbebenopfer in der Türkei und Syrien und engagiert sich als Botschafter des Spielzeugherstellers Lego für wohltätige Zwecke.
Zarou ist streng gläubiger Muslim, er betet fünfmal am Tag. Beim Fotoshooting in Frankfurt zeigt er eine Goldkette mit einem filigranen Anhänger in Buchform – das sei der „kleinste Koran der Welt“, erklärt er. Das Schmuckstück ist das Geschenk zweier Villacher Juweliere, deren Start-up Nano Venture Heilige Schriften mittels Lasertechnologie auf winzige Nanochips brennt. Ob die Kette auf den Bildern zu sehen sein soll, fragt er seinen Manager Witalij Moisejew – wenn es um „religiöse Symbole“ geht, sei er sehr vorsichtig. Das gilt auch für politische Botschaften: Zu Zarous Erfolgsformel gehört, dass er sich zu gesellschaftlichen oder politischen Debatten nicht äußert. Dabei würde ihn die Politik gerne mehr einspannen – wegen seiner Reichweite und seines Drahts zur jungen Generation: Auf Einladung des Kanzleramts optimierte der Influencer den Tiktok-Account von Olaf Scholz; kaum hatte der Wahlkampf für die Neuwahlen zum Deutschen Bundestag im Februar begonnen, erreichte Zarous Management die Anfrage einer Regierungspartei, die sich gerne mit einem phänomenal erfolgreichen Aufsteiger mit Migrationshintergrund schmücken würde.
Zarou lehnte ab – zwar könne er sich mit manchen Parteien eine Zusammenarbeit vorstellen; doch seine YZ Family soll unpolitisch bleiben. Auch wenn das manchmal schwerfällt, etwa wenn es um den Nahostkonflikt geht. Auch hier hat er sich verkniffen, seine Meinung zu äußern – was manchmal „sehr schwer“ gefallen sei.
Der flüchtige Social-Media-Content hat sich als beeindruckend solides Fundament für klassisches Unternehmertum erwiesen. Durch die Strahlkraft seiner Marke hat Zarou ein Business aufgebaut, das weit über Content-Kreation und Werbepartnerschaften hinausgeht. Doch was ist seine eigentliche Mission? Nicht Geld allein, sagt Zarou. Er denkt nicht an Rente – eher an ein Erbe, das er der Gesellschaft vermachen will: „Ich will etwas erschaffen, das Spuren hinterlässt, wenn ich längst nicht mehr bin.“ Klingt darin die Sehnsucht des Creators an, etwas aufzubauen, das nicht der Macht der Algorithmen unterworfen ist? Genau das will Zarou mit seiner Fußballakademie und der Charity-Arbeit beginnen; das sei aber erst der Anfang.
Tiktok war die Trägerrakete für seinen Erfolg. Die Plattform will weg von den Kurzclips, hin zu mehr Storytelling, weil es sich auch besser kommerzialisieren lässt. Zuletzt hat sich Zarou mehr auf die Plattformen von Meta konzentriert. Manager Moisejew nennt das „Diversifizierung zur Risikominimierung“; immer wieder gibt es ja auch Gerüchte um einen Tiktok-Zwangsverkauf.
Doch Zarou macht das nicht nervös. Seine gute Laune überstrahlt alles. Wenn er von der Zukunft spricht, leuchten seine Augen. Auch abseits der Kamera ist er gut drauf – er kann einfach nicht anders. Nach dem Fotoshooting setzt er sich nun seine pinke Mütze auf; die ist sein Markenzeichen, wie es früher der Zylinder war, aus dem die Illusionisten des analogen Zeitalters die Kaninchen zauberten.
„In meinem Pass steht, dass ich 26 Jahre alt bin. Aber ich habe den Kindskopf eines 14-Jährigen“, sagt Zarou lächelnd. Doch hinter der lockeren Fassade verbirgt sich die Persönlichkeit eines ehrgeizigen Geschäftsmanns, der mit Durchhaltevermögen, Ausdauer und Neugier seinen Weg geht und noch viel erreichen will – und nicht still sitzen kann.
Fotos: Peter Rigaud