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Mit mehr als 120 Businessjets und 252 Millionen € Umsatz zählt Avcon Jet zu den größten Anbietern von Flügen in Executive Jets – nicht nur in Österreich, sondern auch in Europa. Mit uns sprach Alexander Vagacs, CEO des Unternehmens, über Fliegen, die Coronakrise und die Logik der Branche.
Egal, ob eine Cessna Citation CJ2+, ein Airbus A318 Elite oder ein Boeing-Business Jet – die Flotte von Avcon Jet spielt alle Stücke. Vom Hauptquartier in Wien aus steuert das Unternehmen rund 120 Businessjets, die Kunden aus aller Welt nutzen. Die 700 Mitarbeiter erwirtschafteten 2019 rund eine Viertelmilliarde € Umsatz. Doch dann kam mit Corona die globale Luftfahrt zum Erliegen – und auch Avcon Jet musste umdenken. CEO Alexander Vagacs, der seine Karriere als Unternehmensberater startete und Avcon Jet 2007 gemeinsam mit Maximilian Maruna (heute COO) und Roman Wiedenhofer (CLO) gründete, war voll in seinem Element – denn die letzten 14 Jahre haben den Betriebswirt auf diese außergewöhnliche Herausforderung vorbereitet.
Medienberichten zufolge hat die kommerzielle Luftfahrt aus der Coronakrise sogar Profit schlagen können. Inwiefern konnte Avcon Jet von der Krise profitieren?
„Profitieren“ steht immer in Relation zu den anderen Bereichen der Luftfahrt. Profitiert im Vergleich zur Linienluftfahrt haben wir natürlich, weil wir flexibler und kleiner sind und daher schneller reagieren konnten. Wir haben auch nicht so große Aufwände und administrative Apparate; wir haben keine Maschinen, die wir mit 200 Passagieren füllen müssen. Daher konnten wir relativ rasch reagieren. Und wir haben natürlich dann auch am Anfang der Pandemie Repatriierungsflüge durchgeführt sowie Flüge, als Leute noch Meetings machen oder an Orte mussten, die sie per Linienflug nicht mehr erreichen konnten. In der zweiten Hälfte der Pandemie, als die Fluglinien ihre Angebote ausgedünnt hatten und nur noch sehr sporadisch geflogen sind, konnten wir wiederum Passagiere befördern, die Meetings machen oder an gewisse Destinationen wollten. Da konnten wir im Verhältnis zu den normalen Fluglinien definitiv profitieren. Im Gesamtkontext gesehen haben wir jedoch genauso einen Umsatzrückgang erlebt. Er war nur eben nicht so stark wie bei den klassischen Fluglinien.
War die Coronakrise die größte Herausforderung für Avcon Jet?
Zu Beginn der Pandemie war die Ungewissheit die größte Herausforderung. Keiner hat gewusst, in welche Richtung es gehen wird, da es keine Erfahrungswerte gab. Die Handlungsanweisungen der Politik waren dementsprechend deutlich, sprich: komplette Lockdowns, Reisebeschränkungen et cetera. Wie verhält sich dann auch die Gesamtwirtschaft in einer solchen Situation? Das waren Fragen, die uns beschäftigt haben, da wir doch sehr stark von Menschen abhängig sind, die in entsprechende Unternehmen im Ausland investieren, Meetings machen und so weiter. Die Business-Aviation-Branche hat sehr viel mit der Gesamtwirtschaft zu tun – wenn die einschläft oder nicht mehr funktioniert, trifft es uns natürlich direkt und indirekt.
Wer sind denn Ihre Kunden?
Unsere Kunden nutzen das Flugzeug im überwiegenden Maß beruflich. Es sind jene, die von A nach B fliegen, um in B ein Meeting zu machen, eine Akquisition voranzutreiben, eine Finanzierung abzuschließen oder ein neues Geschäft anzubahnen. Der Vorteil dabei ist, dass sie in der Früh wegfliegen und am Abend wieder zu Hause sind, den Tag also optimal nutzen können. Es ist eigentlich unser Hauptziel, dass die Leute geschäftlich fliegen können. Dann nämlich, wenn die Alternative – nicht zu fliegen – gleichzeitig bedeutet, dass sie ihre Geschäfte nicht erledigen können, würde das der Wirtschaft schaden. Ich glaube, dass man entsprechende Rahmenbedingungen für Leute schaffen muss, die aus beruflichen Gründen ein Meeting im Ausland machen müssen. Diese sollen das weiterhin relativ rasch und unbürokratisch tun können. Business Aviation ist einfach nur ein Werkzeug dazu.
Alexander Vagacs
...studierte Betriebswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität Wien. Seine Karriere startete er als Unternehmensberater. 2007 gründete er mit Maximilian Maruna und Roman Wiedenhofer Avcon Jet.
Was ist dabei die oberste Prämisse für zufriedene Kunden?
Bei der Kundenzufriedenheit unterscheiden wir zwischen zwei Kundentypen: dem Charterkunden und dem Eigentümer. Der Charterkunde soll beim Einsteigen das Gefühl haben, dass er sein Flugzeug betritt. Er soll spüren, dass wir ihn richtig verstehen, seine Vorlieben und seine Wünsche kennen. Kunden, die Eigentümer sind, sollen möglichst wenig von uns mitbekommen. Sie sollen in Wahrheit ihre Flüge machen, und die sollen so funktionieren, wie sich die Kunden das vorstellen und wünschen. Aber von all der Arbeit im Hintergrund sollten sie möglichst nichts mitbekommen – zumindest nicht im negativen Sinne.
