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Für viele ist die Vorstellung, im Handel zu arbeiten, ein Horror: Lange Arbeitszeiten, schlecht gelaunte Kundschaft und gestresste Kollegen sind eine unattraktive Kombination. Doch es gibt auch jene, die als Verkäufer geboren werden und ihren Beruf lieben. Fluturime Redzepi ist eine von ihnen.
Die österreichische Schuhproduktion hat eine lange Tradition – so auch die Leder & Schuh AG (zu der heute die Marken Humanic und SHOE4YOU gehören), die 1872 als D. H. Pollak & Co in Graz gegründet wurde und heute international tätig ist, und zwar erfolgreich: Im vergangenen Jahr erwirtschaftete das Unternehmen 161 Mio. € Umsatz. Im Vergleich: Die globale Schuhindustrie ist 385,46 Mrd. US-$ schwer. Weltweit werden fast 90 % der Schuhe in Asien produziert, die meisten davon in China.
Doch daran, was sich auf den globalen Märkten abspielt, denkt wohl kaum einer, wenn er auf der Suche nach einem neuen Paar Schuhe ist. Im Geschäft möchte man lediglich gut beraten werden – etwa von Fluturime Redzepi, Filialleiterin eines Humanic-Stores auf der Mariahilfer Straße in Wien. „Klar, ich gehöre zu den 99 % der Frauen, die Schuhe lieben, doch meine wahre Leidenschaft gilt dem Verkauf und der Beratung der Kunden“, erzählt sie im Interview. Die meisten würden Redzepis Geschichte als Erfolgsstory bezeichnen; sie spricht lieber von einer Liebesgeschichte. „Es ist die Humanic-Lovestory“, lacht sie.
2006, im Alter von 15 Jahren, wurde ihr ein Flyer für eine Lehre bei Humanic in die Hand gedrückt. Ihre Eltern erwarteten zwar eine Karriere als Ärztin, doch bereits während eines Praktikums in einer Apotheke wusste die junge Redzepi, dass sie nicht für die Welt im Umfeld der Medizin geschaffen ist. Deshalb bewarb sie sich bei Humanic und wurde als Lehrling im Flagship-Store auf der Mariahilfer Straße eingestellt. „Als ich am ersten Tag in den Store gekommen bin, dachte ich sofort: ‚Wow, hier kann ich mich wirklich ausleben!‘“, erinnert sie sich heute zurück. Es war Liebe auf den ersten Blick. 2009 schloss Redzepi ihre Lehre ab – um nur ein Jahr später zur stellvertretenden Filialleiterin befördert zu werden. „Ich habe wirklich nie mit dem Gedanken gespielt, in die Führungsebene zu kommen, aber mein Enthusiasmus für Schuhe ist bei den Kunden angekommen. Ich hatte in der Megafiliale auf der Mariahilfer Straße viele Stammkunden, was in einem Geschäft mit so viel Laufkundschaft extrem ungewöhnlich ist. Das wurde wohl auch in der Management-Etage bemerkt“, erzählt die gebürtige Nordmazedonierin. 2012 übernahm Redzepi die Leitung des Flagship-Stores und führte im jungen Alter von 22 Jahren mehr als 40 Mitarbeiter. Seit 2015 ist Redzepi Filialleiterin einer anderen Humanic-Filiale auf der Mariahilfer Straße.
Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, wann ich den letzten schwierigen Kunden hatte. Mein Grundsatz, dass jeder mal einen schlechten Tag haben darf, bringt mehr Leichtigkeit in meinen Job.
Fluturime Redzepi
Die Umstellung von der Mitarbeiterin zur Führungskraft war für Redzepi eine Herausforderung: „Es war schwierig, meine Erfahrungen aus dem Verkauf in der Führungsebene einzubringen. Aber irgendwann ist in mir dieses unternehmerische Denken erwacht; ich habe dadurch eine völlig neue Leidenschaft entdeckt.“ Trotzdem ist auch heute noch der Sales Floor ihr Lieblingsort, wo Redzepi nicht nur eine Vorgesetzte, sondern auch ein Vorbild für ihre Mitarbeiter sein möchte. Ihre These: Die besten Mitarbeiter wollen immer wie ihr Chef werden.
Doch der Handel hat auch anstrengende Seiten: Lange Arbeitszeiten, schlecht gelaunte Kunden und nicht zuletzt die Coronakrise machen vielen Verkäufern zu schaffen. Für Redzepi ist das jedoch Teil des Alltags, den sie seit 16 Jahren lebt und liebt. Unfreundliche Kunden dürfe man als Verkäufer nicht zu ernst nehmen, meint sie – gleichzeitig sollten auch sie mit einem Lächeln und netten Worten bedient werden. Die Filialleiterin formuliert es so: „Ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich den letzten schwierigen Kunden hatte, weil ich mit dem Grundsatz arbeite, dass jeder mal einen schlechten Tag haben kann und man Unfreundlichkeit nicht immer persönlich nehmen darf – speziell im Verkauf. Mit dieser Einstellung kommt mehr Leichtigkeit in meinen Job.“
Ob Redzepi schon mal überlegt habe, für andere Schuhgeschäfte zu arbeiten? „Nein, auf gar keinen Fall. Ich habe zwar bereits einige Angebote bekommen, will aber auf jeden Fall bei Humanic bleiben. Qualität, Mode, Vielfalt, ohne die Funktionalität aus den Augen zu verlieren – diese Philosophie entspricht auch meinen Werten. Und die sehe ich bei keinem unserer Mitbewerber so stark wie bei uns. Deshalb liebe ich es hier so sehr.“
Text: Erik Fleischmann
Fotos: Katharina Gossow