Stichwort negativ: Wir haben die Klimakrise, die in den Medien quasi omnipräsent ist. Der Bedarf an nachhaltigen Lösungen ist vor allem in der Luftfahrtbranche sehr groß. Was sind Ihrer Meinung nach konkrete Lösungsansätze im Bereich Business Aviation?
Das ist für uns alle ein Riesenthema. Die Luftfahrt ist da ein sehr plakatives Beispiel, daher verstehen wir auch, dass der Branche hier eine gewisse Vorreiterrolle zukommt und sie mit gutem Beispiel vorausgehen muss. Die Komplexität, die damit zusammenhängt, ist groß.
Von der Herstellerseite versuchen alle Produzenten, die Effizienz zu steigern; wir versuchen gleichzeitig, technologisch voranzugehen, etwa mit Bio- oder synthetischen Treibstoffen. Die Grenzen dabei haben regulatorische Gründe, denn da müssen entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden. Gleichzeitig ist es wichtig, dass das Angebot da ist. Es gibt einfach noch zu wenig synthetischen Treibstoff, den man zumischen kann. Auch die Effizienz in der Flugplanung ist eine Herausforderung: Je schneller wir von A nach B kommen, auch mit einem Flugzeug, je direkter die Wege sind und je länger man in einer relativ großen Höhe bleiben kann – das ist der Bereich, in dem Flugzeugtriebwerke optimal arbeiten –, desto weniger belastet das die Umwelt.
Der letzte Aspekt ist monetärer Natur. Je günstiger und massentauglicher das Fliegen wird, desto besser ist es auf der einen Seite für den Tourismus, doch es animiert Leute natürlich dazu, Trips zu machen, die vielleicht nicht notwendig sind. Diese Balance zu finden ist eine politische Angelegenheit. Wir als Luftfahrtunternehmen können uns nur nach den Rahmenbedingungen richten, die uns die Politik vorgibt.
Eine spannende Entwicklung zeigt sich bei vollelektrischen Flugtaxis, die den beanspruchten Straßenverkehr entlasten und gleichzeitig eine klimaneutrale Perspektive im Personenverkehr bieten sollen. Wie stehen Sie dazu?
Die Vorteile liegen auf der Hand: Das sind elektrische, leise und grüne Fortbewegungsmittel. Ob die Regularien jedoch entsprechend schnell geändert werden, dass das möglich wird – da bin ich mir nicht ganz sicher.
Andere Fragen stellen sich ebenfalls: Können wir die nötigen Elektrotankstellen bauen? Ist die Sicherheit gewährleistet? Können wir schnell genug Piloten rekrutieren? Wie sieht die Flugraumüberwachung aus? Da gibt es noch viele Fragezeichen. Meine Kristallkugel ist nicht klar genug, um da eine Prognose zu machen. (lacht)
Welches Flugzeug wird am häufigsten gebucht?
Das ist unterschiedlich – je nach Streckenlänge. Auf der Langstrecke gibt es mehrere Hersteller: Dassault, Gulfstream und Bombardier. Gulfstream und Bombardier liegen in der Beliebtheit auf dem ersten Platz. Auf der Mittelstrecke gibt es auch Bombardier und Gulfstream Modelle, aber auch Cessna sowie Embraer mit dem Modell Legacy 450/500 bzw. Praetor 500/600. Die haben technologisch einen großen Schritt nach vorne gemacht und sind sehr beliebt. Die Kurzstrecke war immer die Heimat von Cessna – sie dominieren in dieser Kategorie, etwa mit den Modellen der Citation CJ Serie oder Citation XLS.
Und in welchem Modell sitzen Sie am liebsten?
Als Passagier kann man das schwer sagen. Wenn man hinten sitzt, ist es sehr schwierig, zu differenzieren, was angenehm oder weniger angenehm ist. Die Flugzeuge sind heute alle extrem leise und komfortabel, sie liegen ruhig in der Luft.
Aus Pilotensicht habe ich eine Präferenz für die Flugzeuge von Gulfstream. Aber das ist eine komplett subjektive Meinung, wie die Frage nach der besten Automarke.
Avcon Jet ist bereits eines der größten Bedarfsflugunternehmen Europas. Was kommt noch? Wo steht Ihr Unternehmen in zehn Jahren?
Das ist eigentlich nicht vorhersehbar. Natürlich wollen wir unsere Marktposition festigen und weiterhin zumindest die Nummer zwei in Europa bleiben – oder vielleicht die Nummer eins werden. Doch das Wichtigste ist Sicherheit und unfallfrei zu bleiben, da zählt jeder Tag. Und wenn wir es schaffen, dass wir in zehn Jahren merken, dass wir keine gröberen Probleme oder Unfälle hatten und dass unsere Kunden zufrieden sind, dann sind wir genau dort, wo wir hinwollen.
Text: Naila Baldwin
Fotos: Gianmaria Gava, Avcon Jet
Diese Advoice erschien in unserer Ausgabe 5–21 zum Thema „Travel & Tourism“.